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Wie lange dauert ein Tag im Dunkeln?

19. September 2011

Jedes Lebewesen hat eine innere Uhr – sogar ein blinder Fisch, der in tiefster Finsternis lebt. Statt nach Licht richtet sich sein Rhythmus nach dem Fressen.

Blinder, blasser Fisch (Foto: Saulo Bambi)
Der blinde Höhlenfisch Phreatichthys andruzziiBild: Saulo Bambi

Der Fisch Phreatichthys andruzzii lebt in Höhlen unter der somalischen Wüste. Sonnenlicht kennt er nicht, auch keine Dämmerung oder sternenklare Nächte: Für ihn ist es immer stockfinster. Seine Haut ist blass, seine Augen degeneriert - in ewiger Finsternis ist Sehen schließlich unnütz. Die Art lebt so seit etwa zwei Millionen Jahren. Doch Wissenschaftler haben den Höhlenfisch an die Oberfläche geholt, ins sonnendurchflutete Labor, denn sie wollten wissen: Hat auch Phreatichthys andruzzii eine innere Uhr?

Ja, hat er, lautet die Antwort. Sie tickt jedoch viel langsamer als bei anderen Tieren: Für den Höhlenfisch dauert ein Tag fast 47 Stunden. Das berichtet ein internationales Team, darunter Wissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie KIT, im Fachblatt "Plos Biology".

Fressen gibt den Rhythmus vor

Was beeinflusst die innere Uhr beim Höhlenfisch?Bild: Picture-Alliance/dpa

Die innere Uhr von Phreatichthys andruzzii ist völlig unabhängig von Licht. Der je 12-stündige Wechsel von Tag und Nacht im Labor der Forscher beeindruckte den Höhlenfisch überhaupt nicht; er passte sich nicht daran an. Weniger kalt ließ ihn jedoch die allmorgendliche Fütterung: Nach einiger Zeit wusste er genau, wann es wieder etwas zu fressen geben würde und war kurz zuvor entsprechend unruhig - genau wie die Krokodile im Zoo, die sich aus freudiger Erwartung kurz vor der Fütterung an die Abzäunung drängen.

Auch der blinde Höhlenfisch hat also eine innere Uhr und kann diese auch neu einstellen. Die Forscher konnten das sogar in seinen Erbanlagen ablesen: Die Gene, welche nachweislich für die innere Uhr verantwortlich sind, funktionieren bei Phreatichthys andruzzii ganz normal. Allerdings kann niemals das Licht seinen Tagesrhythmus vorgeben. Der Fisch kann Licht nämlich überhaupt nicht wahrnehmen, mit keinem Teil seines Körpers. Zwei Mutationen in den Erbanlagen sind nach Angaben der Forscher dafür verantwortlich: Der Fisch kann zwei Photorezeptor-Eiweiße nicht mehr vollständig herstellen, welche andere, lichtsensitive Tiere haben. Diese Eiweiße heißen Melanopsin und TMT-Opsin und kommen in Haut, Augen und Gehirn vieler Lebewesen vor - beim Menschen nur im Auge. Dass der Höhlenfisch diese beiden Eiweiße nicht mehr richtig herstellen kann, sorgt dafür, dass ihn der Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit völlig kalt lässt.

Auch der Nacktmull ist an ein Leben unter Tage angepasstBild: AP

Phreatichthys andruzzii ist nicht die einzige Tierart, die sich an ein Leben in der Finsternis angepasst hat. Blindfische beispielsweise - biologischer Name Amblyopsidae - leben in Höhlen in den USA und haben auch keine Augen. Der Nacktmull, ein Nagetier, das unter den Halbwüsten Ostafrikas lebt, kann zwar noch sehen, aber nur sehr dürftig - genauso der hiesige Maulwurf.

Der Tag ist eine Stunde zu kurz für uns

Auch bei Menschen, die vom Sonnenlicht abgeschnitten sind, weicht die innere Uhr nach einer gewissen Zeit von den astronomisch vorgegebenen 24 Stunden ab – allerdings nur leicht. Versuchspersonen, die in einem Raum mit konstanter Dämmerung leben, pendeln ihren Rhythmus allmählich auf 25 Stunden ein. Der Mensch braucht also die tägliche Erinnerung durch das Sonnenlicht, um zu wissen, wann der Tag anfängt und endet, sonst kommt er immer stärker vom Rhythmus der Gesellschaft ab.

Autorin: Brigitte Osterath
Redaktion: Fabian Schmidt

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