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Politik

Wie funktioniert das "System Aserbaidschan"?

Friedel Taube
12. März 2021

Mehreren Abgeordneten der Unionsfraktion wird vorgeworfen, sie hätten sich von Aserbaidschan beeinflussen lassen. In einigen Fällen ist nachweislich Geld geflossen. Was verspricht sich Aserbaidschan eigentlich davon?

Aserbaidschan Ilham Alijew, Staatspräsident
Staatspräsident Ilham AlijewBild: Imago Images/ITAR-TASS/M. Metzel

Die Vorwürfe sind gewaltig. Mehrmals haben offenbar Abgeordnete des Deutschen Bundestags auf verschiedenen Wegen von guten Beziehungen zu Aserbaidschan profitiert. Derzeit im Fokus stehen die Abgeordneten Axel Fischer (CDU), dessen Büros und Wohnräume Anfang März wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit durchsucht worden waren, sowie der Abgeordnete Mark Hauptmann (CDU). Fischers Immunität wurde zuletzt aufgehoben, um Ermittlungen möglich zu machen. Hauptmann, der zudem in Maskengeschäfte verwickelt sein soll, trat unter öffentlichem Druck am 11. März zurück.

Bereits seit mehreren Jahren bekannt ist, dass Aserbaidschan auf Abgeordnete im Europarat Einfluss zu nehmen versucht. So konnte der Deutschen Karin Strenz (CDU) nachgewiesen werden, über eine Zwischenfirma rund 22.000 Euro aus Aserbaidschan erhalten zu haben. Sie sitzt bis heute im Deutschen Bundestag, 2019 wurde eine Geldstrafe gegen sie verhängt - wegen der zu spät erfolgten öffentlichen Anzeige von Zuwendungen aus Aserbaidschan. Der Ex-Abgeordnete Eduard Lintner (CSU) soll ebenfalls vor einigen Jahren Gelder aus Baku erhalten haben. Gegen beide ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main.  

Mark Hauptmann (CDU) legte sein Mandat nach Vorwürfen niederBild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Imagepflege eines Familien-Clans

Doch was treibt den autoritär regierten Staat im Kaukasus an? Was verspricht sich das relativ kleine, zehn Millionen Einwohner zählende Land davon, deutsche und andere europäische Abgeordnete zu beschenken? "Es geht nicht um Wirtschaftsbeziehungen oder darum, dass Deutschland mehr investieren soll. Es geht darum, das Image Aserbaidschans aufzupolieren und reinzuwaschen", sagt Stefan Meister, Leiter des Südkaukasus-Büros der Heinrich-Böll-Stiftung mit Sitz im benachbarten Georgien. "Hier wird versucht, durch wichtige internationale Personen ein gutes Image des Landes zu zeichnen. Damit soll die Politik Aserbaidschans legitimiert werden."

Die Politik Aserbaidschans, das ist in dem post-sowjetischen Land vor allem die Politik des Familienclans von Präsident Ilham Alijew. Der hatte das Amt 2003 bereits von seinem Vater übernommen, 2017 ernannte er seine Frau zur Vizepräsidentin. Nicht nur wegen des Personenkults um den Präsidenten, sondern vor allem wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen und einer ausgesprochen schlechten Lage der Pressefreiheit steht das Land immer wieder in der Kritik. "Amnesty International" kritisiert unter anderem unfaire Gerichtsverfahren und ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam. Und die Organisation "Reporter ohne Grenzen" führt Aserbaidschan gerade mal auf Platz 168 von 180 in ihrer "Rangliste der Pressefreiheit". Die Organisation beklagt auf ihrer Website: "Aserbaidschans Behörden gehen brachial gegen unabhängige Blogger*innen und Journalist*innen vor. Wer sich dem unablässigen Druck durch Schikanen, Schlägertrupps, Erpressung oder Kooptation nicht beugt, wird unter absurden Anschuldigungen zu Haftstrafen verurteilt".

Streitpunkt Berg-Karabach

Ein weiterer Gund dafür, dass Aserbaidschan versucht, auf Parlamentsabgeordnete Einfluss zu nehmen, dürfte der Konflikt um die Region Berg-Karabach sein. Der hatte erst im vergangenen Herbst wieder zu einem Krieg mit Armenien geführt. "Im Konflikt um Berg-Karabach geht es darum, im Bundestag Unterstützung für die aserbaidschanische Position zu bekommen, Unterstützung einzukaufen", so Stefan Meisters Einschätzung.

First Lady und seit 2017 auch Vizepräsidentin Aserbaidschans: Mihriban Alijewa, hier bei den Wahlen 2020Bild: picture-alliance/AA/R. Rehimov

Die "Imagepflege" Aserbaidschans geschieht auf verschiedene Weise. Zum einen investiert das durch Gasreserven reich gewordene Land in große, internationale Events, die in Baku stattfinden - beispielsweise den Eurovision Song Contest 2012, dieEuropaspiele 2015 oder regelmäßige Formel-1-Rennen. Auch Spiele der Fußballeuropameisterschaft 2021 werden in Baku stattfinden. Die Einflussnahme auf Politiker geht unauffälliger vonstatten. Nicht immer geht es um große Geldzahlungen. Auch kleinere Sachwerte wie Reisen nach Aserbaidschan, Einladungen zu Events mit einem Essen oder Geschenke dienen dazu, Entscheidungsträger zu beeinflussen. Gerade die Tatsache, dass der Gegenwert der Geschenke nicht immer immens hoch ist, ist Teil des Systems. "Es ist eine Art der indirekten und kleineren Korruption, bei der die Hürden, sie anzunehmen, gering sind. Eventuell sind auch die Abgeordneten, die angesprochen werden, solche, die ansonsten nicht so viele Privilegien haben", sagt Stefan Meister.

Erhalten kleine Geschenke die Freundschaft?

Ganz offenbar verfängt die Taktik. Immer wieder haben sich auch deutsche Abgeordnete für Aserbaidschan stark gemacht, vor allem in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE), dem auch Aserbaidschan angehört. Gar von einer "Kaviar-Diplomatie" war 2017 die Rede. Karin Strenz und Eduard Lintner sollen sich hier pro-aserbaidschanisch verhalten haben. Zum Beispiel, indem sich Strenz gegen die Freilassung politischer Gefangener ausgesprochen habe. Auch einzelne Mitglieder von Wahlbeobachterkommissionen des Europarats, die ins Land geschickt wurden, sollen sich in der Vergangenheit erstaunlich positiv über den Ablauf der Wahlen geäußert haben - darunter Lintner. Dem jüngst zurückgetretenen Abgeordneten Mark Hauptmann wird vorgeworfen, in der von ihm herausgegebenen kleinen Zeitung "Südthüringen-Kurier" Anzeigen für Reisen nach Aserbaidschan sowie Granatapfelsaft aus Aserbaidschan geschaltet und dafür bis zu 16.000 Euro kassiert zu haben. Hauptmann bestreitet aber, dass die Anzeigen ihn in irgendeiner Weise politisch beeinflusst hätten. Fakt ist: 2018 hatte er gemeinsam mit dem aserbaidschanischen Botschafter den "1. Deutsch-Aserbaidschanischen Wirtschaftsdialog" organisiert.

Auch die Formel 1 soll alljährlich Glanz nach Baku bringen - hier beim Grand Prix 2019Bild: Getty Images/C. Mason

Weitverzweigtes Geflecht

An dieser Veranstaltung zeigt sich, wie verzweigt das Aserbaidschan-Geflecht ist: Redner auf dieser Veranstaltung war der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Thomas Bareiß, dem laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) seit dem 12. März vorgeworfen wird, er habe kurz nach dem Aufkommen der Corona-Krise 2020 Druck auf ein deutsches Medizintechnik-Unternehmen ausgeübt. Das Ziel war angeblich, Beatmungsmaschinen bevorzugt nach Aserbaidschan ausliefern zu lassen. Im Januar 2019 war Bareiß laut RND mit einer Wirtschaftsdelegation in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku gereist und dort unter anderem von Staatschef Alijew empfangen worden. Er selbst sagt, keinen Druck ausgeübt zu haben, ansonsten rechtfertigt er sein Engagement für Aserbaidschan als "humanitäre Hilfestellung".

Endet jetzt, wo sich öffentliche Empörung regt und die Immunität, wie im Fall Fischer, aufgehoben wird oder ein Mandat niedergelegt wird, wie im Fall Hauptmann, das zweifelhafte Engagement für die Autokratie am Kaspischen Meer? Der Experte Meister bezweifelt das: "Es gibt eine ganze Reihe von Organisationen. Deutsch-aserbaidschanische Gesellschaften, Lehrstühle, ein Geflecht von Kultur- und Wirtschaftsinstitutionen. Ich sehe nicht, dass die Regierungsparteien systematisch dagegen vorgehen. Nur, wenn die Medien es hochspielen, dann reagiert man." Auch weiterhin dürfte das kleine Land im Kaukasus also ein gewichtiger Player bleiben.   

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