Wie dramatisch das "Drama" am Mount Everest wirklich war
7. Oktober 2025
Die Nachricht ging - angefeuert von Posts in den sozialen Netzwerken - um die Welt: Hunderte von Menschen seien am vergangenen Wochenende auf der tibetischen Seite des Mount Everest von einem Schneesturm überrascht worden und steckten immer noch in großer Höhe fest. Wie so häufig, wenn es um den höchsten Berg der Erde geht, wurde teilweise ungenau berichtet.
So war auch von Toten die Rede. Tatsächlich kamen zwei Bergtouristen bei dem Schlechtwetter-Ereignis ums Leben, aber nicht auf der tibetischen Everest-Seite: Ein Trekkingtourist starb in einem Gebirge der Provinz Qinghai, mehr als 1600 Kilometer nordöstlich des Everest, ein koreanischer Bergsteiger am Meru Peak, einem über 6000 Meter hohen sogenannten Trekkingberg in Nepal, unweit des Everest. Hier einige weitere Klarstellungen.
Nicht auf, sondern nahe dem Mount Everest
Die Bergtouristen, die auf der tibetischen Seite des Everest im Schnee festsaßen, waren im Kama-Tal unterwegs. Es liegt östlich des höchsten Bergs der Erde. 1921 waren es britische Bergsteiger, die erstmals durch das Tal wanderten und von dessen Schönheit begeistert waren: grüne Flächen, Bergseen und ein toller Blick auf gleich drei Achttausender: auf den Makalu, den Lhotse - und auf die weitgehend eis- und schneebedeckte Ostflanke des Mount Everest.
Die Touristen stiegen also nicht über die Flanken des Everest, sondern durch ein Tal mit einem außergewöhnlich schönen Blick auf den Berg - aus der Entfernung von mehreren Kilometern.
Auf dem Everest selbst ist derzeit nur eine kleine Gruppe von Bergsteigern unterwegs. Es handelt sich - dem Vernehmen nach - um eine Expedition um den US-amerikanischen Skibergsteiger Jim Morrison und den Oscar-gekrönten Dokumentarfilmer Jimmy Chin. Morrison plant eine Skiabfahrt vom Gipfel auf 8849 Metern über die tibetische Nordseite des Bergs.
Auf der nepalesischen Südseite war vor zwei Wochen dem Polen Andrzej Bargiel die erste komplette Everest-Skiabfahrt ohne Atemmaske gelungen. Die Ostseite des Everest ist seit vielen Jahren bergsteigerisch verwaist - der Aufstieg dort ist extrem schwierig und lawinengefährdet.
Keine Bergsteiger, sondern Trekkingtouristen
Bei den Menschen, die aus dem Kama-Tal gerettet werden mussten, handelte es sich um chinesische Bergwanderer, nicht Bergsteiger. Sie nutzten die einwöchige Ferienzeit rund um den Nationalfeiertag zur kommunistischen Staatsgründung am 1. Oktober 1949 für eine Trekkingtour zum höchsten Berg der Erde.
Solche Wanderungen - auf der nepalesischen Seite des Everest seit Jahrzehnten üblich - werden seit einigen Jahren auch in China stark nachgefragt. Der höchste Punkt der Tour durch das Kama-Tal ist der Langma La, ein 5230 Meter hoher Pass.
Das Trekking gilt allein schon wegen der Höhe als anspruchsvoll. Offenkundig waren viele der Trekkingtouristen unerfahren und für diesen kurzen Wintereinbruch im Herbst auch nicht angemessen ausgerüstet.
Ausländischen Wanderern ist der Zugang zur tibetischen Seite des Everest zwar nicht grundsätzlich verwehrt, die chinesisch-tibetischen Behörden vergeben allerdings nur restriktiv sogenannte Permits, Besuchserlaubnisse für die Region. Seit der Besetzung durch China 1950 und der Flucht des Dalai Lama, des Oberhaupts der Tibeter, nach Indien gab es immer wieder Unruhen in dem Himalaya-Gebiet.
Nur logistisch anspruchsvolle Rettungsaktion
Hier mussten keine Bergsteiger aus steilen Wänden geholt werden, wie es etwa die Bergwachten in den Alpen oder auch die Hubschrauber-Retter an den höchsten Bergen Nepals regelmäßig praktizieren. Für die chinesisch-tibetischen Rettungskräfte ging es darum, viele verunsicherte, teilweise auch unterkühlte Trekkingtouristen möglichst schnell über die nun verschneiten Wege aus dem Tal heraus zu bringen.
Das war wegen der großen Zahl der Betroffenen weniger ein bergtechnisches als ein logistisches Problem. Eine professionelle Bergrettung ist in Tibet noch nicht etabliert. Deshalb war jede helfende Hand willkommen, auch von den Bewohnern der Region.
Seltene, aber nicht völlig überraschende Wetterlage
Normaler gilt der Oktober im Himalaya als ideale Zeit für Trekkingtouren: Wenig Niederschläge, dafür klare Sicht auf die Berge. Dennoch kann es auch zu dieser Jahreszeit im Gebirge Gewitterzellen mit starkem Schneefall geben. Ein Meter Neuschnee im Oktober wie jetzt im Kama-Tal oder auch in den Tälern der Khumbu-Regionen auf der nepalesischen Seite des Everest ist zwar eher ungewöhnlich, aber kein "Jahrhundert-Ereignis".
Trekking-Veranstalter und ihre Kunden sollten darauf vorbereitet sein, dass starker Schneefall für einen Abbruch der Wanderung sorgen kann oder für eine längere Dauer, weil man das schlechte Wetter "aussitzen" muss. Außerdem sollte ihnen bewusst sein, dass aufgrund des Klimawandels Extremwetter-Ereignisse auch im Himalaya immer häufiger auftreten.