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Ein Kölner Museum und das koloniale Erbe

1. Oktober 2019

Werke aus Afrika befinden sich in vielen deutschen Museen. Das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum kooperiert mit den Nationalmuseen von Kenia, um die Frage zu klären: Wie können restituierte Objekte präsentiert werden?

Statue des Königs Ghezo
Bild: Imago/United Archives International

"In Deutschlands Museumslandschaft findet derzeit eine Revolution statt", sagt Nanette Snoep. Die Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln sitzt in ihrem Büro in der Kölner Innenstadt. Erst vor einer Woche leitete sie einen Workshop für das "International Inventories Program". Das "IIP" wurde vom National Museum Nairobi und dem Goethe Institut Kenia ins Leben gerufen. Ziel ist die Erstellung eines Inventars kenianischer Kulturgüter in Museen und Institutionen weltweit. Mit der Rede von Emmanuel Macron in Ouagadogou am 28. November 2017 habe eine neue Zeitrechnung begonnen, die "Post-Ouagadogou-Ära", sagt Snoep hoffnungsvoll.

"Post-Ouagadogou-Ära"

In der Hauptstadt von Burkina Faso versprach Frankreichs Premier vor zwei Jahren, geraubte Objekte aus der Kolonialzeit an die Herkunftsländer zurückzugeben. "Ein Donnerschlag", so Snoep, die seit Januar 2019 in Köln arbeitet und zuvor die Staatlichen Ethnologischen Sammlungen Sachsen leitete. Macron beauftragte zwei Wissenschaftler, die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr, einen Bericht über die Restitution des afrikanischen Kulturerbes anzufertigen.

Museumsdirektorin Nanette Snoep arbeitet mit Kenia am "IIP"Bild: DW/S. Oelze

Und nachdem erstmals ein Staatsmann öffentlich das Tabu-Wort "Restitution" in den Mund genommen hatte, kam auch in Deutschland Schwung in die Diskussion um die Rückgabe von Raubkunst aus der Kolonialzeit.

Debatte auch in Deutschland

"Museen überlegen nun aktiv, wie sie systematisch Provenienzforschung betreiben können. Auch in der Öffentlichkeit ist das Thema angekommen", sagt die Niederländerin Nanette Snoep im DW-Interview. Das große Problem sei die Transparenz. "Viele Länder in Afrika wissen nicht, was sich in europäischen Museen befindet." Deutschland sieht sich nun unter Druck, da Nachbarländer wie Großbritannien, die Niederlande oder Frankreich schon vor Jahren angefangen haben, ihre Sammlungsbestände zu digitalisieren. Und darüber hinaus auch online zu stellen.

Nanette Snoep verfügt auf diesem Gebiet über eine besondere Expertise. Sie hat 16 Jahre im Musée du Quai Branly in Paris gearbeitet. "Der damalige französische Präsident Jacques Chirac hat dafür gesorgt, dass alle 350.000 Objekte in einer Datenbank am Eröffnungstag, dem 21. Juni 2006, einzusehen waren."

Ohne Transparenz keine Restitutionen

Das IIP ist ein Versuch, auf Augenhöhe zu agieren. Es geht nicht nur um Restitution, sondern auch um Kooperationen und eine bessere Erforschung der Objekte. Denn die bekannten Daten seien längst "nicht immer ausreichend". Bisweilen verstünden "Kooperationspartner gar nicht, wie wir mit den Objekten umgehen", sagt Snoep. Manch ein Gegenstand, der in Köln in einer Glasvitrine liegt, ist in Nairobi auf einem Markt käuflich zu erwerben.

Das neue Rautenstrauch-Joest-Museum wurde 2010 in der Kölner Innenstadt eröffnetBild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

Es geht auch darum, Wissen und Vertrauen zu gewinnen. "Es gibt Misstrauen gegenüber den ehemaligen Kolonialherren", hervorgerufen durch Jahrhunderte ungleicher Machtverhältnisse, so Snoep. Zeit spiele eine große Rolle, es gehe jetzt um "ein erstes Kennenlernen" - denn die geopolitischen Machtverhältnisse würden sich ändern. "Eine Kooperation auf Augenhöhe, wie wir sie mit dem IIP ausprobieren, ist die Zukunft", ist sich Snoep sicher.

Zustand in Deutschlands Museumsdepot oft mangelhaft

Das Argument gegen eine Restitution war lange, dass den Afrikanern am besten geholfen sei, wenn ihre Artefakte in der sicheren Obhut deutscher Museen gelagert würden. Sachgemäßes Aufbewahren: Dieses Vermögen sprach man den Herkunftsländern ab. Dabei befinden sich auch die Bestände deutscher Museen nicht immer in gutem Zustand: Schimmel und Holzwürmer zerstören sie, oder sie stehen bei schlechtem Wetter in knöcheltiefem Wasser, sind angefressen oder sogar vergiftet. "Ich kenne viele Depots europaweit, auf die man nicht immer stolz sein kann. Wir sollten da mit etwas mehr Bescheidenheit auftreten", sagt Snoep. Das Depot des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln hingegen befindet sich, bedingt durch den Umzug in einen Neubau im Jahr 2010, im Bestzustand.

Die Objekte lagern im Depot in speziellen Schaumstoff-"Betten" Bild: DW/S. Oelze

Rautenstrauch-Joest-Museum verfügt über ideale Aufbewahrung

Ein Gewinn für die Sammlung und auch für die Objekte, die dort lagern. Bis zum Umzug gab es keine vollständige Inventarisierung. "Alles davor war ungefähr", sagt die Restauratorin Christine Hopp. Am alten Standort, einem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, gab es alles an Schäden, was vorstellbar ist: "von Kriegszerstörungen bis hin zu Hochwasser". Der Standort befand sich in Rheinnähe. der Grundwasserpegel war hoch. "Wir hatten mal einen kleinen Schädel aus Zucker, der nach 20 Jahren im Depot nicht mehr wiederzuerkennen war", erzählt Hopp.

Anders heute: Jedes Objekt liegt einzeln und gesondert in einer passenden Form aus Spezialschaumstoff. Die Regalböden der deckenhohen Schränke können so herausgezogen werden, dass es zu keiner weiteren Berührung mit einem Objekt kommt. Auch für Kenia gibt es eine eigene Abteilung. Der Inhalt wird nun im Rahmen des IIP erforscht. Ende November findet ein zweites Treffen in Nairobi statt. Es beteiligen sich auch noch zwei Künstlerkollektive daran: The Nest aus Kenia und SHIFT aus Deutschland und Frankreich. 2020 und 2021 sollen die wissenschaftlichen und künstlerischen Ergebnisse dieses Dialogs im Rahmen der Ausstellung "Invisible Inventories" in Nairobi, Frankfurt und Köln - und dort natürlich im Rautenstrauch-Joest-Museum - präsentiert werden. "Noch sind wir ganz am Anfang", sagt Direktorin Snoep, "aber das IIP hat ein großes Potential".

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