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Wie gehts weiter mit der EZB-Geldpolitik?

Brigitte Scholtes Frankfurt am Main
25. Januar 2018

Auf Mario Draghi kommt an diesem Donnerstag eine Gratwanderung zu. Aber an die ist der EZB-Präsident ja gewöhnt. Draghi muss seine Worte so wählen, dass es an den Kapitalmärkten nicht zu falschen Erwartungen kommt.

Deutschland EZB PK in Frankfurt Mario Draghi
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Die Marktteilnehmer werden allmählich nervös. Die amerikanische Notenbank FED hat im Herbst des vergangenen Jahres mit der Straffung ihrer Geldpolitik begonnen, aber die EZB hatte sich bisher auf den Standpunkt gestellt, dass die Entwicklung in Europa eine geldpolitische Wende noch nicht rechtfertige. Doch inzwischen werden die Zeichen für eine Konjunkturerholung im Euroraum immer deutlicher. Es werde höchste Zeit, dass die Notenbank jetzt ihre Signale ändere, meint etwa die Allianz und verweist auf die aktuellen Konjunkturdaten: so ist der Einkaufsmanagerindex für den Industrie- und Dienstleistungsbereich im Euroraum im Januar auf 58,6 Punkte geklettert, das ist Rekordstand seit Juni 2006.

EZB-Geldschwemme doch mit positiver Wirkung? 

Die Erholung kam nicht aus Deutschland oder Frankreich, sondern aus den anderen Ländern. "In der Vergangenheit gingen derart hohe Einkaufsmanagerindizes mit einer Zunahme des realen Bruttoinlandsproduktes von mehr als drei Viertel Prozent gegenüber dem Vorquartal einher", erklärt Christoph Weil, Volkswirt der Commerzbank. Das Wachstum  dürfte also stärker ausfallen als bisher erwartet. Die expansive Geldpolitik der EZB komme deshalb immer stärker in der Realwirtschaft an. Vor allem in den südlichen Mitgliedsländern aber war bisher die Arbeitslosigkeit noch recht hoch - das zog die EZB bisher als Rechtfertigung dafür heran, die Ankäufe von Staatsanleihen fortzusetzen, sagt Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Bei einem solch robusten Wachstum sollte auch die Aufwertung des Euro nicht weiter stören. "Dieser negative Effekt dürfte durch die lebhafte globale Nachfrage wettgemacht werden", glaubt Commerzbank-Volkswirt Weil. Und diese Nachfrage wiederum schiebt die Inflation mittelfristig an.

Professoren-Streit

Das wäre ein gutes Zeichen. Denn dann könnte die EZB tatsächlich im laufenden Jahr die Anleihekäufe beenden. Sollte die Inflation sich nämlich dem Ziel der EZB von einer Rate von knapp unter zwei Prozent nähern, könnte sie tatsächlich im September die Anleihekäufe abschließen, vermutet Bofinger.

Die Geldpolitik bleibt vorerst expansiv, glaubt hingegen sein Kollege im Sachverständigenrat, Lars Feld. Der Ökonom, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, äußert jedoch eine "gewisse Hoffnung", dass zum Jahresende ein Ende der Anleihekäufe angekündigt werde. Bis dann Zinserhöhungen kämen, müsse es weiter gut laufen bis ins Jahr 2019 hinein. Auch Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), rechnet nach dem Ende der Anleihekäufe noch mit "ein, anderthalb Jahren", bis die Zinsen graduell angehoben würden. "Wir brauchen Geduld", mahnt er.

EZB-Chef Mario Draghi und Bundesbank-Chef Jens WeidmannBild: picture-alliance/AA/M. Kaman

Weidmann vs Draghi

Zumindest dürfte die EZB bestrebt sein, eine Straffung ihrer Geldpolitik sehr vorsichtig zu vermitteln. Nachdem sie laut Protokoll bei ihrer letzten Ratssitzung offenbar darüber nachgedacht hatte, schon in den ersten Monaten dieses Jahres ihren sehr genau gewählten Wortlaut in der Pressekonferenz womöglich zu ändern, hatten die Finanzmärkte zunächst verschreckt reagiert, weil sie befürchteten, die Straffung der Geldpolitik käme schneller als bisher erwartet. Draghi stehe deshalb vor einem Balanceakt, erklärt Kristian Tödtmann von der Dekabank:

"Einerseits sollte er die Formulierungen zu zukünftigen Wertpapierkäufen und Leitzinsen so anpassen, dass die EZB einen wieder größeren Handlungsspielraum erhält und bei Bedarf mit dem geldpolitischen Ausstieg beginnen könnte." Andererseits sollte er aber auch verhindern, dass die Finanzmärkte Entscheidungen der EZB zu früh vorwegnähmen. Denn das würde eine unerwünschte Straffung des finanziellen Umfelds herbeiführen.

Seit März 2015 kauft die Notenbank monatlich Anleihen am Kapitalmarktim Volumen von zunächst 80 Milliarden Euro, das wurde dann reduziert auf 60, seit Jahresanfang auf 30 Milliarden Euro. Diese Käufe sollen zum Jahresende auslaufen, einen konkreten Termin hatte der EZB-Rat bisher nicht genannt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann plädiert für einen festen Ausstiegstermin im September 2018, findet dafür aber im EZB-Rat bisher keine Mehrheit.

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