1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteUkraine

Wie die Ukraine ihre Drohnen-Produktion ausbaut

Anna Psemyska
18. November 2023

Kiew zufolge ist die Drohnen-Produktion in der Ukraine seit Russlands Invasion um mehr als das Hundertfache gestiegen. Private Unternehmen haben eigene Modelle entwickelt. Doch es fehlen immer noch Drohnen.

Eine ukrainische Aufklärungsdrohne PD-2 (People's Drone) am Himmel
Ukrainische Aufklärungsdrohne PD-2 (People's Drone)Bild: DW

In einer der Werkshalle von Skyeton ruht die Arbeit nie. Auch nachts machen die Mitarbeiter des privaten Rüstungsunternehmens ihre Jobs: Bauteile zuschneiden, sie zusammensetzen, die Software prüfen. Das Endprodukt ist das Drohnensystem Raybird-3, militärische Bezeichnung: ACS-3. Das unbemannte Miniflugzeug hat eine Spannweite von knapp drei Metern und wiegt weniger als einen halben Zentner. Sie kann bis zu 120 Kilometer weit fliegen und dadurch auch für Aufklärungsflüge über das feindliche Hinterland eingesetzt werden.

Boom in der ukrainischen Drohnenindustrie

Die Raybird-3 ist schon seit 2018 bei den ukrainischen Streitkräften im Einsatz. Doch seit Februar 2022 hat Skyeton die Produktion massiv gesteigert. "Wofür wir vor 2022 ein Jahr brauchten, das schaffen wir jetzt in ein paar Wochen", sagt Andrij Fialkowskyj, Direktor der Firma Skyeton, die bis 2014 Trainingsflugzeuge produzierte. Inzwischen würden seine Mitarbeiter pro Woche drei Fluggeräte, ein Katapult-Startsystem, zwei Bodenstationen, eine Antenneneinheit und einen Satz Ersatzteile herstellen. Das größte Problem der Firma sei die Sicherheit vor russischen Angriffen. Deswegen habe Skyeton seine Produktion auf verschiedene Standorte verteilt.

Die Aufklärungsdrohne Raybird-3 (ACS-3) der Firma Skyeton wird schon seit 2018 von den ukrainischen Streitkräften genutztBild: DW

Skyteon ist nicht das einzige Unternehmen, dass in den letzten Jahren die Produktion von Drohnen ausgebaut hat. Tatsächlich erlebt die Branche in der Ukraine einen regelrechten Boom: Denn die Nachfrage des ukrainischen Militärsnist seit Beginn des großangelegten Angriffs Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 rasant gestiegen, und Kampfdrohnen sind zu einem wichtigen Faktor in den Gefechten gegen die russischen Angreifer geworden. Die unbemannten Luftfahrzeuge können je nach Modell sowohl zur Aufklärung als auch zum Beschuss gegnerischer Ziele eingesetzt werden.

Die Aufklärungsdrohne vom Typ Shark hat eine Reichweite von bis zu 120 Kilometern und kann so tief in feindliches Gebiet eindringenBild: DW

Seither haben viele kleinere und größere Unternehmen in der Ukraine begonnen eigene Systeme zu entwickeln. Eine dieser Firmen ist Ukrspecsystems, das die ferngesteuerte Aufklärungsdrohne "Shark" (Englisch für "Hai") mit einer Reichweite von rund 80 Kilometern herstellt. Nach Angaben des Herstellers vergingen zwischen Entwicklungsbeginn und ersten Tests nur sechs Monate. Im Oktober 2022 wurde die Drohne der Öffentlichkeit vorgestellt. Andere ukrainische Entwickler berichten Ähnliches.

Ukraine baut Drohnen für Aufklärung und Angriff

Unter den in der Ukraine hergestellten Aufklärungsdrohnen sind die Modelle Shark, Leleka-100 (Stork), Furia, Valkyrie und PD-2 (People's Drone) beim Militär beliebt. Die Hauptfunktion von Aufklärungsdrohnen besteht darin, den Standort von Depots und Truppen des Feindes auszuspähen, um die Artillerie oder auch HIMARS-Raketen-Systeme mit großer Reichweite entsprechend auf die Ziele auszurichten.

Im Bereich der First-Person-View-Drohnen (FPV), die aus der Perspektive eines virtuellen Piloten an Bord gesteuert werden, verweisen Experten auf die Modelle Pegasus, Bucephal, Bat und Vampire. Die senkrechtstartenden Multikopterdrohnen können kleine Bomben mitführen und abwerfen. Diese Drohnen werden für die ukrainische Armee mit gemeinnützigen Mitteln sowie im Rahmen des Regierungsprojekts "Drohnenarmee" angeschafft.

Kampf um technologischen Vorsprung: Drohnen im Ukraine-Krieg

03:51

This browser does not support the video element.

Eine der ukrainischen Entwicklungen, über die kaum Angaben gemacht werden, ist die Kamikaze-Drohne Beaver des privaten Unternehmens UkrJet. Sie kann angeblich bis zu 1000 Kilometer weit fliegen, aber offizielle Informationen liegen dazu nicht vor. Beobachtern zufolge wurden mit diesen Drohnen schon mehrmals Ziele in Moskau getroffen. Russische Medien haben auch Bilder von Drohnen veröffentlicht, die es bis in die russische Hauptstadt schafften und der UkrJet UJ-22 Airborne ähnelten. Die Kamikaze-Drohne RUBAKA ist ein weiteres Beispiel für eine Angriffsdrohne mit großer Reichweite aus ukrainischer Entwicklung. Über sie ist ebenfalls nicht viel bekannt.

Multikopterdrohnen können senkrecht aufsteigen. Die ukrainische Armee nutzt sie auch, um kleine Bomben über militärischen Zielen abzuwerfen.Bild: DW

Solche Drohnen ähneln dem Prinzip nach den iranischen Shahed-Drohnen, mit denen Russland die Ukraine angreift. Dabei handelt es sich um GPS-gesteuerte Kamikazedrohnen, die mit Gefechtsköpfen mit bis zu 50 Kilogramm Sprengstoff bewaffnet werden können. Auch der staatliche Rüstungskonzern Ukroboronprom hat laut seinem Generaldirektor Herman Smetanin bereits eine solche Drohne entwickelt. Die Serienproduktion habe bereits begonnen. Ferner gebe es noch "leistungsstärkere Modelle", deutete Smetanin an.

Die ukrainischen Armee fehlen vor allem große Angriffsdrohnen

"Wir haben die Produktion von Drohnen um das Hundertfache, in einigen Fällen um das 150-fache und vielleicht sogar mehr gesteigert", sagt Giorgi Tskhakaia, Berater des Ministers für digitale Transformation und einer der Architekten des Projekts "Drohnenarmee". Er betont, es werde nie genug Drohnen geben: "Drohnen sind immer Mangelware, weil sie dringend gebraucht werden", sagt er der DW. Ihm zufolge gab es zu Beginn der umfassenden russischen Invasion in der Ukraine sieben Drohnen-Hersteller, anderthalb Jahren später seien es 150, die meisten davon private Firmen.

Die Produktion bei der Firma Skyeton ist auf verschiedene Standorte verteiltBild: DW

Der leitende Mitarbeiter des Staatlichen Luftfahrtmuseums, Walerij Romanenko, bezeichnet die Fortschritte der Ukraine in den letzten anderthalb Jahren bei der Produktion eigener Drohnen als "Sprung nach vorne": "Wir hatten zu Beginn des Krieges nur türkische Bayraktar-Drohnen. Bis zum Sommer 2023 kamen offiziell 28 Drohnen hinzu, davon neun Kamikaze-Drohnen", erklärt der Luftfahrtexperte. Dies sei aber nicht genug, Kamikaze-Drohnen seien die Schwachstelle der Ukraine: "Wenn wir Massenangriffe auf russische Waffenfabriken, Flugplätze und Depots durchführen wollen, brauchen wir schwere Drohnen, die die Decke eines Gebäudes durchdringen und das darin befindliche Objekt treffen können. Die Zahl der Beavers und RUBAKs, die wir jetzt haben, gleicht einer Teelöffel-Menge, aber wir müssen sie eimerweise ausschütten können", sagt er.

Vereinheitlichung oder Vielfalt?

Romanenko glaubt, dass es möglich wäre, die Zahl der in der Ukraine produzierten Angriffsdrohnen zu erhöhen, wenn man die Bemühungen verschiedener Hersteller bündeln und ihre Produkte mit ähnlichen Komponenten ausstatten würde. "Bislang ist es uns nicht gelungen, eine oder zwei einzelne Drohnen auszusuchen und sie in Massenproduktion herzustellen. CRPA-Antennen, Controller, elektronische Komponenten, Motoren und andere Ausrüstungen unterscheiden sich bei den verschiedenen Herstellern. Damit kommt es zu einer Fragmentierung bei Drohnen und daher können wir nicht in einem so großen Umfang Drohnen herstellen wie die Russen", bedauert er.

Hier soll eine ukrainische Drohne in ein Moskauer Bürogebäude eingeschlagen sein. Möglicherweise verfehlte sie wegen Störsignalen ihr eigentliches ZielBild: AP Photo/picture alliance

Giorgi Tskhakaia vom Projekt "Drohnenarmee" hingegen geht davon aus, dass der Staat an der Philosophie des offenen Marktes und des freien Wettbewerbs festhalten wird, denn je mehr Hersteller es gebe, desto intensiver sei die Forschung und Entwicklung neuer Produkte. "Wir können Russland nicht auf herkömmliche Weise besiegen, wir müssen innovativer sein. Und Wettbewerb schafft Innovation", betont Tskhakaia.

Start-ups entwickeln Drohnen für das ukrainische Militär

03:37

This browser does not support the video element.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen