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GesellschaftEuropa

Schluss mit französischen Frauenklischees

Sonia Phalnikar
10. August 2020

Frauen in Paris sind weiß, elegant und verführerisch: Das Buch "The New Parisienne" kann die Klischees nicht mehr hören und stellt Pariser Power-Frauen vor.

Filmstill aus "WONDERWALL": JANE BIRKIN und IAIN QUARRIER schauen sich tief in die Augen (Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library)
Sie ist zwar Britin, wird in Frankreich aber zum gefeierten Star: Jane BirkinBild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Woran denken Sie beim Wort "Parisienne"? Die meisten von uns assoziieren mit einer Pariserin sicher sofort eine elegante, modisch herausgeputzte Bewohnerinnen der französischen Hauptstadt, die auf einer Café-Terrasse an einem Espresso nippt oder mit feuerroten Lippen und extralangem Pony auf halsbrecherischen Absätzen an der Seine entlang stolziert.

Dieses Klischee wurde jahrzehntelang erfolgreich verbreitet: Werbekampagnen, Filme, Lifestyle-Magazine und soziale Medien reproduzieren das Bild der schlanken, ungezwungen chic gekleideten "Parisienne" immer und immer wieder.

Sei eine Parisienne!

Stilikonen wie Jane Birkin (Titelbild), Inès de la Fressange oder Caroline de Maigret verkörpern dieses Stereotyp perfekt und helfen dabei, sowohl Luxusmode und Schönheitsprodukte als auch das Image der Stadt Paris zu verkaufen.

Im Laufe der Jahre haben die Klischees um die "Parisienne", ein Begriff, der im Übrigen auch oft generell französische Frauen beschreibt, selbst wenn diese nicht in Paris leben, eine Flut von Artikeln und Büchern in englischer Sprache hervorgebracht. Diese tragen Titel wie "French women don't get fat" (Französinnen werden nicht dick), "Aging gracefully, the French way" (In Würde altern - auf die französische Art) und "How to be Parisian wherever you are"(Immer und überall Pariserin sein).

Klischees, die Frauen schaden

Aber es regt sich Widerstand gegen dieses unerreichbare, idealisierte Frauenbild. Lindsey Tramuta, eine amerikanische Schriftstellerin und Journalistin, zog vor 15 Jahren nach Paris. Ihre Liebe zur französischen Sprache und Literatur führten sie nach Frankreich.

"Es ist frustrierend, zu sehen, wie die immer gleichen, abgenutzten Klischees der bourgeoisen, dünnen, weißen Frauen immer wieder aus der Schublade geholt werden. Sie lassen nur einen sehr engen, oberflächlichen Blick auf Paris und die Französinnen im Allgemeinen zu", sagt Tramuta. Sie ist 35 Jahre alt und sitzt an einem Sommermorgen in einem ihrer Pariser Lieblingscafés, als sie mit der DW spricht.

Will weg von dem genormten Bild der Pariser Frau: Autorin Lindsey TramutaBild: Joann Pai

Sie sagt, diese Schönheitsideale hätten sie so unter Druck gesetzt, dass sie sich selbst unzulänglich gefühlt habe, als sie mit Anfang 20 nach Paris zog.

"Die Art und Weise, wie die Stereotypen genutzt und vermarktet werden, schaden den Frauen. Sie produzieren Unsicherheiten und schließen eine große Anzahl von vorneherein aus. Sie passen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer Körperform niemals in dieses Korsett", sagt Tramuta.

Im Fokus: Frauen, die Paris verändern

Tramuta wollte das alte Klischee über die "Parisienne" aktualisieren und hat ein Buch geschrieben, eine Art Realitätscheck. Der Titel: "The New Parisienne - the Women and Ideas Shaping Paris".

Es wurde im Juli veröffentlicht und enthält Porträts und Fotos von Frauen, die in der französischen Hauptstadt leben und arbeiten. Die Frauen kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Aktivismus, Technik, Medien, Kunst, Gastronomie, Wirtschaft, Design, Politik.

Nicht alle von ihnen sind in Paris oder gar in Frankreich geboren, aber sie sind alle Bewohnerinnen von Paris und seinen Vororten. Was diese "Parisiennes" eint, so Tramuta, ist, dass sie alle klare Visionen haben im Leben. Sie wollen ihr Umfeld gestalten und ihre Erfahrungen aus bereits ausgefochtenen Kämpfen nutzen, um Paris zu verändern.

Keine Klischee-Parisienne: Schriftstellerin Leila Slimani lebt in ParisBild: Imago-Images/C. Villegas

"Mein Ziel ist es, eine Vielfalt an Gesichtern und Stimmen zu zeigen, die widerspiegelt, wer tatsächlich hier lebt", sagt Tramuta. "Es ist an der Zeit, die vielen anderen zu Wort kommen zu lassen, die hier sind und kaum gehört werden. Und die versuchen, diese Stadt zu einem besseren Ort für diejenigen zu machen, die hier leben, und für die, die als Tourist hier herkommen".

Zu den Frauen in dem Buch gehören Prominente wie die kürzlich wiedergewählte spanisch-französische Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, und die französisch-marokkanische Schriftstellerin Leila Slimani, aber auch weniger bekannte Aktivistinnen, die sich für die Rechte von Behinderten und Transgender einsetzen. Eine Rabbinerin, eine in Rumänien geborene Kaffeerösterin, eine feministische Podcasterin, mehrere erfolgreiche Unternehmerinnen, eine Luftfahrtingenieurin und auch eine Boxerin, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Sport einsetzt, sind unter den Porträtierten.

Wer darf sich als Pariserin fühlen?

Das Buch "The New Parisienne" gibt auch eine kleine Einführung in die französische Kultur: von der Trennung von Staat und Kirche in Frankreich über die französische Zuwanderungsgeschichte bis hin zur Entwicklung einer nationalen Identität.

Mehrere Person-of-Colour-Frauen werden in dem Buch vorgestellt. Auch Rokhaya Diallo, eine prominente in Paris geborene Antirassismus-Aktivistin, wird porträtiert. Sie ist eine der wenigen schwarzen Journalistinnen und Moderatorinnen im französischen Fernsehen. Diallo sagt, dass die jüngsten Antirassismus-Proteste und die globale Black Lives Matter-Bewegung das Bewusstsein geschärft hätten für Fragen der Repräsentation von Frauen und Minderheiten in der französischen Gesellschaft.

Journalistin Rokhaya Diallo hinterfragt französische RollenbilderBild: DW/S. Phalnikar

"Ich habe sehr lange damit gehadert, mich als Französin und als Pariserin zu fühlen", sagt Diallo gegenüber der DW. "Ich glaube, dass die Stereotype, die in den Medien und der Werbung verbreitet werden, keinen Platz für Frauen lassen, die wie ich aussehen. Schwarze Frauen, aber auch Frauen, die behindert, LGBTQ, nicht so schlank oder älter sind, existieren dort einfach nicht".

Diskriminierung und Polizeigewalt sind Diallos Themen, zu denen sie sich auch immer wieder in der Öffentlichkeit äußert. Nun, so sagt sie, sei Frankreich gezwungen, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die zu lange unter den Teppich gekehrt worden seien.

"Die Debatten über weiße Privilegien und strukturellen Rassismus sind mittlerweile im Mainstream angekommen. Es wird darüber heftig diskutiert und sogar dagegen gekämpft. Zumindest sind wir jetzt darüber im Gespräch", sagt sie.

Das Narrativ muss sich ändern

Autorin Lindsey Tramuta hofft, dass ihr Buch den Blick auf die Frauen von Paris ändern wird. Diese hätten viel zu lange in der französischen Geschichte im Hintergrund gestanden.

"Wenn man als Tourist einen normalen Stadtrundgang in Paris macht, wird betont, welche tapferen, großen, männlichen Persönlichkeiten die Stadt hervorgebracht hat. Ein paar rebellische Frauen tauchen allenfalls im Nebensatz auf. Auf das, was Frauen geleistet haben, wird nur am Rande eingegangen", sagt Tramuta. Dafür will sie sich auch in Zukunft engagieren:

"Auch wenn wir diese Geschichten in der Vergangenheit nur bruchstückhaft erzählt haben - lasst es uns diesmal richtig machen."

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