Wie Leonard Freed die Deutschen sah

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Mit unbefangenem Blick hat Leonard Freed die Deutschen durch die Linse seiner Kamera betrachtet. Das ist durchaus ungewöhnlich – er hätte allen Grund gehabt, den Deutschen zu misstrauen. Seine jüdischen Eltern sind von Minsk nach Amerika eingewandert. Während des Nationalsozialismus wurden einige seiner Verwandten in Weißrussland, der Heimat seiner Eltern, ermordet.
Leonard Freed ist 1929 in Brooklyn geboren. Als junger Mann zieht es ihn ins Nachkrieggseuropa.1954 kommt Freed nach Köln. Dort kauft er sich eine Leica-Kamera, mit deren Hilfe er die Deutschen kennenlernen will.
Seine Eindrücke hält er fest: In einem Buch, das er 1970 unter den Namen "Made in Germany" veröffentlicht. Das Museum Folkwang in Essen im Ruhrgebiet zeigt nun 111 dieser 124 Motive. Freed selbst kannte die Region, in der das Museum steht, sehr gut: Viele seiner Bilder hat er hier eingefangen. Aber nicht nur das: Freed lernte 1956 bei Fotoarbeiten eine Deutsche kennen: Brigitte Klück. Sie war Nichtjüdin, ihre Eltern wohnten in Dortmund, was ebenfalls im Ruhrgebiet im Westen Deutschlands liegt. Die beiden fuhren zusammen durch Deutschland. Freed lichtete als späteres Mitglied der renommierten Agentur "Magnum" das Alltagsleben der Deutschen in den 50er und 60er Jahren ab. Bald darauf heirateten die beiden.
Durch Brigitte und seine guten Deutschkenntnisse lernte Leonard Freed Deutschland aus vielen intimen Perspektiven kennen: In Wohnzimmern, Küchen, auf Volksfesten oder bei der Arbeit. Freed kommentierte seine Bilder: manchmal skeptisch, manchmal erstaunt, manchmal neutral beschreibend. Auf einem Ausstellungs-Plakat am Museum Folkwang prangt ein Satz von Freed in großen Buchstaben. Er ist der letzte in dem Vorwort zu seinem Buch "Made in Germany":
"In fünfundzwanzig Jahren wird Frankreich immer noch Frankreich sein, England wird England bleiben, und welche Veränderungen können wir in Italien schon erwarten … aber Deutschland, was wird aus Deutschland in den nächsten fünfundzwanzig Jahren?"
In seinen Fotografien suchte Leonard Freed Antworten auf diese Frage. Eine Frage, die ihn zeitlebens nicht losließ. Bis zu seinem Tod im Jahr 2006 ist Leonard Freed noch oft nach Deutschland zurück gekehrt.