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Wie gefährlich ist die AfD für die Demokratie?

3. Dezember 2024

Zivilgesellschaft und Wissenschaft warnen vor rechtsextremen Netzwerken im Schatten der Alternative für Deutschland. Von der Politik erwarten sie mehr Unterstützung.

Der Schriftzug AfD steht in weißer Schrift auf blauem Hintergrund. Unterhalb der drei Buchstaben befindet sich ein nach rechts oben zeigender roter Pfeil. Im Hintergrund weht die Deutschland-Fahne in den in den vertikal angeordneten Farben Schwarz, Rot und Gold
Wie gefährlich ist die AfD für Deutschland und die Demokratie? Der Ruf nach einem Parteiverbotsverfahren wird lauter Bild: Hannes P Albert/dpa/picture alliance

Für ihren Jahresrückblick 2024 haben sie die ganz große Bühne gewählt: den Saal der Bundespressekonferenz (BPK) in Berlin. An diesem ersten Dienstag im Dezember reden eine Frau und zwei Männer Klartext: "Wie die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke die Demokratie angreifen." Als erster spricht Dominik Schumacher vom Bundesverband Mobile Beratung stellvertretend für rund 50 Teams in ganz Deutschland.

"Die Lage ist dramatisch, die extreme Rechte ist in der Offensive". Mit diesem Satz beginnt seine Bestandsaufnahme, die er ausführlich begründet. Schumacher verweist auf die Wahlerfolge der Alternative für Deutschland bei den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundestländern. Überall hat sie fast ein Drittel der Stimmen erhalten.

"Auch im Westen wählen viele Menschen diese Partei"

In Thüringen, wo die AfD vom Verfassungsschutz als "erwiesen rechtsextrem" eingestuft ist, wurde sie stärkste politische Kraft. Schumacher fügt hinzu: "Auch im Westen wählen viele Menschen die Partei nicht trotz, sondern wegen ihrer Radikalität." Im Windschatten der AfD würden sich sogenannte Neue Rechte, Reichsbürger und Neonazis organisieren. 

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Als Beispiele nennt Schumacher AfD-Kontakte zum inzwischen aufgelösten Institut für Staatspolitik des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek und die Anfang 2024 bekannt gewordenen Planspiele, Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland auszuweisen. An diesen Überlegungen hatten sich nach Recherchen der Plattform "Correctiv" auch Mitglieder der Christlich-Demokratischen Union (CDU) beteiligt.

"Demokratische Parteien haben Forderungen der AfD übernommen"

Nach den Enthüllungen kam es deutschlandweit zu Massendemonstrationen. "Die Engagierten hatten das Gefühl, dass sich endlich der Wind dreht. Passiert ist aber nichts. Ihre Forderungen haben politisch kein Gehör gefunden", kritisiert Schumacher. Seines Erachtens ist das Gegenteil der Fall: "Demokratische Parteien haben Forderungen der AfD übernommen und rechtsextreme Diskurse in großen Schritten weiter normalisiert: Beschneidung der Asylrechte und Stimmungsmache gegen Migrantinnen und Migranten."

Der in Düsseldorf ehrenamtlich aktive Schumacher zieht ein bitter klingendes Fazit: "Die AfD ist zum parlamentarischen Arm eines großen antidemokratischen Netzwerks geworden, das die politische Landschaft umstürzen will." Auch ohne Regierungsbeteiligung habe die extreme Rechte Einfluss genommen. Menschen, die sich für Demokratie einsetzten, seien entmutigt und fühlten sich von der Politik im Stich gelassen.

Drei engagierte Stimmen gegen zunehmenden Rechtsextremismus: Dominik Schumacher, Sylvia Spehr und Oliver Decker (v.l.) Bild: Metodi Popow/picture alliance

Rechtsextremismusforscher fühlt sich an die 1990er Jahre erinnert

Dem Extremismusforscher Oliver Decker von der Universität Leipzig kommt die aktuelle Entwicklung wie ein Déjà-vue vor. Sie erinnert ihn an die 1990er Jahre: "Jener Dekade, die durch massive Gewalt und Pogrome gegen Migranten, Juden, Sinti und Roma gekennzeichnet war." Unter diesem Eindruck veröffentlichte der Sozialpsychologe kurze Zeit später die erste Studie zu Autoritarismus. In der Wissenschaft versteht man darunter eine diktatorische Herrschaftsform mit begrenztem Pluralismus und ohne feste Ideologie.

Die Studien seien damals ohne finanzielle Förderung und politische Unterstützung entstanden, sagt Decker. "Trotz der grassierenden rechtsextremen Gewalt wurde lange Zeit die breite Mobilisierung der extremen Rechten verleugnet." Statt das zu problematisieren und aufzuarbeiten, habe die Politik mit dem Gegenteil reagiert: "Ausländerfeindliche Parolen wurden von demokratischen Parteien bereits damals zwar nicht immer eins zu eins aufgegriffen, aber sie wurden doch von ihnen bedient."

Folgen des eingeschränkten Asylrechts

Decker erinnert insbesondere an den sogenannten Asyl-Kompromiss von 1993. Damals wurde das in Artikel 16 der deutschen Verfassung verankerte Asylrecht stark eingeschränkt. Das hat unter anderem zur Folge, dass immer mehr Menschen in sogenannte "sichere Herkunftsländer" abgeschoben werden können. Welche Staaten das sind, wird von der Politik definiert. Menschrechtsorganisationen lehnen diese pauschale Praxis ab, weil damit aus ihrer Sicht das individuelle Asylrecht ausgehebelt wird.

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Auch Sylvia Spehr vom Bündnis "Nordhausen zusammen" in Thüringen ist desillusioniert. Im Jahr 2023 konnte bei der Oberbürgermeisterwahl noch verhindert werden, dass der AfD-Kandidat das Rathaus übernimmt. Aber die Euphorie ist nach dem Triumph der Partei bei der Landtagswahl 2024 verflogen. "Und dennoch sage ich und sagen viele Menschen, die gemeinsam mit mir in zivilgesellschaftlichen Strukturen engagiert sind: Demokratie ist immer eine Einladung zum Mitmachen."

Appell einer ehrenamtlichen Demokratie-Verteidigerin   

Es komme auf jede und jeden Einzelnen an, betont Spehr. "Wir appellieren an alle demokratischen Entscheidungsträgerinnen, die Medien und die schweigende Mehrheit: Überlasst den Kampf gegen das Erstarken revisionistischer und rechtsnationaler Ideologien nicht allein den ehrenamtlichen Bündnissen!" Gemeinsam mit Dominik Schumacher vom Bundesverband Mobile Beratung und dem Rechtsextremismusforscher Oliver Decker ruft Sylvia Spehr dazu auf, Demokratie-Programme dauerhaft zu fördern.

Im Moment wissen viele noch nicht, ob sie auch 2025 finanziell unterstützt werden. Der Grund: Wegen der angespannten Haushaltslage könnten Projekte gegen Rechtsextremismus und für Demokratie staatlichen Kürzungsplänen zum Opfer fallen. Dominik Schumacher beschreibt, was das für zivilgesellschaftliche Initiativen bedeuten könnte: dass Mietverträge für Beratungsräume nicht weitergeführt und Beschäftigte gekündigt werden müssten. "Dann sind schlimmstenfalls 20 Jahre Aufbauarbeit dahin", warnt Schumacher. 

Zwischen Engagement und Einschüchterung    

Sylvia Spehr sorgt sich außerdem darum, dass in Regionen mit starken rechtsextremen Milieus immer mehr Menschen eingeschüchtert werden und sich nicht für die Demokratie einsetzen: "Wenn wir nicht die Sicherheit haben, dass wir auch geschützt werden, dann ist es schwer, neue Engagierte zu finden", sagt die Frau vom Bündnis "Nordhausen zusammen".   

Die Kampagne "AfD-Verbot jetzt" strebt ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anBild: Marcel Fürstenau/DW

Auch in Berichten des Verfassungsschutzes ist die zunehmende Radikalisierung der rechtsextremen Szene ausführlich dokumentiert. Der nun vorgelegte Jahresrückblick des Bundesverbandes Mobile Beratung dürfte auch der Kampagne "AfD-Verbot jetzt" weiteren Auftrieb verleihen. Am 1. Dezember haben mehrere daran beteiligte Organisationen vor dem Berliner Reichstagsgebäude, dem Sitz des Deutschen Parlaments, ihre Forderung nach einem Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erneuert.

Der Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren liegt auf dem Tisch

Sie wollen erreichen, dass die Abgeordneten noch vor der vermutlich am 23. Februar 2025 stattfindenden Bundestagswahl darüber abstimmen. "Der Antrag liegt auf dem Tisch. Der Bundestag muss jetzt den Weg frei machen", sagte Kampagnen-Pressesprecher Malte Engeler vor dem Hauptportal des Reichstagsgebäudes. Theoretisch könnte das Parlament schon in der nächsten Sitzungswoche über die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens entscheiden. Sie beginnt Mitte Dezember.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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