Wie geht es nach den Unruhen am Wahltag in Tansania weiter?
Veröffentlicht 31. Oktober 2025Zuletzt aktualisiert 1. November 2025
Es kam so, wie allgemein vermutet wurde: Tansanias amtierende Präsidentin Samia Suluhu Hassan ist bei der Wahl am Mittwoch laut Wahlkommission wiedergewählt worden. Die an diesem Samstag veröffentlichten Ergebnisse sehen die Zustimmung für Suluhu Hassan bei 97,66 Prozent. Die Wahlbeteiligung war Beobachtern zufolge niedrig - die Wahlbehörde gibt sie jedoch mit 87 Prozent an.
Die vergangenen Tage dürften Tansania nachhaltig prägen. Eigentlich wollten am Mittwoch Millionen von Wählern und Wählerinnen in Tansania ihrer Bürgerpflicht nachkommen und bei den Präsidenten und Parlamentswahlen ihre Stimme abgeben. Doch in Daressalam, der größten Stadt des Landes, kam es ebenso wie in anderen Städten an diesem Tag zu Protesten.
Zahlreiche Menschen gingen auf die Straße, um nicht nur gegen den Ausschluss der wichtigsten Oppositionskandidaten vom Wahlkampf zu protestieren, sondern auch gegen die in ihren Augen zunehmende Unterdrückung von Regierungskritikern.
Angesichts der sich ausweitenden Unruhen verhängte die tansanische Polizei eine Ausgangssperre. Die Regierung entsandte das Militär auf die Straßen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Insbesondere in größeren Städten gab es unbestätigten Berichten zufolge Plünderungen, Verwüstungen und Angriffe auf Wahllokale. Die Internetverbindung wurde zeitweise unterbrochen und erschwerte die Kommunikation über Handy.
Die Opposition spricht von 700 Toten nach den Zusammenstößen, was bislang nicht bestätigt werden konnte. Nach Angaben des Menschenrechtsbüros der Vereinten Nationen starben mindestens zehn Menschen durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstrationen. UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine Untersuchung der Vorfälle.
Wichtige Oppositionsparteien ausgeschlossen
Der Wahlkampf war von heftigen Auseinandersetzungen geprägt. Insbesondere das Verfahren wegen Hochverrat gegen Tundu Lissu, dem Vorsitzenden von Chadema, der wichtigsten Oppositionspartei Tansanias, sorgte für Kontroversen.
Lissus Partei war von der Wahl ausgeschlossen worden, weil sie sich weigerte, einen Verhaltenskodex für die Wahl zu unterschreiben - mit der Begründung, es seien zunächst Reformen notwendig. Othman Masoud, Präsidentschaftskandidat einer weiteren Oppositionspartei, der ACT-Wazelendo, war ebenfalls von den Wahlen ausgeschlossen worden.
EU verurteilt die Wahlen in Tansania als "unfair"
Am Donnerstag machten Abgeordnete des Europäischen Parlaments ihren Unmut über die Wahlen in Tansania deutlich. "Diese Wahlen können nicht als frei und fair bezeichnet werden. Der Betrug begann nicht an der Wahlurne, er entfaltet sich bereits seit Monaten", kritisierten die Abgeordneten in einer gemeinsamen Erklärung.
"Keine Wahl kann glaubwürdig sein, wenn die wichtigsten Oppositionskräfte zum Schweigen gebracht werden, wenn Versammlungs- und Meinungsfreiheit verwehrt werden und wenn unabhängige Medien eingeschüchtert und zensiert werden", heißt es in der Erklärung.
Das Europäische Parlament forderte die internationalen Partner Tansanias auf, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen und warnte "Schweigen bedeutet nicht Neutralität, es bedeutet Komplizenschaft".
Die tansanische Regierung weist die Vorwürfe zurück und besteht darauf, dass die Wahlen in einem freien, fairen und transparenten Umfeld stattgefunden hätten. Auch Vorwürfe während des Wahlkampfes seien Menschenrechte verletzt und Oppositionsführer entführt worden, weist die Regierung zurück.
Der gute Ruf Tansanias steht auf dem Spiel
Unter seinem ersten Präsidenten Julius Nyerere galt Tansania in Bezug auf Frieden und Menschenrechte einst als Vorbild. Seit der Amtsübernahme durch Samia Suluhu Hassan im Jahr 2021 befindet sich das Land jedoch politisch im Niedergang.
Ihre Regierung wird beschuldigt, Andersdenkende zu unterdrücken, Oppositionspolitiker zu inhaftieren und die Bürger und Bürgerinnen von politischen Prozessen auszuschließen. Ausländer, die als Sicherheitsbedrohung eingestuft wurden, wurden des Landes verwiesen.
So erging es Blessing Vava, dem Geschäftsführer der "Crisis in Zimbabwe Coalition", die sich in Simbabwe für Menschenrechte einsetzt. Als Vava am Dienstag in Tansania einreisen wollte, wurde er zu einem Sicherheitsrisiko am Wahltag erklärt, festgenommen und abgeschoben. Aus seiner Sicht verwandelt sich Tansania gerade in eine Diktatur.
"Es ist ein Jammer, dass ein Land, das den Befreiungsbewegungen des südlichen Afrika und anderer Länder Zuflucht bot und das aufgrund der Werte von Präsident Nyerere zu einer Inspiration für andere wurde, unter der heutigen Führung im krassen Gegensatz dazu steht", sagte Vava der DW, bevor das offizielle Wahlergebnis feststand. "Dieser Verfall wirkt sich nicht nur auf Tansania aus, sondern strahlt auf die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) und den gesamten afrikanischen Kontinent aus."
Präsidentin Suluhu Hassan muss handeln
Als Präsidentin Suluhu Hassan 2021 ihr Amt antrat, wurde sie gelobt, weil sie die Unterdrückung politischer Gegner und die Zensur, die unter ihrem Vorgänger John Magufuli zugenommen hatten, lockerte. Die aktuellen politischen Entwicklungen stellen jedoch eine große Bewährungsprobe für sie dar.
Beobachter sehen ein Legitimationsproblem. "In diesen Wahlen findet keinerlei Wettbewerb statt", sagte Fergus Kell vom Afrika-Programm der Denkfabrik Chatham House ebenfalls vor Bekanntgabe des Ergebnisses. "Jede realistische Konkurrenz in diesem Präsidentschaftswahlkampf wurde durch rechtliche Mittel beseitigt", erläutert er im DW-Interview.
Dieses Vorgehen würde sich in die langfristigen Entwicklungen in Tansania einreihen: "Was wir sehen, ist im Grunde ein Einparteienstaat. Seit der Unabhängigkeit wurde die Verfassung nicht überarbeitet. Der Wille, die vorherrschenden Muster in Tansania zu ändern, scheint nicht vorhanden zu sein", so Kell.
Beobachter sind überzeugt, dass Tansania Verfassungsreformen benötigt, um die Legitimität wiederherzustellen. "Es müssen Reformen umgesetzt und die Rechtsstaatlichkeit muss wiederhergestellt werden. Tansania muss einen nationalen Dialog beginnen, um einen Fahrplan für Reformen zu erstellen", sagt Menschenrechtsaktivist Vava.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.
Dieser Artikel wurde am 31. Oktober 2025 veröffentlicht und nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse am 1. November 2025 aktualisiert.