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DiversitätAfrika

Wie fundamentalistische US-Kirchen in Afrika Stimmung machen

Martina Schwikowski
14. März 2024

Harte Gesetze gegen Homosexuelle oder Abtreibung in afrikanischen Staaten stützen sich oftmals auf die Lobbyarbeit rechter US-Kirchen. Sie verhindern Gleichberechtigung und Diversität.

Schattenwurf von zwei Personen auf einer Regenbogenfahne
Diversität ist in Afrika durch den Einfluss von ultra-rechten christlichen Kirchengruppen aus den USA bedrohtBild: Ben Curtis/AP Photo/picture alliance

Sie hetzen gegen Homosexuelle, verurteilen das Recht auf Abtreibung und predigen gegen Transidentität: Christlich-fundamentalistische Kirchen aus den Vereinigten Staaten gewinnen zunehmend an Einfluss in Gesellschaft und Politik in Afrika. Die Hintergründe dieser mächtigen Netzwerke recherchiert Haley McEwen, Soziologin an der Universität Göteborg.

"Christlich-rechte Gruppen in den USA sind seit Anfang der 2000er Jahre in der US-Außenpolitik sehr aktiv", sagt sie im DW-Interview. Schon in den 1970-er Jahren hätten sich viele von ihnen etabliert und später ihren Einfluss auf internationaler Ebene vergrößert. Zu dieser Zeit seien sie auch in afrikanischen Staaten, insbesondere in Uganda, Nigeria, Kenia, Ghana und Südafrika, sowie in den Gremien der Vereinten Nationen tätig geworden.

Den Vorstoß sieht McEwen als eine "Reaktion auf die Fortschritte der internationalen Frauenbewegung bei der Anerkennung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte im Rahmen der UN".

"Schutz der Kernfamilie”

Die konservativen Aktivisten, die sich als "pro-familiär" bezeichnen, sind laut McEwen jedoch ausschließlich daran interessiert, eine bestimmte Art von Familie zu schützen und zu verteidigen: die heterosexuelle, monogame, verheiratete Kernfamilie. Die Pro-Familien-Bewegung stelle Homosexualität und Geschlechtervielfalt als fremde Importe dar, die afrikanische Gesellschaften bedrohten.

Proteste gegen das neue ugandische Gesetz, das Homosexuellen mit Todesstrafe droht, fanden auch in Südafrika stattBild: Themba Hadebe/AP/picture alliance

Irungu Houghton, Direktor von Amnesty International in Kenia, betont aber: Der Hass, der durch diese rechten Gruppen geschürt werde, sei nicht in der kenianischen bzw. afrikanischen Geschichte begründet. Er schaffe jedoch die Voraussetzungen für die Gewalt und die Übergriffe gegen die LGBTQ-Gemeinschaften - also Gruppen und Menschen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender oder queer identifizieren.

"Homosexualität wird von einer Minderheit diskret praktiziert, ist aber seit mindestens einem Jahrhundert Teil der afrikanischen Tradition und Kultur. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Kolonialisierung in den 1930-er Jahren Gesetze zur Kriminalisierung von Sex zwischen Männern erließ", sagt Houghton im DW-Interview.

Das Hauptziel der US-Netzwerke ist laut McEwen, afrikanische politische Führer für die Unterstützung ihrer Politik bei den Vereinten Nationen (UN) zu gewinnen. Zum Beispiel durch Beratung und Training, damit sie in ihren Ländern und auch bei internationalen UN-Versammlungen an vorderster Front für angeblich familienfreundliche Agenden eintreten.

Einfluss hängt vom Geld ab

"Einflussnahme findet auch durch Finanzierung afrikanischer Organisationen statt, die sich vor Ort für diese Familienpolitik und gegen LGBTQ-Rechte und eine umfassende Sexualerziehung einsetzen." Die afrikanische Pro-Familien-Bewegung habe sich zunehmend selbst entwickelt, aber der Erfolg afrikanischer Kampagnen hänge nach wie vor weitgehend von ausländischen Investitionen ab, behauptet McEwen.

Die unabhängige internationale Medienplattform "openDemocracy" mit Sitz in London gibt in ihrer Untersuchung 2020 an, dass mehr als 20 amerikanische christliche Gruppen seit 2007 mindestens 54 Millionen US-Dollar in Afrika ausgegeben hätten. Die Organisationen sind für ihren Kampf gegen LGBTQ-Rechte und gegen den Zugang zu sicherer Abtreibung, Verhütungsmitteln und umfassender Sexualaufklärung bekannt.

Zum Beispiel die rechte Organisation "Family Watch International", die laut openDemocracy 2023 mehrere Schulungen zu Anti-LGBTQ-Gesetzen für afrikanische Politiker und andere Gruppen einberufen oder finanziert hat.

So auch in Uganda. Dort hätte der Einfluss dieser ultra-konservativen Gruppe aus Arizona bis hin zu einem neuen Gesetz gegen Homosexuelle gereicht, sagt Frank Mugisha, einer der bekanntesten Verfechter von LGBTQ-Rechten in Uganda und Direktor der Organisation Sexual Minorities Uganda (SMUG).

In Uganda drohen den Menschen der LGBTQ-Gemeinschaft harte Strafen, sie sind ständiger Gewalt augesetztBild: Abubaker Lubowa/REUTERS

"Es sind schon viele Prediger nach Uganda gekommen, einer von ihnen war Lou Engle aus Kansas City. Er hat vergangenes Jahr mit Politikern an der Sprache für das neue Gesetz gegen Homosexuelle gearbeitet und dafür gebetet, dass es angenommen wird", sagt Mugisha im DW-Interview.

Todesstrafe für Homosexualität in Uganda

Ugandas Präsident Yoweri Museveni unterschrieb im Mai 2023 eine veränderte Version seines international scharf kritisierten Anti-Homosexuellen-Gesetzes - ohne jedoch von harten Strafen gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen abzurücken. Homosexuellen droht die Todesstrafe, LGBTQ-Aktivistengruppen können mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden.

SMUG hatte geklagt, ohne Erfolg. Die Gruppe hat sich in den USA registriert, da die ugandische Regierung es nicht zu zuließ. Sie arbeitet in Uganda - trotz der Gefahr für ihre Mitglieder: "Diese Leute gehen in unsere Gemeinden, wo wir leben", so Mugisha. "Sie rufen 'Werft den Teufel raus, kämpft gegen Sodomie!' Wir sind also ständig der Gewalt und hasserfüllten Drohungen ausgesetzt." Seine Kollegen seien bereits geflohen, aber er wolle bleiben: "Ich habe hier noch viel zu tun."

Die US-Netzwerker seien extrem und gingen sehr systematisch vor, sagt Mugisha. Nur zwei Tage nach der Unterzeichnung des Gesetzes durch Präsident Museveni hatte das Gründerehepaar von Family Watch International, Greg und Sharon Slater, in Entebbe eine Konferenz mit Parlamentariern zahlreicher afrikanischer Länder veranstaltet, um das Momentum zu nutzen, wie Mugisha sagt.

Ugandas Nachbarland Kenia habe kurz darauf mit einem Gesetzesentwurf nachgezogen, sagt der Aktivist: Der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Familie liegt vor. Es zielt darauf ab, Homosexualität zu kriminalisieren und eine aufklärende Sexualerziehung zu verbieten.

Religiöse Aktivisten und Anti-LGBTQ-Demonstrierende in Nairobi Bild: Thomas Mukoya/REUTERS

In Kenia, aber auch in Uganda und Ghana, sieht AI-Direktor Houghton ebenso einen "direkten Zusammenhang" zwischen dem Aufkommen von Hassgesetzen und den Interessen der US-Kirchengruppen. Sie zielten darauf ab, viele Errungenschaften im Bereich der Sexualerziehung und der Rechte auf sexuelle und reproduktive Gesundheit zunichte zu machen.

2023 hätte es zwölf Hasskundgebungen in den Straßen von Mombasa, Malindi und Nairobi gegeben. Der Nationalen Kommission für Menschenrechte wurden 1250 Fälle von Menschenrechtsverletzungen genannt. "Das muss unterbunden werden, das es sich um Vorfälle handelt, die nach unserem Recht strafbar sind."

Akzeptanz von Ungleichheit

In Ghana verabschiedete das Parlament erst vor zwei Wochen ein Gesetz, das die Strafen für einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen verschärft und Personen und Organisationen, die sich für die Rechte von LGBTQ-Menschen einsetzen, kriminalisiert. Damit der Gesetzentwurf in Kraft treten kann, müsste Präsident Nana Akufo-Addo ihn allerdings noch unterzeichnen. Ob und wann das passieren wird, ist offen.

Diese Entwicklung, die auch in anderen afrikanischen Ländern zu beobachten ist, findet laut McEwen nicht in einem Vakuum statt: Gesetze gegen Homosexualität gebe es in Ungarn, in Russland oder auch in Großbritannien und den USA. Ihr Fazit: "Wir dürfen Afrika nicht als homophoben Kontinent abstempeln, nur weil es dort diese Gesetze gibt."