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Politik

Wie funktionieren Indonesiens Wahlen?

Hans Spross
16. April 2019

190 Millionen Wähler sind zu einem Mammut-Wahlgang aufgerufen. Denn Parlaments- und Präsidentschaftswahlen finden 2019 erstmals gleichzeitig statt. Hinzu kommen Wahlen zu Regional- und Kommunalvertretungen.

Prabowo Subianto Campaigns Ahead Of Indonesia's Presidential Election
Bild: Getty Images/E. Wray

Die mediale Aufmerksamkeit ist durch die Gleichzeitigkeit von Parlaments-, Präsidentschafts- und Kommunalwahlen noch stärker als früher. Entscheidend ist jedoch der Zweikampf an der Spitze des Staates. Dies liegt auch am seit 2004 geltenden präsidialen Regierungssystem in Indonesien. Seitdem werden Präsident und Vizepräsident direkt vom Volk gewählt, für maximal zwei Amtszeiten von fünf Jahren.

Die Präsidentschaftswahl ist eine Neuauflage von 2014, zumindest, was die Präsidentschaftskandidaten betrifft: Amtsinhaber Joko Widodo, mit seinem neuen Vizekandidaten Ma'ruf Amin, trifft erneut auf Prabowo Subianto (Artikelbild), ebenfalls mit einem neuen Vizekandidaten, Sandiaga Uno. Mit Amin hat sich der liberale Widodo einen ausgewiesen religiös-konservativen Stellvertreter an die Seite geholt, um auch für traditionsverhaftete und ländliche Wählerschichten akzeptabel zu sein. Umgekehrt soll der junge Sandiaga Uno die urbane aufstrebende muslimische Mittelschicht ansprechen, die von dem mit Menschenrechtsvorwürfen belasteten Ex-General Subianto vielleicht nicht zu hundert Prozent begeistert ist.

Amtsinhaber Joko Widodo ("Jokowi") gibt sich gerne (und bislang erfolgreich) volksnah Bild: picture-alliance/dpa/A. Raharjo

"Beratende Volksversammlung" 

Das indonesische Parlament, offizielle Bezeichnung Beratende Volksversammlung (MPR), ist seit 2004 ein Zwei-Kammer-System. Es besteht aus dem Abgeordnetenhaus (DPR) mit demnächst 575 Sitzen, sowie der Regionalversammlung (DPD) mit parteilosen Vertretern aus den Provinzen; diese letztere hat tatsächlich nur eine beratende Funktion.

Um die 575 Sitze im Abgeordnetenhaus bewerben sich rund 8000 Kandidaten, also rund 14 Bewerber pro Sitz. Davon sind rund 40 Prozent (3200 Kandidaten) Frauen. Die Parteien müssen eine 30-Prozent-Quote an Kandidatinnen für das Abgeordnetenhaus erfüllen. Unter den derzeit 560 Abgeordneten sind allerdings nur rund zehn Prozent Frauen, nämlich 111.

Herausforderer ist (erneut) der nationalistische Ex-Militär Prabowo Subianto, der auch an einer "Verteidigung des Islam" teilnimmt, wenn es Wählerstimmen bringtBild: picture-alliance/NurPhoto/A. Raharjo

Parlament mit eingeschränkter Macht

Aufgrund des Präsidialsystems mit weitreichenden Kompetenzen der Exekutive und der in der Verfassung niedergelegten Staatsphilosophie des Ausgleichs und nationalen Einheit ("Pancasila") spielt das Parlament eine relativ schwache Rolle. "Abstimmungen sind selten und werden als Zeichen gesehen, dass man es im Parlament nicht geschafft hat, Konsens herzustellen", sagt  Kevin Evans vom Australia Indonesia Centre gegenüber der DW.

Hinzu kommt, dass die Hürde für Parteien, um Abgeordnete ins Parlament entsenden zu können, auf 4,5 Prozent der landesweiten Stimmen angehoben wurde, 2009 waren es noch 2,5 Prozent. Neugegründete Parteien wie die sozialdemokratisch und säkular ausgerichtete PSI haben dadurch so gut wie keine Chancen, bei den diesjährigen Wahlen und selbst noch bei den nächsten in fünf Jahren ins Parlament zu kommen.

Parteien als Wahlhelfer für die Präsidentschaftskandidaten

Trotz der untergeordneten Rolle des Parlaments versuchen viele Parteien, Kandidaten ins Rennen um die Parlamentsitze zu schicken. An den Parlamentswahlen nehmen 16 Parteien teil. 27 hatten sich um die Zulassung beworben. Weitere vier regionale Parteien treten nur in der Provinz Aceh an.

Die Parteien haben vor allem eine Funktion bei der Aufstellung der Kandidaten für das Präsidentenamt. Denn letztere müssen nachweisen, dass sie über die Unterstützung von mindestens 20 Prozent der Abgeordneten im aktuellen Abgeordnetenhaus verfügen, oder dass ihre Parteien mindestens 25 Prozent der Stimmen bei der vorangegangenen Wahl gewonnen haben. Deshalb ist der Ausgang der Parlamentswahlen auch bedeutsam für die Präsidentschaftswahl in fünf Jahren.

Kraftvolles Logo: Widodos "Indonesische Demokratische Partei des Kampfes", PDIP

Koalitionspolitik auf Indonesisch

Da es in Indonesien keine großen fest etablierten Volksparteien gibt - die PDIP von Amtsinhaber Widodo, die derzeit die meisten Abgeordneten stellt, hat weniger als 20 Prozent der Sitze -, müssen sich die Kandidaten vor ihrer Zulassung durch die Wahlkommission um Parteienkoalitionen für ihre Unterstützung bemühen.

Bis zum Ende der Bewerbungsfrist am 10. August 2018 hatten sich die Koalitionspartner auf ihre jeweiligen Kandidaten verständigt: Die Koalition "Indonesien arbeitet" mit 60 Prozent der Abgeordneten auf das Team Widodo/Amin, die Koalition "Prosperierendes und gerechtes Indonesien""mit 40 Prozent der Abgeordneten auf das Team Subianto/Uno. Verschiedene weitere Politiker und Persönlichkeiten hatten bis dahin aufgrund fehlender Chancen ihre Kandidatur zurückgezogen und sich für eines der beiden Teams entschieden oder für neutral erklärt.

Auch Subiantos "Große Indonesische Partei der Bewegung" strahlt Kampfeswillen aus, auf jeden Fall im Logo.

Parteienspektrum nach religiöser Ausrichtung

Laut einer Aufstellung des indonesischen Parteienspektrums durch das Australia Indonesia Centre sind im derzeitigen indonesischen Parlament zwei Parteien mit insgesamt rund 13 Prozent der Sitze strikt islamisch ausgerichtet, nämlich PPP und PKS.

Dazu kommen zwei Parteien (PKB und PAN) mit zusammen 16,5 Prozent, die eng mit muslimischen Massenorganisationen verbunden, gleichzeitig aber offen für Angehörige anderer Religionen sind und die Idee von Indonesien als einem islamischen Staat ablehnen. Für eine klare Trennung von Religion und Staat treten nur Widodos PDIP (Partei des Kampfes) und die neugegründete PSI (sozialistisch, Partei der Solidarität) ein.

Beobachter weisen aber darauf hin, dass auch die PDIP wie alle anderen Parteien - außer vielleicht der PSI - nicht davor zurückschreckt, die "religiöse Karte" zu spielen, zum Beispiel aus der Scharia abgeleitete Vorschriften zu befürworten, wenn es darum geht, konservative muslimische Wählerschichten zu gewinnen.

Politiker überlegen es sich zweimal, ob sie es sich leisten können, konservative Moralvorstellungen zu missachtenBild: Getty Images/AFP/C. Mahyuddin

Regionalwahlen und Auswirkungen der Dezentralisierung

Dies gilt insbesondere auf lokaler und Provinz-Ebene. Indonesische Experten sehen einen Zusammenhang zwischen der gestärkten Rolle von Provinzpolitikern, die seit 2005 direkt gewählt werden, und der Zunahme von Scharia-Verordnungen. "Der Erlass von religiösen Vorschriften ist in vielen Regionen ein beliebtes Mittel, zu dem lokale Amtsinhaber und ihre Parteien greifen, um ihre Wiederwahl zu sichern", sagt Ray Rangkuti von der Nichtregierungsorganisation "Lingkar Madani" gegenüber der DW. 

Zu weiteren Schattenseiten der Dezentralisierung gehört, dass Gesetze, die in den Provinzen verabschiedet werden, oftmals mit zentralen Gesetzen kollidieren, ohne dass es klar wäre, welche von beiden Priorität genießen. Umweltaktivisten kritisieren außerdem, dass unter dem Schirm der regionalen Autonomie eine unheilige Allianz von Lokalpolitikern und Geschäftsleuten gedeiht, wodurch etwa die wilde Expansion der Palmöl-Industrie mit all ihren schädlichen Folgen gefördert werde.

Die Direktwahl von Gouverneuren und Bürgermeistern fand bereits im  vergangenen April statt. Sie ist im Unterschied zum Prozedere auf nationaler Ebene von der Stimmabgabe für die Regionalparlamente getrennt.  Bei den jetzigen Wahlen geht es um die Besetzung von über 2200 Sitzen in den Provinzparlamenten und um die Wahl von über 17.000 Delegierten für rund 500 Lokalvertretungen.

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