Ein Risiko-Raster soll auf Zoonose-Hotspots bei Wildtiermärkten hinweisen - und so für weniger Krankheitsübertragungen vom Tier auf den Menschen sorgen. Strenge Veterinär-Vorgaben könnten effektiver sein als Verbote.
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Seit Jahrzehnten warnen Forschende vor gefährlichen Zoonosen, wenn also Infektionskrankheiten vom Tier auf den Menschen überspringen. SARS, MERS, Ebola - viele Infektionskrankheiten werden von Viren übertragen, die einen tierischen Ursprung haben.
Laut einem Bericht des Weltbiodiversitätsrats gibt es in der Tierwelt bis zu 1,7 Millionen unentdeckte Viren, von denen 827.000 den Menschen infizieren könnten. Und da sich Mensch und wilde Tiere immer näher kommen, wird die COVID-19-Pandemie in dieser globalisierten Welt sicherlich nicht die letzte Pandemie bleiben.
Wildtierhandel mit Zoonose-Potential
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie gibt es Forderungen, den Handel mit Wildtieren streng zu regulieren oder vollständig zu verbieten. Wildtiermärkte gelten als potentielle "Zoonosen-Hotspots", weil hier verschiedene Tierarten auf engstem Raum aufeinandertreffen und sich gefährliche Viren leicht verbreiten können.
Unmittelbar nachdem klar war, dass auch das neue SARS CoV-2 Virus von einem Tier stammt, hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert, dass die vor allem in Asien und Afrika beliebten Wildtiermärkte schließen müssen.
Bereits im Januar 2020 hatte das besonders in der Kritik stehende China vorübergehend den gesamten Handel mit Wildtieren verboten - bis die COVID-19 Pandemie beendet ist. Ganz so lang galt das Verbot dann doch nicht, die Märkte sind teilweise wieder geöffnet, aber zumindest ging der Handel mit exotischen Tieren und Lebensmitteln in China signifikant zurück.
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Wildtiere bleiben relevant für Ernährung und Medizin
Wildtiere spielen für viele Menschen eine wichtige kulturelle, traditionelle und teilweise auch ernährungsrelevante Rolle.
Es ist daher illusorisch, den Handel oder Verzehr von Wildtieren generell verbieten zu wollen. Gerade in strukturschwachen Gegenden ist ein striktes Verbot zudem kaum zu überwachen.
Wildtierhandel in Nigeria
03:34
Effektiver könnte es deshalb sein, die Hygiene- bzw. Veterinär-Vorgaben für den Handel und den Verzehr von Wildtieren klar zu regeln und gleichzeitig einen verlässlichen Überblick über die potentiellen Gefahrenherde zu bekommen.
Risiko-Raster soll Hotspots identifizieren
Gemeinsam mit dem World Wide Fund For Nature (WWF) haben Forschende aus Hongkong ein Risiko-Raster für Zoonose-Gefahren entwickelt. Mit dem in der Wissenschaftszeitung "One Health" veröffentlichten Raster sollen zunächst die Wildtier-Märkte in Asien analysiert werden. Berücksichtigt werden dabei die Verkaufssituation auf dem jeweiligen Markt und die Tierarten, beziehungsweise die Anzahl der gehandelten Wildtiere.
Untersucht wurden 46 Wildtiermärkte in Laos und Myanmar. Bei ihnen zeigte sich bei rund der Hälfte aller beobachteten Tage ein hohes Zoonose-Risiko.
"Schon aus unserer Stichprobenuntersuchung geht hervor, dass es Wildtiermärkte gibt, die offenbar immer ein hohes Zoonose-Risiko haben", warnte Stefan Ziegler, einer der Autoren und WWF-Asien-Referent, anlässlich des Welt-Zoonose-Tags am 6. Juli.
Nach WWF-Angaben werden in der Region jedes Jahr Millionen Wildtiere zu Nahrungszwecken oder zum Gebrauch in der traditionellen Medizin gehandelt.
Zu den gehandelten Wildtieren gehörten laut WWF neben Wildschweinen und Hirschen auch häufig Nagetiere und Fledermäuse, die als Reservoir für eine Vielzahl von pathogenen Erregern gelten.
Natürlich werden zum Beispiel Wildschweine oder Hirsche auch in Deutschland verzehrt. "Allerdings unterliegt der Handel dieser Produkte strengen veterinärmedizinischen Auflagen", sagte Ziegler der Deutschen Presse-Agentur.
Zoonosen-Verhinderung als globale Aufgabe
"Die Einstellung des illegalen und unregulierten Wildartenhandels ist ebenso wichtig wie die Überwachung der Wildtiermärkte, Wildtierfarmen und Restaurants, in denen das Fleisch von Wildtieren angeboten wird", hieß es in einer Mitteilung der Umweltorganisation. Jedoch seien die zuständigen Behörden, die den Handel überwachen und geltendes Recht durchsetzen sollen, vielerorts stark unterfinanziert.
Der Pandemieschutz sei eine globale Aufgabe, so der WWF. Die Weltgemeinschaft müsse deshalb gezielt beim Aufbau nationaler Kapazitäten zur Pandemie-Prävention helfen. Das Risiko-Raster könne laut WWF helfen, die Risiken im legalen Handel mit Wildtieren zu minimieren.
Auch Hunde und Katzen infizieren sich oft mit Corona
Hunde und Katzen stecken sich offenbar relativ häufig bei ihren mit Corona infizierten Besitzern an. Auch sie zeigen Symptome, aber meistens verläuft die Erkrankung glimpflich.
Bild: DW/F. Schmidt
Bei Corona-Infektion besser Abstand halten
So ist es richtig: Hat der Mensch COVID-19, sollte der Hund besser mit seinem Plüschtier kuscheln. Forscher aus Utrecht hatten 2021 Nasenabstriche und Blutproben bei 48 Katzen und 54 Hunden genommen, deren Herrchen und Frauchen in den letzten 200 Tagen zuvor an COVID-19 erkrankt waren. Und siehe da: In 17,4% der Fälle wurden sie fündig. 4,2 Prozent der Tiere hatten auch Symptome gezeigt.
Bild: Fabian Schmidt/DW
Auch Tiere können krank werden
Damit waren etwa ein Viertel der Tiere, die sich angesteckt hatten, auch erkrankt. Obwohl bei den meisten Tieren der Verlauf mild war, zeigten drei von ihnen schwere Verläufe. Dennoch geben Mediziner Entwarnung: Haustiere spielen in der Epidemie keine wichtige Rolle. Viel wahrscheinlicher ist die Übertragung von Mensch zu Mensch.
Bild: Fabian Schmidt
Katzen als Virusschleuder?
Dass sich Katzen mit Coronaviren infizieren können, ist bereits seit März 2020 bekannt. Damals hatte das Tiermedizinische Forschungsinstitut im chinesischen Harbin erstmals gezeigt, dass sich das neuartige Coronavirus in Katzen vermehren kann. Die Stubentiger können das Virus auch an Artgenossen weitergeben, allerdings nicht sehr leicht, sagte damals Tierarzt Hualan Chen.
Bild: picture-alliance/dpa/K-W. Friedrich
Keine Sorge!
Katzen- und Hundehalter sollten jedoch nicht in Panik geraten: Die Tiere bilden schnell Antikörper gegen das Virus, bleiben also nicht sehr lange ansteckend. Wer akut an COVID-19 erkrankt ist, sollte den Freigang für Hauskatzen vorübergehend einschränken. Gesunde Menschen sollten sich nach dem Streicheln fremder Tiere gründlich die Hände waschen.
Bild: picture-alliance/imageBroker
Wer steckt hier wen an?
Sollte dieses Hausschwein beim Gassigehen in Rom besser Abstand zum Hund halten? Das muss nun möglicherweise auch neu bewertet werden. Schweine kommen als Reservoir für das Coronavirus kaum in Frage, hatten die Harbiner Tierärzte noch 2020 gesagt. Aber sie hatten damals auch Hunde von dem Verdacht freigesprochen. Gilt das also noch?
Bild: Reuters/A. Lingria
Wenn der Mensch zur Gefahr wird
Die vier Jahre alte malaysische Tigerkatze Nadia war eine der ersten Wildkatzen, bei der 2020 das Virus nachgewiesen wurde - in einem New Yorker Zoo. "Es ist - unseres Wissen nach - das erste Mal, dass ein wildes Tier sich durch einen Menschen mit COVID-19 angesteckt hat", sagte der leitende Tierarzt des Zoos dem Magazin "National Geographic".
Bild: Reuters/WCS
Immer wieder Infektionen in Zoos
Anfang Dezember 2021 wurden zwei Nilpferde im Zoo von Antwerpen in Belgien positiv auf das Coronavirus getestet. Beide Tiere, Mutter Hermien und Tochter Imani, hatten Schnupfen. Ansonsten ging es ihnen gut. Der Zoo musste vorübergehend schließen und die Nilpferde in Quarantäne stecken.
Bild: alimdi/imago images
Werden Fledermäuse zu Unrecht beschuldigt?
Andererseits ist klar: Das Virus stammt ursprünglich aus der Wildnis. Bisher gelten Fledermäuse als wahrscheinlichstes Reservoir von SARS-CoV-2. Allerdings gehen Tiermediziner davon aus, dass es im Dezember 2019 in Wuhan noch eine andere Art als Zwischenwirt zwischen ihnen und dem Menschen gegeben haben muss. Nur welche Art das sein könnte, ist bisher unklar.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/AGAMI/T. Douma
Der Hauptverdächtige
Dieser Marderhund ist Träger bekannter SARS-Viren. Virologe Christian Drosten brachte ihn deshalb als potentielle Virusschleuder ins Gespräch. "Marderhunde werden in China in großem Stil gefangen oder auf Farmen wegen ihres Fells gezüchtet", sagte er. Für Drosten ist der Marderhund klar der Hauptverdächtige.
Bild: picture-alliance/ImageBroker/C. Krutz
Oder doch dieser Verdächtige?
Schuppentiere, auch Pangolins genannt, stehen im Verdacht, der Zwischenwirt des Virus zu sein. Forscher aus Hong Kong, China und Australien konnten jedenfalls in malaysischen Schuppentieren ein Virus nachweisen, dass dem SARS-CoV-2 verblüffend ähnlich ist. Die Studie wurde am 26. März 2020 in Nature veröffentlicht. Schuppentiere werden illegal auf chinesischen Wildtiermärkten gehandelt.
Bild: Reuters/Kham
Quarantäne für Frettchen
Auch mit Frettchen hat Hualan Chen experimentiert. Das Ergebnis: In den kratzbürstigen Mardern kann sich SARS-CoV-2 genauso wie in Katzen vermehren. Die Übertragung zwischen den Tieren erfolgt als Tröpfcheninfektion. Ende 2020 mussten weltweit zehntausende Marder in verschiedenen Pelztierfarmen getötet werden, weil sich Tiere mit SARS-CoV-2 infiziert hatten.
Für den Umgang mit Geflügel - hier ein Händler in Wuhan - geben die Experten Entwarnung. Der Mensch muss sich keine Sorgen machen, denn Hühner sind praktisch immun gegen SARS-CoV-2. Das gilt übrigens auch für Enten und weitere Arten.