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Wie Frankreichs Milliardäre die Politik beeinflussen

Lisa Louis Paris
2. Juni 2025

Der französische Milliardär Pierre Édouard Stérin steckt Millionen Euro in Initiativen, die Rechtsaußen-Ansichten propagieren. Er ist nur die Spitze des Eisberges. Manche fordern deswegen strengere Regeln.

Vor einem zerbrochenen roten Herzen im Hintergrund sind Präsident Macron und Rechtsaußenkandidat Bardella zu sehen
Viele Reiche in Frankreich unterstützen die Rechtsaußenpolitiker, wie RN-Chef Bardella - neben Präsident Macron (lks)Bild: Hermann Wirt/Grafik DW/Reuters

Die Anhörung des französischen Milliardärs Pierre Édouard Stérin war mit großer Spannung erwartet worden. Dabei sollten Details eines "regelrechten Ökosystems der politischen Eroberung" enthüllt werden, so ein Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Man wollte den Unternehmer - ihm gehört die Firma Smartbox, die Erlebnisgeschenke anbietet - zu seinem "Périclès"-Projekt befragen, durch das er schon knapp 30 Millionen Euro in Initiativen investiert hat, die tief konservative Werte vertreten. Doch der Stuhl des Franzosen in einem Saal der Nationalversammlung blieb leer.

Da hatte er sitzen sollen: Milliardär Pierre-Édouard Sterin - doch dann blieb sein Stuhl bei der Anhörung leerBild: Raphael Lafargue/abaca/picture alliance

"Gestern hat Herr Stérin uns mitgeteilt, dass er per Videolink aussagen wolle - aus Sicherheitsgründen", sagte Thomas Cazenave, Abgeordneter der Regierungskoalition "Ensemble!" und Vorsitzender des Ausschusses. "Ich antwortete, wir hätten Schutz-Maßnahmen ergriffen wie für Parlamentarier, die regelmäßig bedroht werden."

Cazenave bedaure diese "Hinhaltetaktik". So könne man nicht prüfen, ob Périclès französische Gesetze zur Parteienfinanzierung einhalte. Stérin ist nicht der einzige Milliardär, der versucht, die politische Meinung in Frankreich nach rechts zu lenken. Manche fordern deswegen strengere Regeln.

Rechtsaußen-Inkubator 

Périclès' Generaldirektor war indes zu seiner Anhörung eine Woche zuvor angetreten. "Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und moralische Situation unseres Landes ist kritisch", sagte Arnaud Rérolle dem Ausschuss. "Wir sind ein Inkubator rechts am politischen Spektrum für metapolitische Projekte. Bisher haben wir weniger als 15 Prozent von 600 Bewerbungen unterstützt."

Der ehemaliger Ministe für öffentliche Finanzen und aktueller Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, Thomas CazenaveBild: Raphael Lafargue/abaca/picture alliance

Dazu gehören das Rechtsaußen-Magazin "L'Incorrect" und die "Beobachtungsstelle zur Dekolonisierung", die unter anderem eine angebliche Aufklärungsfeindlichkeit à la "Woke" anprangert. Woke-Bewegungen machen sich gegen Diskriminierungen stark. Rérolle legte jedoch nur einen Teil der geförderten Projekte offen. Er fügte hinzu, dass Périclès keine Wahlkandidaten finanziere. Das ist laut französischem Gesetz nur Parteien gestattet.

"Problem für die Demokratie"

Pierre-Yves Cadalen findet Rérolles Aussagen zu schwammig. Der Abgeordnete der Linksaußen-Partei Ungebeugtes Frankreich (LFI) ist Vizepräsident der Untersuchungskommission. "Die Zeitung L'Humanité hat ein internes Dokument veröffentlicht, laut dem Périclès der Rechtsaußenpartei Rassemblement National (RN) helfen will, bei den Kommunalwahlen 2026 300 Städte zu erobern", sagt Cadalen gegenüber DW.

Rérolle bestätigte bei der Anhörung, dass das Dokument echt sei - nannte es jedoch "überholt". Dem Schriftstück gemäß will man über zehn Jahre hinweg 150 Millionen Euro ausgeben, um Islamismus, Einwanderung und Gender-Ideologie zu bekämpfen, und auf einen Sieg bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2027 hinzuarbeiten. RN-Chef Jordan Bardella und RN-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen seien dabei "Vertrauens-Personen".

Die wegen Untreue verteilte Marine Le Pen vom RN mit ihrem Nachfolger als Parteichef, Jordan BardellaBild: Thomas Padilla/AP/picture alliance/dpa

"Es ist ein Problem für die Demokratie, wenn Milliardäre derart in das politische Leben eingreifen", sagt Cadalen und meint dabei nicht nur Stérin. In Frankreich gehören elf Milliardären 80 Prozent der Tagespresse. Ihre Fernseh- und Radiosender vereinen mehr als die Hälfte der Zuschauer- und Hörerzahlen.

Ebenfalls im Fokus steht Vincent Bolloré. Er ist Mehrheitsaktionär einer Logistik- und Kommunikationsgruppe, die seinen Namen trägt. Bolloré, erklärt Cadalen, übe "großen Einfluss aus: durch seinen Nachrichtensender Cnews,  den Radiosender Europe 1, die Wochenzeitung JDD und das Umfrageinstitut CSA. Gemeinsam haben diese Medien Schlagkraft und verbreiten Meinungen am rechten Rand, die andere Medien übernehmen."

In der Form habe es das bisher nicht gegeben, sagt Abel François, Professor für politische Ökonomie an der Universität Straßburg. "Früher haben Milliardäre Medien gekauft, um zum Beispiel Politiker dazu zu bringen, sie in öffentlichen Ausschreibungen zu begünstigen", sagt er zu DW. "Heute will man eine gewisse Ideologie verbreiten." Offiziell behauptet Bolloré, keinen Einfluss auf den Inhalt seiner Medien zu nehmen. Eine DW-Interviewanfrage an ihn blieb unbeantwortet - genauso wie die an Périclès.

Der Zorn des Imperiums

Die Marktkonzentration der Medien hat dabei weitreichende Auswirkungen. "Es herrscht eine gewisse Selbstzensur unter Journalisten in Bezug auf diese Milliardäre. Man könnte es sich schließlich mit einem potenziellen künftigen Arbeitgeber verderben", sagt Amaury de Rochegonde, Wirtschaftsjournalist beim Wochenmagazin Stratégies und dem Radiosender RFI, zu DW.

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Bolloré und Stérin vereinten zudem ihre Kräfte. "Die beiden haben sich getroffen und scheinen eine Union der Rechten, also des konservativen Flügels der Republikaner mit dem RN, zu wollen."

Was es heißt, diesem Imperium vor das Schienbein zu treten, hat Alexis Lévrier, Medienhistoriker an der Universität Reims, hautnah erlebt. „Ich habe Tausende Nachrichten bekommen - Beschimpfungen, aber auch Morddrohungen, unter anderem von einem Waffenhändler", erklärt er.

Auslöser war ein Interview Ende Februar. Darin hatte Lévrier gefordert, CNews, genauso wie C8, einem anderen Sender Bollorés, die Lizenz zu entziehen. C8 hatte zuvor Dutzende Verwarnungen unter anderem wegen Sexismus und Homophobie bekommen. Das Interview mit DW ist eins von Lévriers ersten seit dem Vorfall. "Viele meiner Forscher-Kollegen trauen sich nicht mehr, etwas gegen das Bolloré-Imperium zu sagen. Auch Frankreichs Kulturschaffende sind still geworden. Traditionell waren sie Verfechter humanistischer Werte", sagt er.

Doch für Hervé Joly, Historiker am staatlichen Forschungsinstitut CNRS, sind Stérin und Bolloré Ausnahmen. "Der RN hat kaum öffentliche Fürsprecher unter Unternehmern", meint er zu DW. "Historisch haben Arbeitgeber die extreme Rechte nicht unterstützt, bevor sie an die Macht kam. Unternehmer setzen sich gewöhnlich für etablierte, konservative Parteien ein. Heute sind viele von ihnen fortschrittlich, für Gleichberechtigung und den Kampf gegen den Klimawandel."

Vincent Bolloré sind Untersuchungsausschüsse nichts Neues: Hier posiert er im März '23 in der NationalversammlungBild: Thibault Camus/AP Photo/picture allianceASSOCIATED PRESS

Anders wäre es womöglich, wenn die extreme Rechte an die Macht käme. "In Deutschland haben Unternehmer dann mit Hitler zusammengearbeitet und zur Konsolidierung seiner Macht beigetragen", so Joly.

Für den Parlamentarier Cadalen herrscht jedoch bereits Alarmstufe rot. "Wir brauchen Gesetze gegen die Konzentration im Markt der Medien", sagt er. "Diese sind Plattformen für reaktionäre Kräfte, die unseren Rechtsstaat auseinandernehmen wollen, wie in den USA." Dort ignoriert der wiedergewählte Präsident Donald Trump Gerichtsurteile, die nicht in seinem Sinne sind. Sender wie FoxNews befürworten das.

Für Ensemble!-Abgeordnete Eléonore Caroit, ebenfalls Mitglied des Ausschusses, sind neue Gesetze nicht die Lösung. "Man kann Projekte wie Périclès bekämpfen, indem man sie offen legt", sagt sie zu DW. "Deswegen ist Stérin wohl auch nicht zur Anhörung gekommen." Dafür drohen dem Milliardär jetzt zwei Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 7500 Euro.

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