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Politik

Wie Firmen deutsche Parteien finanzieren

Gianna-Carina Grün | Ben Knight
22. September 2017

200 Millionen Euro Spenden haben Parteien seit 2013 erhalten. Wer die Spender sind, bleibt lange unbekannt. So erlaubt es das deutsche Gesetz. Eine DW-Analyse zeigt, welche Unternehmen sich das besonders zunutze machen.

Euro-Münze
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

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Die Deutschen und strikte Regeln: dem Klischee nach unzertrennlich. Die gesetzliche Regelung zu Parteispenden ist jedoch ungewöhnlich lax: Sie lädt Parteien und Firmen schon fast dazu ein, ihre finanziellen Zuwendungen zu verschleiern. Versicherungsunternehmen, Finanzberatungsfirmen und große Industrieverbände nutzen das anscheinend systematisch aus. 

Bereits in der Vergangenheit haben Anti-Lobby-Aktivisten bekannt gemacht, wer hinter einzelnen, besonders hohen Parteispenden steckt. Medienberichte zeigen zudem, welches die größten Spender eines Jahres sind. Die Datenanalyse der DW geht noch einen Schritt weiter, indem sie mehrere Jahre betrachtet und verschiedene Quellen dazu abgleicht: Erst dann zeigt sich nämlich, wie die Öffentlichkeit lange über Spendeneinnahmen im Dunkeln bleibt und welchen Spendern das besonders zugute kommt.

Ein Gesetz mit Schlupflöchern

Paragraph 25 des deutschen Parteiengesetzes regelt, wie Parteien mit Spenden umzugehen haben. Demnach müssen Parteien jede Einzelspende von mehr als 50.000 Euro dem Bundestag melden, der dann Namen und Betrag auf einer dafür vorgesehenen Webseite veröffentlicht

Einzelne Spenden zwischen 10.000 und 50.000 Euro werden von den Parteien zunächst intern dokumentiert und erst 18 Monate später veröffentlicht, wenn der Rechenschaftsbericht über das entsprechende Jahr erscheint: Die Vorabfassung des Rechenschaftsberichtes über 2015 wurde im Mai 2017 publik. Darin werden alle Unternehmen und Personen aufgelistet, die mehr als 10.000 Euro in einem Jahr gespendet haben.

Spendet jemand weniger als 10.000 Euro im Jahr, erfährt die Öffentlichkeit nie, von wem das Geld stammt. Zum Vergleich: In den USA wird ab einem Betrag von 200 Dollar offengelegt, wer der Spender ist. Spendeneinnahmen sind hier bedeutender für die Parteien: Sie machen rund 50 Prozent der Einnahmen aus. In Deutschland ist dieser Anteil geringer: Im Jahr der letzten Bundestagswahl, 2013, waren Spenden - mit im Schnitt 18 Prozent Anteil - die drittwichtigste Einnahmequelle. 

Auch die gesamte Spendensumme, die eine Partei in einem Jahr erhalten hat, wird erst mit dem Rechenschaftsbericht öffentlich. 2019 wissen wir dann genau, welche Partei in diesem Wahljahr wieviel Geld erhalten hat. In den vergangenen vier Jahren hat Angela Merkels CDU am meisten von Spendengeldern profitiert.

Man würde davon ausgehen, dass Unternehmen, die ihre finanzielle Unterstützung für Parteien nicht verbergen wollen, ihre großen Summen von mehr als 50.000 Euro als eine Spende überweisen - und damit auf der Meldewebseite erscheinen. Das ist aber bei weitem nicht die Regel.

Am eindrucksvollsten ist der Fall der Firmengruppe Deutschen Vermögensberatung. Mit 1,4 Millionen Euro Spendensumme sind sie der zweitgrößte Financier der deutschen Parteien - ohne in den vergangenen vier Jahren jemals mit einer einzigen Großspende gemeldet worden zu sein.

Geld in kleinen Paketen

Wie das sein kann? Eine Strategie ist es, große Spenden aufzuteilen und so eine sofortige Meldung zu umgehen. Anstatt 50.001 Euro auf einmal werden also kleinere Geldbeträge nacheinander überwiesen. 

36 Unternehmen, Verbände und Personen tauchen in Rechenschaftsberichten mit über 50.000 Euro auf, manche davon mehrfach - ohne dass entsprechende Meldungen über Großspenden eingegangen sind, weil das Geld in kleinere Beträge aufgeteilt wurde. Bei 10 weiteren wurde eine Großspende gemeldet - die im Rechenschaftsbericht verzeichnete Summe liegt jedoch höher: es sind also zusätzlich zur gemeldeten Großspende weitere Gelder geflossen. In 20 Fällen wurden genau 50.000 Euro gespendet, die Spender bleiben also exakt einen Euro unter der Meldepflicht.

Die zweite Strategie: Einzelne Tochterfirmen desselben Konzerns zu nutzen, die auf dem Papier wie verschiedene Unternehmen aussehen.

Annette Sawatzki arbeitet für die Transparenz-Initiative LobbyControl, die gerade ihre eigene Datenbank über Parteispenden veröffentlicht hat. Dass Unternehmen regelmäßig den Schwellenwert zur Meldepflicht unterschreiten und es dabei dennoch schaffen, jedes Jahr sechsstellige Beträge an einzelne Parteien zu spenden, hat für sie auf jeden Fall etwas Systematisches.

Die verfügbaren Rechenschaftsberichte der Parteien von 2013 bis 2015 zeigen, dass die Deutsche Vermögensberatung Holding 130.000 Euro an Parteien gespendet hat. Die Deutsche Vermögensberatung AG spendete 689.500 Euro, das Unternehmen Allfinanz überwies 260.000 Euro und die UBG Unternehmensberatung und Betreuung 130.000 Euro. Jede einzelne dieser Zahlungen wurde nicht auf einmal, sondern in kleineren Summen überwiesen - denn für keines der Unternehmen wurde eine Großspende gemeldet.

Zusätzlich spendete der Gründer der Deutschen Vermögensberatung, Reinfried Pohl, 2013 und 2014 zusammen 220.000 Euro. Anbetracht dieser Großzügigkeit ist es vielleicht wenig überraschend, dass der Beirat der DVAG mit einigen ehemaligen Politikern besetzt ist, darunter Helmut Kohls langjähriger Finanzminister Theodor Waigel.

Auf DW-Anfrage teilt Simon Kuklinski, Sprecher der DVAG, mit, dass alle Spenden im Rahmen des Gesetzes erfolgen: "Im Rahmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung spendet auch die Deutsche Vermögensberatung regelmäßig an verschiedene Parteien", heißt es in einer Email. "Unsere Spenden unterliegen ebenso wie die Spenden anderer Unternehmen und Privatpersonen den gesetzlichen Veröffentlichungspflichten und sind somit transparent." Eine Begründung, warum verschiedenen Tochtergesellschaften jeweils nicht-meldepflichtige Beträge spenden, gibt er nicht: "Hierbei handelt es sich um eine unternehmensinterne Entscheidung, über die sich die Deutsche Vermögensberatung öffentlich nicht weiter äußern wird."

Kein Einzelfall


Der Verein der Bayerischen Chemischen Industrie (VBCI) weist die Nachfrage zu einer möglichen Systematik hinter seinem Spendenmuster ebenfalls zurück. Der VBCI spendete 2013, 2014 und 2015 deutlich mehr als 50.000 Euro an die CSU, aber wurde nicht als Großspender gemeldet. Als Antwort auf eine Bitte um Stellungnahme sagt der Geschäftsführer Markus Born: "Die Tatsache, dass wir demokratisch gewählte politische Parteien in Deutschland mit Spenden unterstützen, ist seit Jahren bekannt und erfolgt unter strikter Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften. Dies ist Ausdruck unseres staatsbürgerlichen Verständnisses einer repräsentativen Demokratie, die politische Parteien vorsieht." Er fügt hinzu, dass jegliche Annahme, der VBCI würde absichtlich die Meldepflicht umgehen dem Verein "fremd" sei und weist weitere Nachfragen ab.

Andere Unternehmen sind mitteilsamer. Metall NRW, der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens, spendete 2013 und 2015 mehr als 50.000 Euro an die CDU, ohne dass Großspenden verzeichnet werden.

Hubertus Engemann, Mitglied der Hauptgeschäftsführung von Metall NRW, schlüsselt auf: "Die Bundes-CDU hat Geld bekommen von uns, die Junge Union hat Geld von uns bekommen, die Senioren-Union hat Geld bekommen, und die Mittelstandsvereinigung hat Geld bekommen. (...) Wir möchten, dass die Spenden zielgerichtet bei denen ankommen, die wir unterstützen möchten. Es geht uns bei der Verteilung von Spenden ausdrücklich nicht darum, eine Schnellmeldung zu vermeiden."
 


Eine ähnliche Antwort gibt auch der Schwester-Verband aus Bayern, der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (BAYME VBM). Dessen Sprecherin Katja Schlendorf-Elsässer schreibt in einer Email: "Ein kleinerer Spendenzweck rechtfertigt auch nur eine kleinere Spende. Außerdem sehen wir keine Notwendigkeit, die Anmeldung von Großspenden zu vermeiden. Wenn wir es für verhältnismäßig halten, spenden wir größere Beträge, was wir regelmäßig tun."

Größere Beträge von 50.000 Euro gingen 2013, 2014 und 2015 an die SPD, zusätzlich 2015 an die FDP - eben klein genug, um nicht gemeldet werden zu müssen. 2013 spendete der VBM 642.332,50 Euro an die CSU, nur 565.000 Euro wurden als Großspende gemeldet.

Es geht auch anders

Dass das auch anders geht, zeigt der Südwestmetall Verband der Metall-und Elektroindustrie Baden-Württemberg: Jede Spende wird als Großspende verzeichnet; die Summen weichen lediglich in Einzelfällen um 5.000 Euro von den Beträgen in den Rechenschaftsberichten ab.

Auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) spendet regelmäßig an die Parteien. Vergangenes Jahr hat der VCI begonnen, auf Eigeninitiative hin offenzulegen, wem er wieviel Geld zukommen lässt - unabhängig von der Höhe der Spende. Ähnlich macht das auch der Autobauer Daimler. 

Diese Beispiele zeigen: Es möglich ist, transparent mit Firmenspenden umzugehen - wenn man denn will.

Bessere Transparenzregeln: Sofortige Meldung ab 10.000 Euro

Alle befragten Firmen berufen sich zurecht darauf, dem Gesetz zu folgen. Entsprechend müsste sich das Gesetz ändern, wenn Deutschland für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung sorgen will.

"Großbritannien wäre für uns ein gutes Vorbild, was die Transparenz von Parteispenden angeht", sagt Sawatzki. Im Vereinigten Königreich werden Spenden quartalsweise veröffentlicht, der Schwellenwert der Meldepflicht liegt bei 7.500 Pfund (etwa 8.700 Euro) für Parteien auf nationaler Ebene und bei 1.500 Pfund (1.700 Euro) für lokale Ableger. Während der Wahlkampf-Zeit werden die Spenden sogar auf einer wöchentlichen Basis offengelegt. 

Die Erklärung einzelner Unternehmen, dass sie lieber einzelnen Ortsverbänden oder Initiativen innerhalb einer Partei Geld zukommen lassen - ist für Sawatzki einmal mehr Grund für bessere Transparenz-Regeln: "Wir würden gern sehen, wem genau Geld gespendet wurde. Dann könne man beispielsweise sehen, ob ein einzelner Kandidat gezielt von einer bestimmten Industrie unterstützt wird."
Viele Bedenken ließen sich also einfach beheben, sagt Sawatzki. Beispielsweise, indem man die sofortige Meldepflicht von 50.001 Euro auf 10.000 Euro herabsetzt. "Die Spender müssen halt dazu stehen. Das ist nun mal in einer Demokratie so."

Hier finden Sie die zugrunde liegenden Daten sowie Hinweise zur Methodik. Haben Sie Anmerkungen oder einen Fehler entdeckt? Dann freuen wir uns über eine Email an design.data@dw.com.

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