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Ist es der Türkei ernst mit Menschenrechten?

Daniel Heinrich
21. November 2016

Ausnahmezustand, Unterdrückung der Opposition, Vorwürfe von Folter in Gefängnissen. Der Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsausschusses, Mustafa Yeneroglu, ist in Berlin zu Gast und hat viel zu erklären.

Festnahmen nach dem Putschversuch in der Türkei (Foto: picture-alliance/AP Photo)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Emma Sinclair-Webb ist schockiert. Die Menschenrechtsaktivistin leitet das Büro von Human Rights Watch in Istanbul und ist sicher: Der Ausnahmezustand, der nach dem gescheiterten Putsch Mitte Juli verhängt wurde, hat zu Folter in türkischen Gefängnissen geführt.

Bis zum heutigen Tag dauert dieser Ausnahmezustand an, immer wieder kommt es zu Festnahmen. Nicht nur die Anhänger von Fetullah Gülen, der für die Regierung als Hauptverursacher des Putschversuches gilt und im Exil in den USA lebt, sind betroffen. Auch die oppositionelle Presse und vor allem kurdische Politiker und Aktivisten sind zur Zielscheibe der Regierung geworden. Insgesamt wurden seit dem Sommer mehr als 82.000 Menschen vom Amt suspendiert oder auch inhaftiert, darunter Soldaten und Polizisten ebenso wie Journalisten, Richter, Staatsanwälte und Lehrer.

Der AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu macht sich keine Sorgen um das Wohlergehen der Gefangenen. In der Türkei gelte nach wie vor "Rechtsstaatlichkeit". Aus diesem Grund "könnten sich die Gefangenen auch gegen ungerechtfertigte Maßnahmen vor Gericht wehren wie in jedem anderen europäischen Land auch".

Von Milli Görüs zur AKP

Mustafa Yeneroglu verteidigt das Vorgehen der RegierungBild: picture-alliance/ZB/K. Schindler

Yeneroglu ist nicht irgendwer. Der Jurist ist in Deutschland aufgewachsen, hat in Köln studiert. Er war jahrelang bei der "Islamischen Gemeinde Milli Görüs" (IGMG) aktiv, unter anderem als Generalsekretär. Die IGMG wird in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet. Inzwischen ist Yeneroglu Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des türkischen Parlaments.

Der Ausschuss ist seit 1990 für die Kontrolle der Menschenrechte in der Türkei zuständig. Da die 23 Sitze des Ausschusses proportional zur Sitzverteilung im Parlament vergeben werden, hat hier seit 2002 die regierende AKP das Sagen.

Erdogans Machtwille

Kritik an der Situation in der Türkei kommt derzeit bei Weitem nicht nur von Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch. Auch die deutsche Bundesregierung hält nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem jüngsten Besuch in der Türkei deutlich das Vorgehen der Behörden gegen Oppositionelle kritisiert.  

Kristian Brakel leitet die Heinrich Böll Stiftung in Istanbul. Er setzt nicht viel Hoffnung auf offizielle Ermahnungen. Zwar hätten es deutsche Politiker in der Vergangenheit "zum Teil an Empathie für die türkische Situation fehlen lassen", so der Türkei-Experte im Interview mit der Deutschen Welle. "Allerdings geht die aktuelle Situation vor allem auf den Machtwillen von Präsident Recep Tayyip Erdogan zurück, der seinem Ziel, eine Präsidialrepublik zu errichten, alles andere - auch die diplomatischen Beziehungen - unterordnet." Brakel gibt sich ernüchtert: Die deutschen Appelle würden ungehört verhallen.

Untersuchung der Foltervorwürfe angekündigt

Türkische Gefängnisse: Menschenrechtler berichten von unmenschlichen ZuständenBild: Adem Altan/AFP/Getty Images

Auch Mustafa Yeneroglu stellt die Glaubwürdigkeit der Kritik von deutscher Seite in Frage: "Es ist leider inzwischen so, dass solche Äußerungen gehäuft fallen und man sich da nicht ernsthaft darüber Gedanken macht, ob diese noch sachlich und rational die Situation in der Türkei richtig darstellen."

Immerhin hat Yeneroglu inzwischen eine Untersuchung der Foltervorwürfe in türkischen Gefängnissen angekündigt. Seinen Tweet kommentiert Emma Sinclair-Webb von Human Rights Watch vorsichtig optimistisch.

Falls es dem Juristen Yeneroglu wirklich ernst damit ist, den Foltervorwürfen auf den Grund zu gehen, könnten einige Verantwortliche in Ankara ins Schwitzen geraten. Die türkische Verfassung garantiert seinem Gremium unter anderem unabhängige Befragungen und - im Falle eines Vergehens - das Recht, direkt beim Generalstaatsanwalt Strafanzeige zu erstatten.

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