Teotihuacán, Taj Mahal, Weißenhofsiedlung: Sie alle sind Welterbestätten. Einmal im Jahr entscheidet die UNESCO-Kommission darüber, welche Orte neu in die Liste aufgenommen werden. Am Welterbetag sagen wir, wie das geht.
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Zehn UNESCO-Welterbestätten
Jedes Jahr nimmt die UNESCO neue Stätten in die Liste des Erbes der Menschheit auf. Anlässlich des Welterbetages am 2. Juni zeigen wir zehn Orte, die als letzte neu aufgenommen wurden.
Bild: Clive Finlayson, Gibraltar Museum
Le Corbusier in Stuttgart
Unter Architekturfans sind sie längst kein Geheimtipp mehr: die beiden Le Corbusier-Wohnhäuser der Weissenhofsiedlung in Stuttgart. Während das eine bewohnt ist, wurde 2002 im Doppelhaus von Le Corbusier ein Museum eingerichtet. Es zeigt originalgetreu, wie der Architekt der Moderne sich das Wohnen 1927 vorgestellt hat.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kraufmann
Irans Stätten in der Wüste
Das persische Qanat-Bewässerungssystem ist das einzige Technikdenkmal unter den neuen Welterbestätten. Mit den Brunnen und Kanälen wird traditionell die Bewässerung in den Trockengebieten des Iran sichergestellt. Als zweite iranische Stätte hat es die Wüste von Lut auf die Liste des Menschheitserbes geschafft. Sie gilt als heißester Platz der Erde und ist das erste Weltnaturerbe für den Iran.
Bild: S.H. Rashedi
Frühgeschichte: Gibraltars Gorhams-Höhlen
Zeugnis der Evolution des Menschen sind die vier Höhlen im östlichen Teil des Felsens von Gibraltar. Schützenswert: die abstrakten Felsgravuren an den Höhlenwänden, die Wissenschaftler in die Zeit des Neandertalers datieren. Ebenfalls aus der Frühzeit der Menschheit und Welterbe sind die Dolmen von Antequera in Südspanien. Die Megalith-Gräber zählen zu den bedeutendsten ihrer Art in Europa.
Bild: Clive Finlayson, Gibraltar Museum
Indiens Zentrum des Buddhismus
In der Ruinenstadt Nalanda Mahavihara im Nordosten Indiens befand sich einst die älteste buddhistische Universität des Landes. In den Tempeln und Schulgebäuden wurde vom 3. bis zum 8. Jahrhundert gebetet und gelehrt. Ebenfalls neu auf der Liste des Welterbes ist der Khangchendzonga Nationalpark mit Gletschern und Urwäldern im Herzen des Himalaya-Gebirge.
Bild: Rajneesh Raj
Felsmalereien und Urwälder in China
Auch in China gibt es zwei neue Welterbestätten. Die Felsmalereien am Berg Hua Shan illustrieren das Leben und die Rituale des Luoyue-Volk. Es lebte ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. im Gebiet des Flusses Zuo Jiang. Geschütztes Weltnaturerbe in der chinesischen Provinz Hubei ist das Waldgebiet Shennongjia - mit den größten Urwäldern Zentralchinas. Seltene Affenarten wie die Goldstumpfnase leben hier.
Bild: Zhu Qiuping
Zeremonielles Zentrum auf Mikronesien
Es ist das erste Welterbe Mikronesiens. Auf 99 künstlichen Inseln vor der Pazifikinsel Pohnpei stehen die Ruinen von Palästen, Tempeln, Grab- und Wohnstätten. Vor 500 Jahren verlor das einst hochentwickelte Zentrum der Inselgesellschaften seine Bedeutung. Heute ist Nan Madol ein zweites Mal vom Untergang bedroht: Der durch den Klimawandel ansteigende Wasserspiegel droht das Erbe zu vernichten.
Bild: Takuya Nagaoka
Brasilianische Architektur der Moderne
Das Ensemble der Moderne im Stadtteil Pampulha umfasst ein Kasino, einen Ballsaal (Bild), einen Golf- und Yacht-Club und die Kirche São Francisco de Assis. Das Freizeitzentrum um einen künstlich angelegten See wurde ab 1940 errichtet. Die Planungen stammen von keinem Geringeren als dem brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer.
Bild: Marcilio Gazzinelli
Kolonialarchitektur in der Karibik
Bisher hatte der Inselstaat Antigua und Barbuda kein Welterbe. Das hat sich jetzt geändert. Das Bild der Karibikinseln ist geprägt durch die Kolonialarchitektur aus dem 18. Jahrhundert. Dazu gehört unter anderem der Naturhafen "Nelson's Dockyard", den die britische Marine als Schiffsreparaturwerft in einer geschützten Bucht errichten ließ.
Bild: Nicola & Reg Murphy
Mexikos Unterwasserschätze
Der Archipel von Revillagigedo im Ostpazifik ist das bereits sechste Weltnaturerbe für Mexiko. Weitab vom Festland gelegen ist er ein von Menschen nahezu unberührter Naturraum. Er ermöglicht den Schutz bedrohter Arten wie Riesenmanta, Wal, Delfin, Hai und Meeresschildkröte. Welterbe unter Wasser sind außerdem die Nationalparks Dungonab und Sanganeb im Sudan geworden.
Bild: Erick Higuera
Spektakuläre Felsklippen und Steilküste in Kanada
Früher zerschellten am "Mistaken Point" die Schiffe, heute ist er ein einzigartiges Schutzgebiet im äußersten Südosten Neufundlands. Die 500 Millionen Jahre alten Fossilienfunde zählen zu den ältesten der Welt. Etwas jünger sind die prähistorischen Felsbilder des Ennedi Massiv im Tschad. Der riesige Sandsteinkomplex inmitten der Sahara ist auch neu auf der Welterbeliste.
Mehr als 1.000 Kultur- und Naturdenkmäler umfasst die UNESCO Welterbe-Liste. Es ist der wichtigste Titel, den Denkmäler und Naturregionen erhalten können, oft verbunden mit steigenden Touristenzahlen und öffentlichen Fördergeldern. Ausgezeichnet werden unter anderem Kirchen, Nationalparks, Felsmalereien, Grabstätten, Schlösser, ganze Altstädte, Schiffshebewerke, archäologische Ausgrabungsstätten, Wattenmeere und Weinbaugebiete. Wir erklären Ihnen die Abläufe hinter dieser vielfältigen Liste.
1. Wer entscheidet?
21 Komitee-Mitglieder, das UNESCO-Welterbegremium. Die Mitglieder stammen aus 21 Ländern und sollen alle Kontinente und Kulturkreise repräsentieren. Sie sind auf jeweils vier Jahre gewählt - schließlich soll zwischen den 193 Vertragsstaaten rotiert werden.
2. Wo trifft man sich?
Auch der Tagungsort rotiert. 2016 trafen sich die Mitglieder in Istanbul, dieses Jahr im polnischen Krakau. Das internationale Komitee kommt dabei jeweils nicht nur für ein, zwei knappe Sitzungstage zusammen - es berät sich elf Tage lang (02. bis 12. Juli). Neben den Neuaufnahmen zur weltberühmten Schutzliste werden die Erhaltungszustände der bisherigen Stätten debattiert. Dabei geht es auch um Geld: Geprüft wird, welche - insbesondere finanzschwächeren - Staaten mit internationalen Finzanzierungsprojekten unterstützt werden sollen.
3. Was sind die Kriterien?
Aufgenommen wird nur, was eine herausragende, universelle Bedeutung hat. Wichtig ist also, dass ein Ort - egal ob Kultur oder Natur - übergreifende Kriterien der Einzigartigkeit, der historischen Echtheit und der Unversehrtheit erfüllt. Zusätzlich gibt es einen knappen Kriterienkatalog von insgesamt zehn Punkten. Zum Beispiel sollen die Orte ein "Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft" oder "einzigartiges Zeugnis von einer kulturellen Tradition" sein.
4. Wie viele Stätten gibt es in Deutschland?
41. Als erster schaffte es der Dom zu Aachen auf die begehrte Liste. 1978 war das Gebäude sogar eines der ersten UNESCO-Welterben überhaupt. Heute gehören außerdem der Dom zu Speyer und selbstverständlich auch der Kölner Dom dazu sowie einige Klosteranlagen wie in Lorsch, Corvey, Reichenau und Maulbronn. Unter den Architekturdenkmälern finden sich Bauhausstättenin Weimar und Dessau, Siedlungen der Berliner Moderne und die Speicherstadt in Hamburg. Geschützt werden außerdem ganze Altstadt-Kerne: Bamberg, Bremen, Goslar, Lübeck, Quedlinburg, Regensburg, Stralsund und Wismar. Auf der Liste stehen Industriekulturstätten wie Zeche Zollverein in Essen, Schlösser und Burgen, unter anderem in Eisenach, Berlin oder Potsdam, Kulturhäuser wie das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth oder archäologische Ausgrabungsstätten in Trier. Deutschland hat außerdem auch sechs Naturdenkmäler vorzuweisen: das Wattenmeer, alte Buchenwälder in mehreren Bundesländern, den Bergpark Wilhelmshöhein Kassel, das Gartenreich Dessau Wörlitz, den Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau und das obere Mittelrheintal.
Kölner Dom
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5. Welche Orte stehen auf der Roten Liste?
Hier werden all diejenigen Welterbestätten aufgelistet, die aus Sicht der UNESCO stark gefährdet sind - sei es durch Zerstörung, Beschädigung oder Verschwinden. Derzeit befinden sich 55 Orte auf der Roten Liste, bedroht durch Kriege, Vandalismus, Terrorismus, Naturkatastrophen oder Urbanisierung. Besonders in der Öffentlichkeit standen zuletzt die Kulturgüter in Syrien und die Zerstörung der einstigen Oasenstadt Palmyra.
6. Kann ein Ort auch wieder gestrichen werden?
Ja, auch wenn das erst zweimal vorgekommen ist. Denn kein Vertragsstaat möchte den Titel freiwillig verlieren. Kommt es also zu Konflikten oder Mahnungen seitens der UNESCO, so findet sich meist eine gemeinsame Lösung. Jedoch nicht immer: Deutschland wurde 2009 der Titel für das Elbtal in Dresden entzogen. Hier wurde trotz Mahnungen der UNESCO die vierspurige Waldschlösschenbrücke gebaut. Das zerstöre den einzigartigen Blick auf das Elbtal, hieß es. Den Titelentzug verzeichnet noch ein weiteres Land: 2007 wurde dem Oman der Titel entzogen, nachdem ein Wüstenschutzgebiet einer seltenen Antilope drastisch verkleinert worden war.