Wie Europa der Ukraine hilft
23. Februar 2025
Seit dem Angriff auf die Ukraine durch Russland vor drei Jahren beschäftigt sich Europa mit der Frage, wie es die Ukraine unterstützen kann. Von anfänglichem Spott über 5.000 Helme die Deutschland der Ukraine lieferte, über die Sorge Kriegspartei zu werden, dem Versprechen der EU, eine Million Artilleriegeschosse zu liefern bis hin zu dem deutschen Nein beim Taurus, bewegt das Thema die Europäer.
Insgesamt hat das Finanzvolumen der Hilfen aus Europa das der US-Hilfen mittlerweile überholt, berichtet das Kieler Institut für Weltwirtschaft. So hätten die EU-Staaten sowie Island, Norwegen, Schweiz und das Vereinigte Königreich insgesamt 70 Milliarden Euro an finanzieller und humanitärer Hilfe geleistet und 62 Milliarden Euro an militärischer Hilfe. Die USA wiederum hätten knapp 64 Milliarden Euro an militärischer und 50 Milliarden Euro an finanzieller und humanitärer Hilfe bereitgestellt.
Heruntergerechnet auf die Wirtschaftsleistung der Länder würden die USA, Deutschland und Großbritannien weniger als 0,2 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die Ukrainehilfen stecken. Bei anderen Ländern wie Frankreich, Italien, und Spanien liege der Wert bei etwa 0,1 Prozent.
Militärische EU-Hilfe an die Ukraine
Der Großteil der militärischen Hilfe – vor allem die Lieferung von Munition und Waffen – wird durch die EU-Mitgliedsländer gestemmt. Doch auch die Europäische Union hat im Rahmen der sogenannten "Europäischen Friedensfazilität" bislang 6,1 Milliarden Euro für militärische Hilfe mobilisiert. Diese dient unter anderem dazu, dass Mitgliedstaaten Ausgaben für die Lieferungen militärischer Güter erstattet bekommen und ermöglicht die gemeinsame Beschaffung von Munition. Ungarn blockiert derzeit Auszahlungen aus dieser Fazilität an die Ukraine. Bislang hat die EU nach eigenen Angaben im Rahmen der militärischen Unterstützungsmission für die Ukraine (EUMAM) über 70.000 ukrainische Soldaten ausgebildet.
Weitere finanzielle Hilfe an die Ukraine
Die EU hat der Ukraine im Rahmen der sogenannten Ukraine-Fazilität bislang 19,6 Milliarden Euro an Krediten und Zuschüssen gewährt. Weitere 28,2 Milliarden Euro stellte die EU der Ukraine als Makrofinanzhilfen zur Verfügung gestellt. Bei diesen Zahlungen handelte es sich um eine Art Soforthilfe, die es dem Land erlaubt, seine laufenden Kosten zu decken und es bei seinem Weg in die EU unterstützt.
Diese Zahlungen seien lebenserhaltend für die Ukraine gewesen, sagt Olena Prokopenko, Politikanalystin bei der Denkfabrik "German Marshall Fund of the United States" (GMF). Ohne diese Gelder wäre die Ukraine nicht dazu in der Lage gewesen, ihren Verpflichtungen als Staat nachzukommen. Mit den Hilfen wurden die laufenden Kosten des Landes, wie beispielsweise Gehälter oder Sozialleistungen, gezahlt.
Auch die technische Hilfe sei sehr wichtig gewesen, sagt Prokopenko der DW. So hätte die EU vor allem auch dabei geholfen, die durch russische Drohnenangriffe bedrohte Energie-Infrastruktur funktional zu halten.
Darüber hinaus hat die EU bereits die ersten 1,5 Milliarden Euro aus den in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerten für die Ukraine freigegeben, die indirekt für die Verteidigung und den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden sollen. Zudem sollen die Erlöse aus den russischen Vermögenswerten als Sicherheit für einen50 Milliarden Dollar-Kreditder G7-Staaten dienen.
Weitere Unterstützungsleistungen
Die EU hat zahlreiche weitere Unterstützungsleistungen für die Ukraine nicht-monetärer Art erbracht. So wurde bereits im März 2022 ein Status für ukrainische Kriegsflüchtlinge geschaffen, der ihnen vorübergehenden Schutz gewährt. Nach jüngsten Zahlen halten sich fast 4,5 Millionen Ukrainer unter diesem Status in der EU auf.
Auf den Seiten der EU-Kommission lässt sich eine lange Liste der Unterstützungsleistungen finden. Auch aufgelistet sind dort die zahlreichen Sanktionspakete gegen Russland. Gerade hat sich die EU auf das sechzehnte dieser Pakete geeinigt, das zum dritten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar in Kraft treten soll. Die Sanktionen sollen die russische Wirtschaft treffen und Russland die Mittel für den Krieg entziehen. Auch werden russische Entscheidungsträger mit Einreise- und Vermögenssperren belegt.
Olena Prokopenko, die sich beim GMF mit dem Wiederaufbau der Ukraine beschäftigt, hält Sanktionen nicht für ein sonderlich wirksames Mittel. Nach wie vor gebe es Schlupflöcher. Im Gespräch mit der DW betont die Politikanalystin die Bedeutung der europäischen Unterstützungsleistungen für die Zivilgesellschaft und die unabhängigen Medien der Ukraine. Die dortige Zivilgesellschaft sei eine treibende Kraft hinter den Reformprozessen und unterstütze die Verteidigungsanstrengungen des Landes.
EU-Mitgliedschaft als große Hoffnung
Die Ukraine hat wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU gestellt. Knapp zwei Jahre später hat die EU mit der Ukraine erste Beitrittsgespräche gestartet. Wie lange diese Gespräche dauern werden, ist unklar.
Mit der Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft sei viel Hoffnung in der Ukraine verbunden, sagt Prokopenko. "Neben den wirtschaftlichen Vorteilen und der Wiedervereinigung mit einem Europa, das dieselben Werte wie wir vertritt, wäre diese auch eine sehr starke Sicherheitsgarantie," sagt die Politikanalystin.
Daran hätten auch die jüngsten Entwicklungen nichts geändert. US-Präsident Donald Trump hat unmittelbare Gespräche mit Russlands Machthaber Wladimir Putin geführt – ohne die EU oder die Ukraine mit einzubeziehen. Für die EU ist das nicht akzeptabel. Ihre Losung: Es dürfe keine Gespräche über die Ukraine ohne die Ukraine geben. Und keine Gespräche über die Sicherheit Europas ohne Europa. Derzeit ist Europa uneins über die Frage,ob es im Falle einer Waffenstillstandsvereinbarung Friedenstruppen in die Ukraine entsenden sollte; zunächst einmal versuchen die Europäer, selbst wieder eine Rolle bei den Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine zu spielen. Nächste Woche werden der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premier Keir Starmer hierzu in die USA reisen.
Gleichzeitig wird es in der EU immer schwieriger, Geld - auch für die Aufstockung eigener Verteidigungsausgaben - zu finden. In Europa herrscht die große Sorge, dass US-Hilfen für die Ukraine auf lange Sicht komplett wegfallen. Es erscheint fraglich, ob Europa überhaupt dazu in der Lage wäre, einen Ausfall dieser Größenordnung aufzufangen.