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Wie ein Berliner Bildungs-Startup die Welt erobern will

Matilda Jordanova-Duda
14. Juli 2025

Benedict Kurz will mit seiner App einer Milliarde Schüler und Schülerinnen weltweit einen KI-gestützten Lern-Tutor an die Seite stellen. Warum gibt es nicht mehr Gründer wie ihn in Deutschland?

Deutschland 2024 | Die Gründer Yannik Prigl, Gregor Weber, Benedict Kurz und Lucas Hild sitzen nebeneinander auf einer Couch vor einem Eckfenster in einem modernen Gebäude
Die Gründer des Start-ups Knowunity: Yannik Prigl, Gregor Weber, Benedict Kurz und Lucas Hild (v.l.n.r.)Bild: Knowunity

"Wir fanden das Lernen ziemlich unpersönlich und langweilig und verbrachten viel Zeit auf TikTok und Instagram." Benedict Kurz war erst 17, als er 2019 mit drei gleichaltrigen Abiturienten Knowunity gründete. Die Art, sich Wissen anzueignen, wollten sie mit einem Peer-to-Peer-Ansatz ändern: Sehr gute Schüler und Schülerinnen erklären anderen den Stoff. Diese "Knower" bekamen auf der Plattform eigene Influencer-Profile und Follower. Quizze, Karteikarten und Probeklausuren sollen so das Lernen spannender machen. Auf der Basis mehrerer KI-Sprachmodelle entwickelte Knowunity zudem einen "Lernbegleiter", der auf Millionen "Knower"-Inhalte zugreift und individuelle Lehrpläne sowie Übungen erstellt.

"Unsere App richtet sich direkt an die Schüler, nicht an Lehrer oder Schulen", sagt Kurz. Weiterempfehlen gehört zum Geschäftsmodell. In Deutschland lernt nach Firmenangaben bereits jedes dritte Schulkind ab der fünften Klasse mit Knowunity, inzwischen auch viele Studierende. Insgesamt sind es mehr als 20 Millionen Nutzer in 17 Ländern.

20 Millionen Menschen in 17 Ländern nutzen die von Knowunity entwickelte Lern-App Bild: Knowunity

Das Berliner Startup will nun vor allem in die USA und nach Asien expandieren. Knowunity hat dafür über 45 Millionen Euro erhalten. Corona und ChatGPT wälzten in den letzten Jahren den Bildungsbereich um: Auch Investoren entdeckten die Chancen und ermöglichten der Berliner Lernplattform ein rasantes Wachstum.

Potenzial für Millionen Gründungen

Viele junge Menschen sind vom starren "one size fits all"-Prinzip des Bildungssystems frustriert. Doch die wenigsten gründen deshalb ein Unternehmen. Was bringt jemanden dazu, nicht nur ein Problem zu erkennen, sondern aktiv zu seiner Lösung beizutragen? Laut einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn und des Forschungsnetzwerks Entrepreneurship, Innovation und Mittelstand interessieren sich 40 Prozent der 14- bis 25-Jährigen grundsätzlich für eine Unternehmensgründung.

Deutschland: Kein Paradies für Startups (mehr)

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Nur elf Prozent setzen diesen Plan tatsächlich um. In den Niederlanden und in den USA sind es mehr als doppelt so viele. Die Forschenden sehen in dieser Altersgruppe Potenzial für 1,6 Millionen zusätzliche Gründungen. Ausgebremst werden die jungen Menschen durch finanzielle Unsicherheit, fehlende Netzwerke, mangelndes Wissen über das unternehmerische Handeln und den eingeschränkten Zugang zu Kapital.

Ein Experiment mit knapp 300 gründungsinteressierten jungen Erwachsenen zeigte: Eine Startup-Grundsicherung würde die Bereitschaft am stärksten fördern. Sozialleistungen und ein gesicherter Lebensunterhalt im ersten Jahr könnten den Unterschied machen. 24-Jährige ließen sich davon stärker motivieren als 18-Jährige, Frauen mehr als Männer.

In den Niederlanden setzen doppelt so viele junge Menschen ihren Traum vom eigenen Unternehmen um, wie in DeutschlandBild: H.-P. Oetelshofen/blickwinkel/picture alliance

Für Männer ist hingegen der Zugang zu Wagniskapital entscheidender. Migranten, denen Netzwerke besonders fehlen, wünschen sich vor allem Mentoring und Vernetzung. Förderprogramme und Weiterbildungen speziell für junge Gründungswillige folgen mit Abstand. Die Forscher fordern, junge Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen aktiv in die Entwicklung von Unterstützungsmaßnahmen einzubinden.

Aus dem Nichts etwas Großes aufbauen

Für Benedict Kurz stand früh fest: Er wird Unternehmer. Schon mit 13 handelte er online mit chinesischen E-Bikes, verschlang Podcasts über Unternehmertum und die Geschichten über Persönlichkeiten wie Mark Zuckerberg, die aus dem Nichts ein Riesending aufgebaut hatten. Vorbilder fand er auch zuhause: Seine Eltern und vorher der Großvater führen ein kleines Familienunternehmen.

Das Herz der deutschen Wirtschaft

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"In der Schule war Unternehmertum nie ein Thema", sagt Kurz: "Meine Mitschüler fanden meinen Berufswunsch eher witzig". Nur sein bester Freund teilte die Begeisterung: Heute hat auch er eine eigene Firma. Seine Mitstreiter für Knowunity fand der Abiturient bei einem Event für Gründungsinteressierte. Alle vier arbeiten in verschiedenen Funktionen im Startup.

Die meisten Startups entstehen im Gegensatz zu Knowunity im akademischen Umfeld. Laut dem aktuellen Students Entrepreneurship Monitor des Deutschen Startup-Verbands kann sich jeder fünfte Studierende vorstellen, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Weiche Faktoren spielen die größte Rolle: Sie wollen Neues lernen, die Relevanz ihrer Arbeit sehen und würden dafür lange Arbeitszeiten in Kauf nehmen. Doch auch hier bleibt viel Potenzial, um die 18.000 Gründungen bleiben jährlich einfach liegen.

Raus aus der Bubble: Der Gründer-Geist sollte von Start-up-Metropolen wie Berlin in die Fläche getragen werden, so Kurz Bild: imago images/Panthermedia

Die Mehrheit der Gründungswilligen und selbst derjenigen, die eine klassische Angestelltenkarriere anstreben, hätten gern mehr über Unternehmertum in Schule und Studium gelernt. Auch in der Knowunity-App sind solche Inhalte rar. "Wir orientieren uns an den Lehrplänen", gibt Kurz zu und regt an, das Thema im Bildungssystem positiv darzustellen. Es müsse nicht immer Zuckerberg sein, auch regional gebe es tolle Unternehmer. "Man sollte mehr von ihnen mit Gastvorträgen in die Schulen holen."

Das Thema in die Fläche tragen

Der 23-jährige Firmenchef sitzt im Vorstand des Startup-Verbands. Er plädiert ebenfalls für soziale Absicherung in der Anfangszeit. "Nicht jeder hat das Glück, Unterstützung von der Familie zu bekommen. Viele stehen unter Druck, sofort Geld verdienen zu müssen". Außerdem sieht er die Hochschulen in der Pflicht, den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Wirtschaft zu erleichtern und in Ausgründungen zu investieren. Zu guter Letzt brauche es regionale Hubs, um die Startup-Kultur in die Fläche zu tragen. "Außerhalb der Bubbles in Berlin oder München ist es nicht wirklich ein Thema."

Kaum Freizeit seit fünf Jahren, eine aufgegebene Sportlerkarriere und viel Verantwortung für Mitarbeitende und Investorengelder: Auch das gehört zum Unternehmeralltag. Andererseits sei es "super cool", etwas Neues zu schaffen, selbst zu entscheiden und mit spannenden Menschen zusammenzuarbeiten. Für Benedict Kurz ist es auch immer wieder ein kleines Highlight, in der Bahn jemanden zu sehen, der gerade seine App nutzt.

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