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KulturGlobal

Wie KI die Kunstszene durcheinanderwirbelt

21. November 2024

Wäre AI-Da ein Mensch, würde sie jubeln: Ihr Porträt des Mathematikers Alan Turing erzielte beim Auktionshaus Sotheby's eine Million Euro. Doch sie ist ein Roboter - was heißt das für Kunst und Kunstmarkt?

Roboter Ai-Da vor zwei Bildern, die sie mit künstlicher Intelligenz gemalt hat
Die Roboterkünstlerin AI-Da posiert vor ihrem WerkBild: Sotheby‘s

Ein männliches Gesicht füllt die halbe Leinwand aus, in der anderen sieht man die Vergrößerung eines Auges. Düstere Grau-, Braun- und Schwarztöne dominieren das 2,2 Meter hohe Gemälde, das ein Porträt des britischen Mathematikers Alan Turing (1912-1954) darstellt. Zum ersten Mal haben Käufer beim Londoner Auktionshaus Sotheby's für ein Bild eines KI-gesteuerten Roboters um die Wette geboten. Als der Hammer fiel, übertraf der Kaufpreis - knapp 1,1 Millionen US-Dollar (rund eine Million Euro) - alle Erwartungen. Die Sotheby's-Experten hatten es auf ein Fünftel geschätzt. 

Die Roboterkünstlerin Ai-Da bei der ArbeitBild: Lian Yi/Xinhua/IMAGO

Ihre Vorsicht war offenbar unberechtigt. Doch was sagt die Kunstmarktsensation über Werke aus, die von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt wurden? Sind sie solche Summen wert? Gerät menschengemachte Kunst absehbar ins Hintertreffen? Mehr noch: Handelt es sich bei dem wandfüllenden Werk "AI-God" (übersetzt KI-Gott), das Sotheby's in seiner Online-Auktion anbot, überhaupt um Kunst? Die Debatte darüber ist in vollem Gange, seit KI-Anwendungen für Sprache, Musik und Bild Furore machen.

KI-Kunst: Wer ist der Künstler?

Einer, den das Auktionsgeschehen in London überrascht hat, ist Henrik Hanstein, Chef des traditionsreichen Kunsthauses Lempertz in Köln. "Damit hätte ich nicht gerechnet", sagt er im DW-Gespräch. Dass ein KI-Gemälde ein Kunstwerk ist, hält er längst nicht für ausgemacht. "KI-Kunst wird kreiert durch Maschinen, also durch Computer, die mit Daten von anderen Kunstwerken arbeiten. Damit tue ich mich sehr schwer", so der international renommierte Kunstmarktexperte.

Henrik Hanstein leitet das traditionsreiche Kunsthaus Lempertz in KölnBild: Eventpress/picture alliance

Tatsächlich entstand "AI God" von bionischer Hand, sprich: von der eines Roboters: Die humanoide Roboterkünstlerin Ai-Da war es, die das Porträt Turings malte. Er gilt als Vater der modernen Computerwissenschaft - ein passendes Motiv also. Ai-Da trägt den Namen der britischen Mathematikerin Ada Lovelace (1815-1852) und wurde 2019 an der Universität Oxford entwickelt.

Die seelenlose Roboterdame mit der Pagenfrisur hat Kameras in den Augen, einen Roboterarm und kann dank eines KI-Sprachmodells auch reden. Die algorithmusgesteuerte Maschine hat schon mehrere Kunstwerke geschaffen, so auch ein Porträt von Queen Elizabeth II. (1926-2022). Für das Porträt von Alan Turing malte sie mehrere Bilder, die zu einem neuen zusammengesetzt wurden.

"AI God" sei das erste Kunstwerk eines humanoiden Roboters, das versteigert wurde, heißt es bei Sotheby‘s. Der Rekordpreis markiere einen "Moment in der Geschichte der modernen und zeitgenössischen Kunst" und spiegele die "wachsende Schnittmenge zwischen Künstlicher Intelligenz (KI) und globalem Kunstmarkt" wider. Kunstmarktexperte Hanstein sieht das wesentlich skeptischer: "Die siebenstellige Summe geht natürlich als Meldung um die ganze Welt", sagt er, "aber man darf das nicht überbewerten, dass kann ein Zufallstreffer sein."

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Können KI-Werke Kunst sein?

Dass KI-generierte Arbeiten Kunst sein können, will Hanstein aber nicht völlig ausschließen - auch wenn er nicht glaubt, dass ein Museum Derartiges ausstellen würde. "Man darf nicht vergessen, dass Künstler sich immer auch neuester Möglichkeiten und Techniken bemächtigt haben", sagt der Auktionator, "also ob das von Holz auf Leinwand ging, von Kupfer auf Papier und heute Leinwand und dann Acryl. Oder nehmen Sie die Plainair-Malerei (Malerei unter freiem Himmel bei natürlichen Lichtverhältnissen, Anm. d. Red.)." Kunst könne ihrer Zeit voraus sein. "Das war ja zuletzt auch mit den NFTs so (Non-Fungible Token, digitale Besitznachweise von immateriellen Gütern, Anm. d. Red.). Darum gab es einen Hype und irrsinnige Preise". Heute, nur wenige Jahre danach, sei der NFT-Markt tot und "Schnee von gestern". 

Viele Fragen rund um KI-Kunst sind noch ungeklärt. Hier ein Roboterkünstler in seinem Atelier Bild: picture alliance/Zoonar

Die Frage nach dem Urheberrecht 

Bei KI-Kunst plädiert Hanstein für Geduld - und mahnt gleichzeitig zu Vorsicht: "Man muss Experimente zulassen", findet er, müsse sie aber auch genau abwägen. Dann werde sich schon zeigen, was auf Dauer Bestand hat. "Der Kunstmarkt ist sehr kritisch. Sammler und Kuratoren erkennen Qualität sehr schnell." Für wichtiger hält der Kunstexperte diese Frage: Wem gehört eigentlich ein KI-generiertes Kunstwerk? Dem Programmierer? Dem Provider? Oder den Künstlern, bei denen sich die KI bedient hat? Auch darüber diskutieren Urheberrechtler längst kontrovers. "Wer ist bei KI-Kunst in Wirklichkeit der Künstler?", fragt Hanstein.

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"Da fehlt die Hand!"

Offen bleibt zur Zeit auch, wer von der Wertsteigerung eines Werkes profitiert. In den Ländern der Europäischen Union gilt, anders als etwa in den USA, seit rund 20 Jahren das sogenannte Folgerecht. Es sorgt dafür, dass der Künstler bei einem Weiterverkauf seines Werks am Erlös beteiligt wird. Aber wie soll das bei einem KI-Werk gehandhabt werden, dessen künstlerischer Urheber nicht feststeht? "Darüber werden jetzt wohl Gerichte entscheiden", so Hanstein.

Aber auch hier setzt der erfahrene Auktionator ganz auf das Gespür der Sammler. "Wenn Sie ein Bild auf der Auktion haben, das nicht signiert ist,  - und es kann das tollste Bild sein -, dann ist das ein Handicap und das Werk ist schwerer zu verkaufen." Das gelte auch für KI-generierte Bilder. "Da fehlt die Hand!", unterstreicht Hanstein. "Ob ein Computer so kreativ sein kann wie ein Künstler, der seiner Zeit voraus ist, das wage ich zu bezweifeln. Aber ich lasse mich gerne überraschen." Das Aufkommen von KI-Kunst werde seiner Ansicht nach weder unseren Begriff von Kunst revolutionieren noch den Kunstmarkt.

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