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Wie geht der Radsport mit Goolaerts' Tod um?

12. April 2018

Nach dem Tod von Radprofi Michael Goolaerts drehen sich die Räder im Profi-Radsport weiter. Während die Todesursache nun geklärt ist, bleibt die Frage: Wie können solche Fälle künftig verhindert werden?

Radrennen Pfeil von Brabant 2018
Schmerzvoller Verlust: Trauernde Teamkollegen von Michael Goolaerts am Start des Pfeils von BrabantBild: Getty Images/AFP/D. Stockmann

Kein Lächeln, keine Freude, nur ein stummer Fingerzeig gen Himmel: Tim Wellens war nicht nach Feiern zumute. Der Belgier rollte mit versteinerter Miene über den Zielstrich im belgischen Overijse. In dem Moment, in dem er als Solist den Halbklassiker Pfeil von Brabant gewann, war sein sportlicher Erfolg nebensächlich. 202 Kilometer lang war es ein normales Radrennen mit zahllosen Attacken, knackigen Kopfsteinpflaster-Anstiegen und am Ende einem Heimsieg durch einen Landsmann. Doch auch im radsportverrückten Belgien wollte an diesem sonnigen Nachmittag am Streckenrand keine richtige Freude aufkommen.

In Gedanken sind alle bei ihm: Michael Goolaerts. Der belgische Radprofi war am Sonntag während des bekanntesten Radklassikers der Welt, Paris-Roubaix, im Rennen gestürzt, wurde anschließend wiederbelebt, verstarb aber am Abend im Krankenhaus. Mit gerade einmal 23 Jahren. Schnell machte ein Amateurvideo die Runde, das zeigte, wie Goolaerts ungebremst in einen Erdwall raste - was den Schluss nahe legte, dass er bereits vor seinem Sturz einen Herzstillstand erlitten hatte. Diese Deutung wurde nun durch eine Autopsie bestätigt: Goolaerts hat einen Herzinfarkt erlitten, bevor er stürzte und darauf reglos am Straßenrand liegen blieb.

"Sein Herz blieb stehen, deswegen hatte er einen Unfall"

Der Sturz war eine Folge des Herzinfarkts, bestätigten Ärzte im Autopsie-Bericht.Bild: picture alliance/Augenklick/Roth

"Die Autopsie bestätigt die Hypothese, dass der Tod durch einen Herzinfarkt eingetreten ist", sagte Remy Schwartz, Staatsanwalt der französischen Gemeinde Cambrai, der Nachrichtenagentur AFP: "Er hatte eine Herzattacke während des Rennens. Sein Herz blieb stehen, deswegen hatte er einen Unfall." Die Frage, warum ein junger, austrainierter Sportler an einem plötzlichen Herzversagen starb, blieb vorerst unbeantwortet. Goolaerts' Team Veranda's Willems-Crelan gab vorerst keine weiteren Details bekannt. Zum Betreuerstab der belgischen Mannschaft der zweiten Kategorie zählen auch Ärzte. Warum sie die Ursachen für die Herzattacke nicht vor dem Rennen erkannten, muss noch geklärt werden.

Teil der Klärung ist eine toxikologische Untersuchung, mit der die genaue Ursache für den Herzinfarkt ermittelt werden soll. Laut der Staatsanwaltschaft kann dies einige Wochen dauern. Unterdessen wird sich auch der Weltradsportverband UCI Fragen stellen müssen: Unter anderem, warum in den letzten Jahren mehrere Radprofis an Herzinfarkten verstorben sind - einige der Todesfälle blieben ungeklärt.

"ALL4GOOLIE"

"Die Gefahr fährt mit", sagt Ralph Denk vom deutschen Bora-RennstallBild: picture-alliance/dpa/R. Defrancesco

Die Räder im Profipeloton drehten sich zwar weiter, aber fast jeder Fahrer trug beim Pfeil vom Brabant am Arm ein schwarzes Band als Zeichen der Trauer und des Mitgefühls mit den Angehörigen von Michael Goolaerts. Auf dem Band stand "ALL4GOOLIE", was kurz darauf zum Hashtag in den sozialen Netzwerken wurde. Goolaerts Team erhielt an der Strecke besonderen Applaus. Und Sieger Wellens widmete seinen Solo-Triumph dem verstorbenen Landsmann. "Es tut mir im Herzen weh", sagte er bei Eurosport.

Aber kann der Radsport aus der Tragödie Lehren für die Zukunft ziehen? Ralph Denk, Chef des deutschen Rennstalls Bora-Hansgrohe, ist skeptisch: "Es kann immer was passieren. Und wenn es unglücklich hergeht, dann passieren eben auch ganz schwere Unfälle. Das kann man auch mit Sicherheitsvorkehrungen nicht kompensieren. Die Gefahr fährt mit", so Denk im "Münchner Merkur", "das muss man als Rennfahrer auch immer mit einkalkulieren."

Auffällige Häufung von Stürzen

Auch wenn Radsport unumstritten zu den gefährlicheren Disziplinen im Sport gehört, könnte mehr für die Sicherheit getan werden. So stellte Professor Hans-Georg Predel im Gespräch mit der DW fest, dass "jährliche Kader-Athletenchecks, wie sie zum Beispiel in Deutschland durchgeführt werden, solche Fälle ausschließen können". Diese werden aber nicht in allen Ländern und Sportarten in gleicher Weise umgesetzt. 

Neben Fragen der gesundheitlichen Prävention gibt es am Radsport schon länger eine Diskussion um die Gefahren im Rennen selbst. Immer mehr Begleitfahrzeuge, manchmal zu enge Rennkurse und ein immer schnelleres Tempo sorgten in der jüngeren Vergangenheit für schwere Stürze. So zog sich der Belgier Stig Broeckx bei der Belgien-Rundfahrt 2017 durch einen Sturz infolge eines Zusammenstoßes zweier Begleit-Motorräder schwere Verletzungen am Stammhirn zu und lag monatelang im Koma. Ob er je wieder Radrennen bestreiten kann, ist fraglich. Der deutsche Radprofi Dominik Nerz musste seine Karriere nach einer Serie von Stürzen auf Anraten seiner Ärzte beenden. "Es war schon auffällig, dass die Stürze sich häuften. Die Anforderungen im Profiradsport nehmen immer mehr zu", sagte Nerz der "taz". Der Radsport steht also bereits mitten in einer Debatte um Risiken und Gefahren. Sie dürfte lauter werden.