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PolitikUkraine

Wie schützt sich die Ukraine vor Lenkbomben?

21. April 2023

Moskau setzt im Krieg gegen die Ukraine zunehmend Lenkbomben ein. Bedroht sind die Regionen an Grenzen und Frontlinien zu Russland. Die Waffen sind präzise und schwer zu stoppen. Der Westen könnte helfen, sagen Experten.

Zerstörungen nach einem russischen Angriff in Mariupol
Zerstörungen nach einem russischen Angriff in MariupolBild: AP Photo/picture alliance

Nach Informationen der ukrainischen Luftstreitkräfte attackiert Russland die Ukraine zunehmend mit gelenkten Fliegerbomben. Zuvor hatte die russische Luftwaffe solche Waffen eher vereinzelt eingesetzt, doch in den letzten Wochen seien entlang der gesamten Frontlinie täglich bis zu 20 gelenkte Fliegerbomben eingeschlagen.  

Besonders betroffen sind laut ukrainischen Behörden die Stadt Cherson im Süden und die an Russland und Belarus grenzenden Regionen des Landes. "Die Russen werfen immer mehr dieser Bomben ab, weil ihre Vorräte an Raketen aufgebraucht sind. Es sind nur noch sehr wenige übrig, also sind sie auf billige Fliegerbomben umgestiegen", sagte Jurij Ihnat, Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, der DW. 

Tschernihiw nach russischen Luftangriffen im Jahr 2022Bild: Denis Vejas/JOKER/picture alliance

Mit dem Einsatz von Lenkbomben "ändern die russischen Streitkräfte möglicherweise ihre Taktik, um das Risiko weiterer Verluste von Flugzeugen zu verringern, indem sie außerhalb der Reichweite der meisten ukrainischen Luftverteidigungssysteme operieren", schreibt das amerikanische Institute for the Study of War in einem Bericht vom 7. April 2023.

Was sind gelenkte Fliegerbomben?

Im Unterschied zu einfachen Bomben verfügen Lenkbomben über kleine Tragflächen und Leitwerke. Dadurch können sie in Gleitflug versetzt werden, der zum einen eine präzise Zielansteuerung erlaubt. Zum anderen können die Bomben Ziele in großer Entfernung zum Abwurfort treffen. Solche Bomben können von Kampfflugzeugen oder -hubschraubern abgeworfen werden. 

Ukrainische Militärexperten gehen davon aus, dass Russland aktuell über zwei Typen von Lenkbomben verfügt. Die modernere, satellitengesteuerte UPAB-1500B wurde erst vor wenigen Jahren in Dienst gestellt. Aufgrund der extrem hohen Produktionskosten werde sie aber bislang eher selten eingesetzt, sagten Experten der DW. 

Stattdessen setze die russische Armee in der Ukraine größtenteils ursprünglich ungelenkte Bomben mit einem Gewicht von 500, 1000 oder 1500 Kilogramm ein, die noch aus Sowjetzeiten stammen. Die hochexplosiven Bomben des Typs FAB würden mit Tragflächen und einer Satellitensteuerung ausgestattet und auf diese Weise zu einer hochpräzisen Waffe aufgerüstet. Oleh Katkow, Chefredakteur der ukrainischen Fachzeitschrift Defense Express, meint, der Umbau sei sehr kostengünstig und dauere nicht lange. 

Oleksandr Kowalenko, Militärexperte des ukrainischen Think-Tanks "Zentrum für Sicherheitsstudien", bestätigt das: "Man kann solche Module für diese Bomben, von denen noch viele auf Lager sind, schnell produzieren." Diese Lenkbomben seien zwar qualitativ weitaus schlechter als moderne Systeme, dafür könne Russland die Ukraine damit noch lange angreifen. 

Abschuss von Lenkbomben ist aussichtslos

Laut Jurij Ihnat hat Russland Bereits einen Monat nach Beginn der großflächigen Invasion aufgehört, ukrainisch kontrollierte Gebiete zu überfliegen. Allerdings erlaubt es die Reichweite der Gleitbomben, ukrainische Gebiete vom eigenen Luftraum beziehungsweise dem Luftraum russisch besetzter Gebiete aus zu bombardieren: "Russische Flugzeuge können diese Lenkbomben 50 bis 70 Kilometer tief ins ukrainisch kontrollierte Gebiet abwerfen", erklärt der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte. Die Reichweite hänge von Flughöhe und Geschwindigkeit des Flugzeugs ab. "Aber sie fliegen nicht an die Grenze selbst heran, weil sie wissen, dass sie abgeschossen werden können. Je höher ein Flugzeug steigt, desto besser wird es von unseren Radarstationen erkannt." 

Das Flugabwehrsystem Patriot kann zwar Bomben abfangen, könnte aber leicht Ziel russischer Angriffe werden (Archivbild)Bild: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

Zur Verteidigung setzt die Ukraine derzeit sowjetische Flugabwehr-Raketensysteme ein. Fliegerbomben seien damit allerdings kaum zu stoppen: "Die Flugabwehrrakete trifft nicht das Objekt selbst, sondern explodiert neben ihm und durchschlägt es mit Splittern. Das klappt bei einer Bombe meist nicht", erläutert Ihnat. Deshalb, betont er, brauche die Ukraine die modernen Luftverteidigungssysteme, etwa vom Typ Patriot, die vor kurzem aus der USA, den Niederlanden und Deutschland angekommen sind, um Lenkbomben zerstören zu können.

Doch die Zahl der Systeme reicht nicht aus, um die gesamte Frontlinie und die Grenzen zu Russland und Belarus zu verteidigen, sagen die Experten. Zudem sei es riskant, sie nahe der Frontlinie aufzustellen. Die russischen Truppen würden mit allen Mitteln versuchen, die Patriot-Systeme zu zerstören - und sei es nur zu Propagandazwecken, betont Oleh Katkow. Der Fachjournalist glaubt, dass die Russen sogar bereit wären, Kampfflugzeuge zu opfern nur, um der Ukraine einen bedeutenden Verlust zuzufügen.

Ukraine will moderne Kampfflugzeuge

Am besten könnte sich die Ukraine wohl mit modernen westliche Kampfflugzeugen gegen die Lenkbomben schützen, sagt Sicherheitsexperte Kowalenko. "Bomben sind sehr schwer zu treffen, einfacher ist es, den Träger selbst zu zerstören, also russische Flugzeuge."  

Mit Jets wie dem Eurofighter Typhoon könnte die Ukraine Kampfflugzeuge in russisch kontrolliertem Luftraum bekämpfen (Archiv)Bild: Radoslaw Jozwiak/AFP/Getty Images

Doch die Ukraine verfügt über keine Luft-Luft-Raketen mit ausreichender Reichweite, um Kampfflugzeuge über russisch kontrollierten Gebieten anzugreifen. Und westliche Luft-Luft-Raketen sind mit den Flugzeugen sowjetischer Bauart, wie sie jüngst von der Slowakei an die Ukraine übergeben wurden und von Polen noch übergeben werden sollen, nicht kompatibel, betont Kowalenko. Deshalb benötige die Ukraine dringend westliche Kampfjets. Doch die wollen westliche Staats- und Regierungschefs, einschließlich US-Präsident Joe Biden, Kiew bisher nicht liefern. 

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

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