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Kunst

Wie die Ukraine versucht, Kunstwerke zu retten

Stuart Braun
17. März 2022

Während Museen im ganzen Land ihre Kunstschätze verstecken, schmuggeln andere die Werke direkt ins Ausland. Etwa um den ukrainischen Auftritt bei der Biennale in Venedig zu sichern.

Sandsäcke schützen das Denkmal des Stadtgründers Duke de Richelieu in Odessa.
Sandsäcke schützen das Denkmal des Stadtgründers Duke de Richelieu in OdessaBild: Liashonok Nina/REUTERS

Während russische Raketen ukrainische Städte beschießen, Tausende von Zivilisten töten und Wohnhäuser dem Erdboden gleichmachen, fallen auch Kunst und Kultur dem Krieg zum Opfer. Die meisten Museen und Galerien in der Ukraine wurden nach dem russischen Einmarsch geschlossen. Da die Exponate durch Brandanschläge bedroht sind, bemüht sich die ukrainische Kulturszene um ihre Rettung. Die UNESCO-Weltkulturerbestätten sind vorerst verschont geblieben, aber wichtige Kultureinrichtungen wurden zerstört - darunter das Theater der Stadt Mariupol. Wie ukrainische Behörden meldeten, wurde das Gebäude bombardiert, während Hunderte von Menschen darin Schutz gesucht haben sollen. Auch das Höhlenkloster Swjatohirsk in der Region Donezk in der Ostukraine wurde diese Woche durch russischen Beschuss schwer beschädigt. Seine erste schriftliche Erwähnung geht auf das Jahr 1526 zurück.

Schutz der Kunst an der vordersten Front

Der Schutz des kulturellen Erbes der Ukraine ist zu einem immer wichtigeren Bestandteil der Kriegshilfe geworden, sowohl im Land selbst als auch international. Seit dem ersten Tag der russischen Invasion widmet sich auch das Künstlerkollektiv Asortymentna kimnata der Evakuierung und dem Erhalt von Werken unabhängiger Kunsträume, für die es kaum finanzielle Mittel oder Unterstützung gibt. Das Kollektiv hat seinen Sitz in der Galerie für zeitgenössische Kunst in der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk.

"Asortymentna kimnata wurde gegründet, um die unabhängige Kunstszene zu unterstützen, und jetzt müssen wir sie nicht nur unterstützen, sondern auch beschützen", sagte Anya Potyomkina, die Kuratorin der Galerie, der DW. Dafür hat das Künstlerkollektiv mehrere Lagerbunker an ungenannten Orten eingerichtet. Außerdem haben Galerien in Kiew, Mariupol, Odessa oder Saporischschja um Unterstützung bei der Evakuierung gebeten. Mehr als 20 Sammlungen wurden in den ersten zehn Tagen nach der Invasion in solchen Bunkern untergebracht.

"Uns ist es wichtig, dass wir weder im Hinterland noch in der Nähe der Frontlinie Werke der bildenden Kunst verlieren. Schließlich ist dieser Krieg auch ein Krieg der Kulturen", sagte Aljona Karawai, Mitbegründerin des Kollektivs.

Regionales Kulturerbe schützen

Olga Honchar, die Kulturmanagerin und Direktorin des Museums "Territorium des Terrors" in Lwiw, das sich mit der nationalsozialistischen und sowjetischen Gewalt in der Ukraine in der Mitte des 20. Jahrhunderts befasst, organisierte kurz nach der Invasion einen Museumskrisenfonds namens "Ambulanzmuseum". Unterstützt wird der Fonds von der Europäischen Kommission und dem deutschen interkulturellen Verein MitOst. Das Ziel sei es, "das lokale Erbe zu schützen", sagte Honchar.

Fast 20 Museen in vier Regionen haben seither finanzielle Unterstützung für den Schutz und den Erhalt von Exponaten erhalten. Museen aus kleinen Städten und Dörfern im Osten und im Süden der Ukraine, die im Zentrum der russischen Angriffe liegen, hatten Vorrang. Darüber hinaus wurde der Fonds eingerichtet, um die Folgen der russischen Invasion und die Bedrohung, die der Krieg für die ukrainische Kunstszene darstellt, zu bewältigen, etwa durch Notfallstipendien, Spenden und Auslandsaufenthalte, mithilfe derer die Künstler und Künstlerinnen ihre Arbeit fortsetzen können.

Rettung von Kunstwerken über die österreichische Grenze

In der Zwischenzeit hat ein Team des ukrainischen Pavillons der Biennale von Venedig Kunstwerke aus Kiew sicherheitshalber nach Österreich transportiert, damit die Ausstellung nächsten Monat in Italien stattfinden kann.

"In Zeiten wie diesen ist die Präsenz der Ukraine auf der Ausstellung wichtiger denn je", so die Kuratoren des ukrainischen Pavillons Maria Lanko, Lizaveta German und Borys Filonenko in einer gemeinsamen Erklärung. "In einer Zeit, in der das bloße Existenzrecht unserer Kultur von Russland in Frage gestellt wird, ist es wichtig, der Welt unsere Errungenschaften zu zeigen."

Das Kuratorenteam des ukrainischen Pavillons mit der Künstlerin (links): Lizaveta German, Borys Filonenko, Pavlo Makov und Maria Lankro Bild: Privat

Das Schlüsselwerk ist eine Skulptur des in Charkiw lebenden Künstlers Pavlo Makov, "Fountain of Exhaustion" (Brunnen der Erschöpfung), die aus 72 Kupfertrichtern besteht, die in Form einer Pyramide angeordnet sind, durch die das Wasser nur mühsam fließt und die Erschöpfung symbolisiert. 

Am zweiten Tag der Invasion gelang es Maria Lanko und Mitgliedern ihres Teams, die wichtigsten Teile der Skulptur in ihrem Auto aus Kiew abzutransportieren. Sie mussten eine Woche lang von einer Stadt zur nächsten reisen, bevor sie es nach Österreich schafften.

In der Zwischenzeit ist der 63-jährige Makov immer noch im zerbombten Charkiw an der Frontlinie der Invasion untergebracht. Er verkauft seine Werke auf seiner Website, um Geld für den Kauf von Waffen zur Verteidigung der Ukraine zu sammeln.

Bewahrung russischer Kunst trotz Invasion

Das belagerte Charkiw in der Ostukraine liegt nahe der russischen Grenze - die Stadt wurde bereits wenige Tage nach dem Einmarsch angegriffen. Kultureinrichtungen wurden schnell in Mitleidenschaft gezogen, darunter auch das Kunstmuseum von Charkiw, wo Mitarbeiter versuchen, eine der wertvollsten Kunstsammlungen der Ukraine zu retten, indem sie sie einlagern. Viele Werke stammen von russischen Künstlern.

"Es ist eine Ironie des Schicksals, dass wir russische Künstler retten sollen, Gemälde von russischen Künstlern aus ihrem eigenen Land, das ist einfach barbarisch", sagte Maryna Filatova, Verwalterin des Charkiwer Kunstmuseums. Da alle Fenster und Türen des Museums zerbrochen sind, nachdem das russische Militär ein nahe gelegenes Ziel bombardiert hat, sind die 25.000 Werke des Museums durch Feuchtigkeit und extreme Temperaturen gefährdet.

Polnische Kulturszene zeigt Solidarität

Unter dem Banner des Komitees zur Unterstützung der Museen der Ukraine haben sich auch polnische Kultureinrichtungen zusammengeschlossen, um das kulturelle Erbe in ihrem belagerten Nachbarland zu schützen.

Pavlo Makov vertritt die Ukraine in Venedig, aber noch ist er in Charkow eingeschlossenBild: Pavlo Makov. Courtesy of the artist

Auch Polen hatte während des Zweiten Weltkriegs unter der Zerstörung von Kulturgütern zu leiden, darunter die Plünderung und Vernichtung Warschaus sowohl durch die deutschen als auch die sowjetischen Besatzer. "Keine Nation und kein Staat sollte jemals wieder ähnliche Verluste erleiden", so heißt es in einer Erklärung des Komitees. "Heute besteht leider die Gefahr, dass dies der Ukraine widerfährt."

Für Pawel Ukielski, dem stellvertretenden Direktor des Museums des Warschauer Aufstandsund Mitbegründer der kurz nach der Invasion gegründeten Initiative, war die Zerstörung des kulturellen Erbes in Polen in der Vergangenheit nicht nur ein Nebenprodukt des Krieges, sondern eine "vorsätzliche Zerstörung", wie er gegenüber der DW klarmachte.

Er meint damit, dass der russische Präsident Wladimir Putin ähnliche Absichten haben könnte, da er behauptet hat, dass es "keine ukrainische Nation, keine ukrainische Identität" gibt - was bedeutet, dass kulturelles Erbe gezielt angegriffen werden könnte, um seinen Standpunkt klarzumachen. 

Das Komitee bietet allen ukrainischen Museen und Kultureinrichtungen Unterstützung bei der Sicherung ihrer Sammlungen an. Eine erste Lieferung von speziellem Verpackungsmaterial zum Schutz der Kunstsammlungen treffe bald in Lwiw ein, so Ukielski. Das Komitee bietet zudem im Rahmen einer internationalen Initiative Hilfe bei der Dokumentation, Digitalisierung und Inventarisierung von Sammlungen an. Laut Ukielski sind die digitale Dokumentation und die Erstellung eines Registers der Kulturgüter ein wichtiger Schritt in diesem Prozess, auch im Hinblick auf die Plünderung von Museen.

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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