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Wie weggeworfenes Essen der Umwelt schadet

Kerstin Palme
30. April 2019

Lebensmittel wegzuwerfen ist nicht nur Geldverschwendung, es kostet auch wertvolle Ressourcen, schadet dem Klima, bedroht die Artenvielfalt und bringt sogar Mikroplastik auf die Äcker.

Mülltaucher holen ihr Essen aus der Abfalltonne eines Biosupermarkts in Berlin
Zwei Frauen beim "Containern" oder "Mülltauchen" in BerlinBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

"Einmal habe ich original verpacktes Sushi im Wert von 200 bis 300 Euro gefunden", erinnert sich die junge Frau, nennen wir sie Lea. Sie will anonym bleiben, denn über das, was sie tut, wird in Deutschland immer wieder vor Gericht gestritten. Die Studentin geht containern. "Containern" nennt man es, wenn Menschen das, was Supermärkte wegwerfen, nach Ladenschluss aus den Mülltonnen herausholen. Diebstahl sei das, sagen manche Ladenbesitzer.

"Viele Nahrungsmittel werden produziert, die nie der Ernährung zugeführt werden. Ich möchte Teil einer Umverteilung sein", entgegnet die Studentin.

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Dabei geht es ihr nicht nur um Geld, sondern auch um die massive Verschwendung natürlicher Ressourcen und damit also um aktiven Umweltschutz. Denn viele Lebensmittel werden insbesondere in wohlhabenden Ländern weggeworfen, obwohl sie noch gut sind. Deren Produktion verbraucht Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmittel. Darüber hinaus heizen Lebensmittelabfälle den Klimawandel an, bedrohen indirekt die Artenvielfalt auf unserem Planeten und sorgen sogar für mehr Mikroplastik auf den Feldern, wie neue Studien belegen.

Die Welternährungsorganisation (FAO) schätzt, dass ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel nie gegessen werden. Teilweise verderben Lebensmittel noch auf dem Feld, bei der Lagerung, beim Transport oder gehen bei der Verarbeitung kaputt. Das fasst der Begriff Lebensmittelverluste. Mehr Lebensmittel schaffen es in die Ladenregale, werden  aber nicht verkauft oder gekauft und dann nicht gegessen. Das ist sogenannte Lebensmittelverschwendung.

Probleme schon am Anfang der Produktionskette

Warum viele Lebensmittel bereits am Beginn der Produktionskette in großen Mengen verderben, hat Rosa Rolle von der FAO bei ihrer Arbeit mit Kleinbauern in Bangladesch erlebt: "Sie waren es gewohnt, die Tomaten direkt nach der Ernte in 50-Kilogramm-Säcken zu verstauen", erzählt die Expertin für Lebensmittelverluste. "Bis die Bauern am Markt angekommen sind, war nur noch die Hälfte der Ware von guter, verkaufsfähiger Qualität."

Essen für die Tonne?

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Das ist zwar ein großer finanzieller Rückschlag für die Bauern, doch die Umweltschäden halten sich für solche Lebensmittelverluste im Rahmen. Zum einen ist noch nicht so viel Energie in Transport und Weiterverarbeitung geflossen, zum anderen gibt es in Bangladesch, wie auch in vielen anderen Entwicklungsländern, meist noch eine traditionelle Zweitverwertung: "Das, was übrig bleibt, wird größtenteils an Nutztiere verfüttert", sagt Rolle.

Anders das verarbeitete, in Plastikschalen verpackte Sushi, das Lea im deutschen Supermarktabfall gefunden hat. Das frisst kein Nutztier mehr und hier ist in Transport und Weiterverarbeitung der einzelnen Zutaten — das Reiskochen, die Filetierung des Fischs und die Verarbeitung zu Sushi - viel Energie geflossen, seit der Reis das Feld und der Fisch das Meer verlassen haben.

Doch auch schon auf dem Feld ist der Reis ein besonderer Fall: Im Gegensatz zu anderen Getreidearten wie Weizen oder Mais ist er eine Sumpfpflanze, die, um zu gedeihen, von Wasser bedeckt sein muss. Weil sich organisches Material unter Sauerstoffmangel im Wasser aber anders als an der Luft zersetzt, werden durch Reisfelder große Mengen des extrem klimaschädlichen Gases Methan freigesetzt. Etwa 30 Prozent des weltweit angebauten Getreides kommt nie auf den Teller.

Rodung, Wasserverschwendung, Bedrohung der Artenvielfalt

Doch die Klimaemissionen sind nur ein Aspekt. Die Herstellung von Lebensmitteln verbraucht grundsätzlich sehr viele Ressourcen, was die Umwelt zum Teil stark belastet. Mehr als ein Viertel der weltweit verfügbaren Ackerflächen wird nur für die Herstellung von Lebensmitteln verwendet, die nie auf den Teller kommen. Das hat Auswirkungen auf die natürliche Artenvielfalt, denn noch immer werden in großem Stil Waldflächen gerodet, um Platz für Rinderherden oder Palmölplantagen zu schaffen. Diese Rodungen zerstören den Lebensraum vieler wild lebender Tierarten. Würde weniger Fleisch verschwendet, dann würde vielleicht auch weniger Wald für grasende Rinderherden gerodet.

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Auch die Wasserverschwendung ist immens. So werden jährlich weltweit etwa 250 Billionen Liter Wasser für die Produktion von Lebensmitteln verbraucht, die nie gegessen werden. Das sind fast eine Million mit Wasser gefüllte Cheops-Pyramiden. 

Doch kehren wir noch einmal zu Leas Sushi zurück. Auch bei Fisch und Meeresfrüchten sind die Abfallberge hoch: Die FAO schätzt, dass 35 Prozent der weltweit gefangenen oder gezüchteten Fische, Muscheln und Krabben nicht gegessen werden.

Und dann ist da noch die Plastikverpackung für das Sushi.

Plastikmüll: Diese Sushiverpackung kann über den Biomüll ihren Weg auf die Äcker finden — als MikroplastikBild: DW/K. Palme

Plastik auf den Feldern

Oftmals werden die Plastikverpackungen gleich zusammen mit den Lebensmitteln entsorgt. In den Kompost- und Biogasanlagen, wo organische Abfälle verwertet werden, kann das Plastik aber nur schwer von den organischen Materialien getrennt werden. Das hat weitreichende Folgen, wie ein Forscherteam der Universität Bayreuth herausfand. In einer Tonne Kompost aus Hausbiomüll fanden sie bis zu 440.000 Mikroplastikteilchen. Und auch auf den Äckern in Deutschland fanden sie Mikroplastik. Und zwar bis zu zwanzig Mal mehr als in den Weltmeeren. So kommt das Plastik unserer Lebensmittelverpackungen über die Felder wieder zu uns zurück und kann in die Nahrungskette übergehen.

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Zumindest für die Kleinbauern in Bangladesch und ihre Tomatenernte hatte Rosa Rolle eine Lösung parat: Statt der 50-Kilogramm-Säcke nutzen sie inzwischen wiederverwertbare, gut belüftete und leicht stapelbare Plastikkisten für ihre leicht verderblichen Früchte. Seitdem kommen 90 Prozent der Tomaten auch auf dem Markt und bei den Konsumenten an.

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