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Zum Impfen nach Europa

Sergey Satanovskiy
29. November 2021

Immer mehr Russen wollen sich in Europa gegen das Corona-Virus impfen lassen, der Impf-Tourismus gewinnt an Fahrt. Doch warum ist europäischer Impfstoff so begehrt? Eine DW-Recherche.

EU Covid-Zertifikat | Zagreb | Symbol
Bild: Igor Kralj/picture alliance

Ob der russische Impfstoff Sputnik V künftig im Westen anerkannt wird, ist unsicher. Und dies macht vielen Russen das Leben schwer, denn für die Einreise in viele Länder ist der Nachweis über die Impfung mit einem in der EU zugelassenen Vakzin gegen COVID-19 nötig. Betroffen sind aber nicht nur Touristen. Viele russische Staatsbürger reisen beispielsweise auch beruflich ins Ausland oder besuchen dort Verwandte. Ohne einen Impfnachweis kann man in einigen Ländern nicht einmal in einem Restaurant speisen oder in ein Hotel einchecken.

Dabei sah die Lage vor Monaten noch ganz anders aus: Im April waren einige Europäer nach Russland gereist, um sich dort mit Sputnik V impfen zu lassen. Damals waren die Inzidenzraten in den EU-Ländern hoch und Impfstoffe standen nur Menschen zur Verfügung, die wegen ihres Alters, Gesundheitszustands oder Berufes besonders gefährdet waren. In Russland war Sputnik V hingegen frei und schnell verfügbar. Doch bis September verkehrte sich die Situation ins Gegenteil: Die Nachfrage nach Impfreisen nach Russland ging zurück, und die Russen begannen sich für Impfungen in Europa zu interessieren.

Serbien bei Impf-Touristen am beliebtesten

"Im September wurde Stammkunden einiger Reiseunternehmen klar, dass sich das Zulassungsverfahren für Sputnik V hinzieht. Daher baten sie die Unternehmen, ihnen zu helfen, Zugang zu einem von der WHO zugelassenen Impfstoff zu erhalten", sagt Maja Lomidse, Leiterin des Verbands russischer Reiseveranstalter. So seien die Impfreisen entstanden. Gemeinsam mit ausländischen Partnern hätten die Firmen begonnen, Touren in Länder zu organisieren, wo Impfungen von Ausländern möglich sind.

Derzeit kann sich ein russischer Tourist ohne große Hindernisse nur in drei europäischen Ländern impfen lassen. Am beliebtesten ist Serbien, gefolgt von Kroatien und Griechenland. Serbien liegt aufgrund seiner Erreichbarkeit vorn, denn für die Einreise brauchen Russen kein Visum und der Impfstoff selbst ist dort kostenlos. Nach Kroatien reisen viele Russen, obwohl sie ein Visum benötigen, um sich dort den Impfstoff von Johnson & Johnson spritzen zu lassen, bei dem nur eine Dosis verabreicht wird.

Der Impfstoff von Johnson & Johnson ist bei Impf-Touristen beliebtBild: MiS/imago images

Während Veranstalter im September zehn bis 20 Impfreisen im Monat organisierten, erhielten sie schon Ende Oktober zehn bis 20 Anfragen - pro Tag. Lomidse rechnet mit einem Nachlassen der Nachfrage erst dann, wenn Sputnik V von der WHO oder der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) anerkannt wird.

Impfungen für Russen auch in Deutschland

Iwetta Werdija vom russischen Reiseveranstalter BSI Group zufolge gibt es mehrere Gründe, warum Impfreisen derzeit so beliebt sind: "Wer einen von der WHO oder den EU-Ländern zugelassenen Impfstoff erhält, bekommt damit auch viele Möglichkeiten, in europäische Länder zu reisen. Manche wollen ihre alten Eltern in Europa besuchen können, andere haben dort Kinder oder sind ständig auf Geschäftsreisen. Sie können nicht alle drei Tage Tests machen, um ein Restaurant aufzusuchen."

Die BSI Group bietet Russen auch Impfreisen nach Deutschland an. Allerdings sind das die teuersten Reisen und zudem sehr schwierig zu bekommen. Maja Lomidse sagt, allein die Impfung würde in Deutschland 500 bis 800 Euro kosten. Dazu komme das Honorar für einen Übersetzer der BSI Group in Höhe von 60 Euro. Außerdem seien die Preise für Unterkunft und andere Dienstleistungen in Deutschland viel höher als in Serbien oder Kroatien.

Impfreisen nach Deutschland sind für die Russen teuer Bild: Stefan Sauer/dpa/picture alliance

Die Impfung von Ausländern sei in Deutschland offiziell zwar nicht erlaubt, doch in einigen Fällen sei vor der Impfung gar nicht nach einem Reisepass gefragt worden, berichtet der russische Reiseveranstalter Tschajka-Tour. "Es gibt keine Pauschalreisen für Impfwillige nach Deutschland und es kann sie derzeit auch nicht geben, weil Impfungen kein Grund für eine Einreise sind", so die Firma. 

"Impfen, um leichter um die Welt reisen zu können"

Für David Afanasiadi aus Moskau bot sich während einer Geschäftsreise eine Möglichkeit zum Impfen. Der junge Mann erzählt der DW, der Weg nach Monaco habe ihn über den Flughafen von Nizza geführt, so dass er einige Zeit in der französischen Stadt verbrachte. Er besaß noch ein Touristenvisum aus der Zeit vor der Pandemie sowie eine Geschäftseinladung zur Einreise.

Obwohl David Afanasiadi bereits eine Bescheinigung über die Impfung mit Sputnik V besaß, wollte er sich gerne mit einem in Europa anerkannten Impfstoff impfen lassen. "Es macht keinen Sinn, über Vertrauen in diesen oder jenen Impfstoff zu sprechen. Ich bin kein Arzt. Aber ich wollte mich mit einem allgemein anerkannten Vakzin impfen lassen, um leichter um die Welt reisen zu können", so David Afanasiadi.

Ein Impfzentrum in Frankreich - auch hier könnten sich Russen in der Theorie impfen lassen Bild: Stephane Mahe/REUTERS

Eine Freundin vor Ort half ihm, sich über eine Website anzumelden. David Afanasiadi gibt zu, dass er es ohne die Hilfe der Freundin, die gut Französisch spricht, nicht geschafft hätte, sich in Nizza impfen zu lassen. Das Ausfüllen des Fragebogens und das Arztgespräch erforderten gute Sprachkenntnisse.

Dank seiner Freundin besitzt Afanasiadi nun einen europäischen Impfausweis. Er sagt, wer einen Nachweis über Sputnik V vorlegen könne, brauche nur noch eine Dosis des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer.

Booster-Dosis in Wien

Der Arzt Saur Mugutdinow aus St. Petersburg kam für ein Praktikum nach Österreich. In Russland hatte er bereits beide Dosen von Sputnik V erhalten, was aber in Österreich keine Bedeutung hat. Nach einiger Überlegung entschied er sich daher für eine Impfung mit dem Vakzin von Johnson & Johnson. Ausschlaggebend dafür sei gewesen, so Saur Mugutdinow, dass nur eine Dosis benötigt werde, wodurch man früher in den Genuss der Reiseerleichterungen komme.

"Damit habe ich viel Geld für PCR- und Antigen-Tests gespart. Die Situation ist jetzt schwierig, selbst im Schengen-Raum gibt es Grenzpatrouillen, die QR-Codes überprüfen. Außerdem kommt man ohne Impfnachweis nicht in Restaurants und Bars", sagt er.

Nach der Impfung in einem Wiener Einkaufszentrum unternahm der Arzt an jedem Wochenende Reisen. Seitdem geht er gegen Impfskeptiker vor und überredet in russischen sozialen Netzwerken Mitbürger zum Impfen. "Bewegungen von Impfgegnern gibt es überall, aber nur bei uns ist sie zum Mainstream geworden. Fast die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen Impfungen, so etwas habe ich noch nirgendwo gesehen", sagt er zur Lage in seiner Heimat.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk. 

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