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Wie wirken Corona-Antikörper-Medikamente?

24. September 2021

Die WHO hat das Medikament REGEN-COV für die Behandlung von Risikopatienten mit COVID empfohlen. Das Mittel wird, auch in Deutschland, bereits seit Monaten genutzt. Die Empfehlung ist trotzdem ein wichtiger Schritt.

Wissenschaftler von Regeneron Pharmaceuticals arbeiten in einer Einrichtung des Unternehmens an einem experimentellen Antikörper-Medikament gegen das Coronavirus
Bild: Regeneron/AP Photo/picture alliance

Welche wirksamen Medikamente gegen SARS-CoV-2 gibt es, welche werden aktuell untersucht, welche sind Hokuspokus? Die Liste an potenziellen Wundermitteln und echten Hoffnungsträgern ist lang, den Überblick zu behalten fällt schwer. 

Jetzt gibt es zumindest für ein Medikament grünes Licht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Medikament REGEN-COV der US-Firma Regeneron und des Schweizer Unternehmen Roche empfohlen. Es besteht aus den Antikörpern Casirivimab und Imdevimab und sei laut WHO bei Coronapatienten mit Vorerkrankungen hilfreich, die ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Das Medikament, das über eine Infusion oder eine Injektion verabreicht wird, verbessere die Überlebenschancen dieser Risikopatienten, heißt es in der WHO-Empfehlung, die im British Medical Journal veröffentlicht wurde.

Anfang des Jahres war REGEN-COV, gemeinsam mit einem ähnlichen Medikament der Firma Eli Lilly namens Bamlanivimab, schon einmal Gesprächsthema gewesen.

Damals hatte die Bundesregierung diese Mittel nun zur Behandlung infizierter Risikopatienten gekauft. Beide Medikamente haben in den Vereinigten Staaten eine Notfallzulassung erhalten. Andere Länder, die selbst keine Risikobewertungen durchführen können, stützen sich auf WHO-Empfehlungen wie die nun für REGEN-COV erfolgte. Auch Hilfsorganisationen setzen für gewöhnlich nur von der WHO empfohlene Medikamente ein. In der Europäischen Union steht eine Genehmigung beider Mittel noch aus. 

Wie wirken die Antikörper-Medikamente?

Die beiden Medikamente haben das gleiche Wirkprinzip: Ihre Antikörper binden sich dort an das SARS-CoV-2-Virus, wo das Spike-Protein an menschliche Zellen andockt. Das soll verhindern, dass das Virus in die Zelle eintreten kann.

Diese sogenannten monoklonalen Antikörper werden im Labor hergestellt und sollen das Virus nach einer Infektion "ausknocken". Monoklonal bedeutet, dass die eingesetzten Antikörper alle gleich sind und sie das Virus an einem fest definierten Ziel angreifen.

Das Medikament der US-Firma Regeneron und des Schweizer Unternehmen Roche enthält zwei monoklonale Antikörper. Die Behandlung führt laut Regeneron zu einer Reduzierung der Viruslast, also der Menge an nachweisbaren Viren, und zu einem rascheren Abklingen der Symptome.

Der Vorteil des Regeneron-Cocktails sei, dass so die Wahrscheinlichkeit steige, dass mindestens ein Antikörper bei jeder speziellen Anwendung auch wirklich wirksam sein könne, erklärte die Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast "Coronavirus-Update".

Das Mittel der US-Firma Eli Lilly enthält im Gegensatz dazu nur einen monoklonalen Antikörper.

"Wie eine passive Impfung"

Die Medikamente "wirken wie eine passive Impfung. Die Gabe dieser Antikörper kann Risikopatienten in der Frühphase helfen, dass ein schwerer Verlauft verhindert wird", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn.

Allerdings bildet der menschliche Körper nach einer Impfung - im Unterschied zur Reaktion auf Antikörper-Mittel - einen Mix an Antikörpern, die an das Virus an verschiedenen Stellen binden können. Fachleute sprechen in diesem Fall von polyklonalen Antikörpern. 

Impfstoffe im Vergleich

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Für welche Patienten sind die Medikamente gedacht?

Beide Mittel dürfen in den USA zur Behandlung von Patienten ab zwölf Jahren eingesetzt werden, bei denen das Risiko besteht, dass sie schwere COVID-19-Symptome entwickeln. Die Medikamente können laut der US-Arzneimittelbehörde FDA die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs senken.

Patienten, die sich im Krankenhaus befinden oder Sauerstoff benötigen, dürfen das Medikament nicht bekommen. Am stärksten profitierten Regeneron zufolge Probanden, deren Immunsystem noch keine eigenen Antikörper gegen das Virus gebildet hatte.

Innerhalb der ersten zehn Tage nach Infektion habe es in Studien die besten Ergebnisse gegeben, so FDA-Chef Stephen Hahn. Es gebe aber insgesamt noch nicht ausreichend Daten, sagen viele Wissenschaftler.

In Deutschland bekommen erst einige wenige Patientinnen und Patienten die Medikamente - und zwar die, die einen schweren Verlauf erleiden könnten, oder deren Immunsystem so schwach ist, dass es nicht genügend Antikörper bildet.

Was ist über Nebenwirkungen bekannt?

In einer klinischen Studie gab es bei Patienten, die mit dem Regeneron-Mittel behandelt wurden, keine gehäuften schweren Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe.

Die FDA weist aber in einem FAQ darauf hin, dass es ein gewisses Potenzial unter anderem für schwere Überempfindlichkeitsreaktionen, etwa einem anaphylaktischen Schock, bei den beiden eingesetzten Antikörpern gibt.

Außerdem könne es zu infusionsbedingten Reaktionen kommen, wie Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Kopfschmerzen, Bronchospasmus, Hypotonie, Rachenreizung, Hautreizungen oder Schwindel.

Die FDA bemerkte aber auch, dass es außerdem zu schweren und unerwarteten Nebenwirkungen kommen kann, da Casirivimab und Imdevimab immer noch untersucht werden und möglicherweise noch nicht alle Risiken bekannt sind. 

Bei dem Mittel von Eli Lilly traten bei Studien laut FDA in zwei von 850 Fällen schwerere Nebenwirkungen auf, die entsprechend behandelt wurden. Doch auch hier seien möglicherweise manche Nebenwirkungen noch gar nicht bekannt. 

Werden die Mittel in den USA nun großzügig eingesetzt? 

Sowohl Regeneron als auch Eli Lilly haben seit November 2020 eine US-Notfallzulassung für ihre Medikamente. Dies bedeutet aber nicht, dass die Mittel auch flächendeckend direkt zum Einsatz kommen.

Eine Dosis kostet knapp 2000 Euro - Antikörper sind sehr schwer zu produzieren, das macht die Therapie teuerBild: Eli Lilly/AP/picture alliance

Es gäbe zwar sehr viele Patienten, die für eine Behandlung mit den Antikörpern infrage kämen, aber bei weitem nicht ausreichend lieferbare Dosen, so Erin Fox von der University of Utah gegenüber der "New York Times". "Insgesamt kann man zu Antikörpertherapien sagen, dass sie sehr teuer sind und dass Antikörper sehr schwer zu produzieren sind", so auch die deutsche Forscherin Ciesek im "Corona Update".

Auch die WHO nannte im Zuge ihrer Empfehlung von REGEN-COV die hohen Kosten als Herausforderung. Die Organisation verhandelt nach eigenen Angaben mit der Herstellerfirma Roche über eine Preissenkung, eine faire Verteilung auf der ganzen Welt und sogar über mögliche Schenkungen. Außerdem setzt sie sich dafür ein, dass auch anderen Herstellern die Produktion ermöglicht wird, damit günstigere Alternativen auf den Markt kommen.

Wann könnte es die Mittel bei uns geben? 

Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA läuft bislang kein Zulassungsprozess für eine solche Antikörper-Behandlung. Regeneron plant aber, gemeinsam mit dem Pharmakonzern Roche als Partner, auch in der EU eine Zulassung zu beantragen. Eli Lilly und andere Firmen dürften sicherlich bald folgen.

Virologin Ciesek geht - auch wegen der komplizierten und teuren Produktion - absehbar davon aus, dass "das wahrscheinlich eher ein Einsatz ist, der sehr kontrolliert erfolgen wird, zum Beispiel bei Hochrisikopatienten, aber sicherlich nicht bei jedem durchführbar sein wird".

Nutzen-Risiko-Abwägung

Laut jüngsten Studien kann eine Antikörper-Therapie die Viruslast im Rachen Infizierter verringern und einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben.

Zwischenzeitlich teilte die Pharmafirma Eli Lilly in einer Pressemitteilung mit, dass Bamlanivimab laut einer Studie in US-amerikanischen Pflegeheimen an knapp 1000 Patienten und Angestellten das Infektionsrisiko um 80 Prozent senke. Die Ergebnisse sind vielversprechend - aber das Peer-Review-Verfahren, also die Begutachtung der Studie durch unabhängige Wissenschaftler des selben Fachgebiets, steht noch aus. 

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, hält den Kauf der Medikamente für verfrüht. Die Wirksamkeit bei der Behandlung von COVID-19 sei noch nicht ausreichend durch Studien belegt, so Ludwig gegenüber ZDFheute. Daher solle der Einsatz "unbedingt" nur im Rahmen von klinischen Studien erfolgen.

Biochemiker Patrick Cramer vom Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie hält den Kauf des Medikaments dagegen für "sinnvoll". Man schaffe damit zusätzliche "Handlungsoptionen" im Kampf gegen Corona, so Cramer zu ZDFheute. "Monoklonale Antikörper werden seit vielen Jahren als Medikamente verwendet, die Technologie ist grundsätzlich ausgereift."

Nach einer Bewertung des für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) stand einer Anwendung nach individueller Nutzen-Risiko-Einschätzung nichts im Wege. Behandelt könnten "in bestimmten einzelnen Fällen" an COVID-19 erkrankte Erwachsene mit milden oder moderaten Symptomen und einem Risiko für schwere Verläufe. 

Auch eine Fachgruppe am Robert-Koch-Institut befasste sich im Dezember mit REGN-COV2 und kam zu dem Schluss, dass das Mittel im Rahmen von kontrollierten klinischen Prüfungen eingesetzt werden kann. Es sei eine "vielversprechende Therapieoption" in der frühen Phase einer Coronavirus-Infektion und komme auch als Prophylaxe nach Kontakt mit dem Erreger in Frage.

Update: Dieser Artikel wurde am 24.09.2021 um Informationen über die REGEN-COV Empfehlung der WHO ergänzt.

Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.
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