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"Wie im 30-jährigen Krieg"

Das Interview führte Markus Wendler22. April 2004

Die gängigen Theorien von Krieg und Frieden passen nicht auf die Lage im Irak. Ein DW-WORLD-Interview mit Herfried Münkler von der Humboldt-Universität in Berlin über "neue Kriege" und Lösungsstrategien für den Irak.

Kein Ende in Sicht: Gewalt im IrakBild: AP

Herr Professor Münkler, wann spricht man von Krieg?

Beim Krieg handelt es sich um den Versuch einer bewaffneten oder jedenfalls gewaltsamen Durchsetzung von Zielen. Häufig sind dies politische Ziele, aber nicht immer. Die Definition ist zugegebenermaßen recht allgemein. Sie hat aber den Vorteil, dass sie Krieg nicht auf eine spezifische Erscheinungsform im Zeitalter der zwischenstaatlichen Kriege reduziert, bei denen die Staaten das Monopol und das Recht zur Kriegsführung hatten.

Ist es denn eine neue Erscheinung, dass nichtstaatliche Akteure an Kriegen beteiligt sind?

Nein. Schaut man auf die Geschichte der Kriege zurück, erkennt man, dass die Verstaatlichung des Krieges in dieser Form nur in Europa stattgefunden hat - und das auch erst seit der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der heute gängigen Kriegsdefinition zufolge hätte es Krieg also nur in Europa zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert gegeben - alles andere am Rande wäre kein Krieg. Eine solche Definition macht keinen Sinn.

Sie sprechen von neuen Kriegen. Welches ist der Unterschied zwischen klassischen Kriegen und neuen Kriegen?

Die neuen Kriege sind in mancher Hinsicht die Wiederkehr der ganz alten Kriege. Also die Wiederkehr eines Musters, wie es beispielsweise der 30-jährige Krieg dargestellt hat. Dabei haben sowohl Staaten eine Rolle gespielt wie auch Bürgerkriegsparteien. Es waren politische Konflikte im Inneren in Verbindung mit konfessionellen oder religiösen Dynamiken. Als viertes Element sind Kriegsunternehmer zu nennen, die ein Interesse an lange dauernden Konflikten haben, da sie vom Krieg leben.

Offiziell wurden die Kampfhandlungen im Irak bereits im Mai 2003 eingestellt - doch seitdem sind Tausende Menschen umgekommen. Kann man angesichts dessen von Frieden reden?

Im Irak sehen wir eine Fortsetzung der Kriegshandlungen auf niedriger Ebene - einen so genannten "Low-Intensity-Conflict". Von Frieden kann erst gesprochen werden, wenn eine Regierung effektiv ein Territorium beherrscht. Solange aber andere Akteure, wie beispielsweise die Warlords in Afghanistan, ihre eigenen Ziele verfolgen, sind die Voraussetzungen für Frieden nicht gegeben.

Wie lässt sich ein solcher Konflikt lösen?

Wesentliches Element der neuen Kriege ist, dass sie nicht durch einen Friedensschluss beendet werden. Stattdessen liegt die Betonung auf einem Friedensprozess, der sich an die Kampfhandlungen anschließen muss und erst langfristig zum Erfolg führen kann.

Wie könnte das im Irak aussehen?

Im Irak haben die USA eigentlich nur zwei Alternativen. Die erste lautet, den Widerstand mit Gewalt niederzukämpfen. Das aber ist eine riskante Strategie, die bisher nicht zum Erfolg geführt hat. Die zweite Option wäre, den Iran stärker in die Lösung einzubeziehen. Dazu müssten sich die USA aber mit den Mullahs einlassen, was sie nicht wollen. Meines Erachtens könnte die Einbeziehung des Irans jedoch die Stabilität in der Region maßgeblich erhöhen.

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