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Wie ein Atemcoach den Sport-Stars hilft

6. Februar 2025

Im Profisport entscheiden Kleinigkeiten über Sieg oder Niederlage. Mental- und Atemcoach Yasin Seiwasser glaubt an die Kraft der Atmung und verbessert damit die Leistungsfähigkeit von Sportlerinnen und Sportlern.

Ringer Frank Stäbler kniet bei Atemtraining Atemcoach Yasin Seiwasser gegenüber auf der Ringermatte, beide haben die Augen geschlossen und falten die Hände
Atemcoach Yasin Seiwasser (l.) "atmet" gemeinsam mit Ringer-Weltmeister Frank Stäbler (r.)Bild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

"Ich glaube, dass die ganze Menschheit unter Falschatmung leidet", sagt Yasin Seiwasser. "Wir Menschen haben als Babys perfekt geatmet, denn ein gesundes Baby atmet immer in die Nase und in den Bauch und nie flach nach oben." Durch die Nase in den Bauch zu atmen sei das Beste, erklärt der 48-Jährige im DW-Interview. Der Mental- und Atem-Trainer glaubt an die Kraft der Atmung und sieht in verschiedenen Atemtechniken den Schlüssel zum Erfolg - auf Leistungssportebene, aber auch im Alltag.

Samurai-Krieger beeinflussen Yasin Seiwasser

Seiwasser entdeckte als Kind die Wichtigkeit der Atmung für sich selbst. Im Alter von acht Jahren begeisterte er sich für Kampfkunst, ging in die örtliche Bücherei und las viel über die alten Samurai und die Zen-Lehre aus Japan.

Kampfkunstsportler Yasin Seiwasser (Foto) bei einer AtemübungBild: Thomas Klein/DW

Er wollte lernen, wie er seinen Körper und vor allem den Geist stärken kann. "Ich habe somit früh angefangen auf mentaler Ebene zu trainieren und dazu gehörten auch viele Atem-Übungen", erinnert sich Seiwasser.

Er arbeitete hart - an seinem Körper, aber auch am Geist - und wurde 2007 Deutscher Meister im Mixed Martial Arts (MMA). Zudem erzielte er den schnellsten K.o.-Schlag in der Geschichte seiner Gewichtsklasse (drei Sekunden). Später war er als Bodyguard für die Königsfamilie von Saudi-Arabien zuständig. Danach kehrte Seiwasser wieder zurück nach Deutschland und krempelte sein Leben um. Fortan widmete er sich der Zen-Lehre. Der Kampfkünstler wurde Mental- und Atemtrainer.

Frank Stäbler: "Ich habe zwei Monate nur geatmet"

Während der Corona-Pandemie wurde im Jahr 2020 der damalige Ringer-Weltmeister Frank Stäbler auf ihn aufmerksam. Stäbler litt an Long Covid und hatte große Atemprobleme. "Damals war ich verzweifelt", erinnert sich Stäbler im DW-Interview. "Ich war als große Gold-Hoffnung für die Olympischen Spiele in Tokio gesetzt, doch durch die Krankheit war ich nicht mehr belastbar und hatte wissenschaftlich nachgewiesen einen Leistungseinbruch von über 20 Prozent."

Durch die richtigen Atemtechniken lernt Ringer Frank Stäbler (l.) neu kennen und wird wieder gesundBild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Seine Ärzte hatten wenig Hoffnung, dass er wieder fit würde. Er sei schwerer Asthmatiker und ohne starke Medikamente habe er gar keine Chance an den Spielen teilzunehmen, hieß es. Doch Stäbler versuchte einen anderen Weg und begab sich in die Hände von Seiwasser, der an ihn und eine vollständige Genesung glaubte.

"Wir haben uns getroffen und sofort mit dem Training begonnen. Somit bin ich erstmal weg von der Matte, also meiner Olympia-Vorbereitung und habe zwei Monate nur Atemtechniken gemacht."

Beeindruckende Blutwerte durch Atemtechniken

Stäblers Ärzte und auch viele Menschen aus seinem Umfeld sowie dem Ringer-Verband sahen das jedoch skeptisch. "Sie haben gesagt: 'Hey, der Fränkie, der spinnt. Der will Olympiasieger werden und jetzt trainiert er nicht mehr, sondern atmet nur noch.'"

Doch Stäbler ließ sich nicht beirren und setzte sein Atemtraining konsequent fort - in Sitzungen mit Seiwasser, aber auch abends auf dem heimischen Sofa. "Der Schlüssel ist Vertrauen in etwas zu haben, was nicht sichtbar ist", erklärt der 35-Jährige. "Wir sprechen sehr oft von der unsichtbaren Kraft." Und durch Seiwasser habe er sehr schnell dieses Vertrauen bekommen.

Die Kritiker verstummten sehr schnell, denn Stäblers Werte verbesserten sich bereits nach wenigen Tagen. "Wir haben den ganzen Prozess wissenschaftlich begleiten lassen, und bereits nach drei Wochen hatte ich unglaubliche Werte", sagt der Ringer. "Meine roten Blutkörperchen haben sich nach einem knappen Monat um 32 Prozent gesteigert. Das habe ich in keinem Höhentrainingslager geschafft."

Die Chemie des Körpers verändert sich

Was für viele eine große Überraschung war, war für Seiwasser nichts Neues. "Man kann Stress reduzieren, man kann Angst reduzieren oder auch transformieren. Man kann sich durch gute Atemtechniken Mut aneignen", sagt Seiwasser über die Kraft der Atmung und erklärt: "Die Chemie des Körpers wird je nach Atmung umstrukturiert."

Und das sei entscheidend für den großen Erfolg oder vielleicht eine Niederlage. Für Stäbler zahlte sich das Training aus. Er wurde wieder vollständig gesund und gewann bei den Olympischen Spielen in Tokio die Bronzemedaille.

Seit 2022 arbeitet Bundesligist Werder Bremen mit Atem- und Mental-Coach Yasin Seiwasser zusammenBild: Carmen Jaspersen/dpa/picture alliance

Die Qualitäten Seiwassers haben sich mittlerweile rumgesprochen und immer mehr Sportlerinnen und Sportler, aber auch Menschen, die Probleme in ihrem Alltag haben, trainieren mit dem Atemcoach. Seit Ende 2021 arbeitet er regelmäßig mit dem Bundesliga-Klub Werder Bremen. Profis wie Nationalspieler  Niclas Füllkrug und dessen damaligen Bremer Teamkollegen lernten wieder "richtig zu atmen" und schafften - auch mit Seiwassers Hilfe - 2022 den Wiederaufstieg in die Bundesliga.

Tina Rupprecht: "Viele wissen nicht, wie wichtig Atmung ist"

Auch Box-Weltmeisterin Tina Rupprecht hat sich mit dem Atemcoach auf ihre Wettkämpfe vorbereitet. Mit der sogenannten "schnellen Bambusmethode", schnellem, kontrolliertem Atmen in den Bauch, lernte Rupprecht ihre Emotionen im Boxring zu beherrschen und ihre Ausdauer zu verbessern. "Ich glaube, dass viele Profisportler gar nicht wissen, wie wichtig die Atmung ist", sagt die Boxerin im Interview mit dem WDR.

"Für mich ist das ein Tool, um mich selbst zu erden und meine Mitte zu finden", erklärt sie. "Das hilft mir nicht nur beim Sport, sondern auch im Alltag." Auch wegen ihrer verbesserten Atemtechniken wurde Rupprecht 2024 die erste dreifache Box-Weltmeisterin im Atomgewicht.

Stäbler baut auch nach seinem Karriereende weiter auf die Zusammenarbeit mit Seiwasser, denn durch das Training hat sich auch sein Alltag verändert. "Jede menschliche Emotion ist mit der Atmung verbunden. Kontrollierst du deine Atmung, kontrollierst du deine Emotionen", weiß Stäbler und ergänzt: "Kannst du deine Emotionen kontrollieren, dann kannst du dein Leben kontrollieren."