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Wie Malis Militärherrschaft die Demokratie aushöhlt

Martina Schwikowski
18. Mai 2025

Malis Militärjunta hat alle politischen Parteien verboten, abweichende Meinungen zum Schweigen gebracht und Wahlen verschoben. Analysten sehen die demokratische Zukunft des Landes in Gefahr.

Mali Bamako 2025 | Demonstrationen pro und contra Regierungsjunta nach Aufhebung der Parteiencharta
Auch Demonstrationen für die Demokratie wie diese von Anfang Mai werden durch die jüngste Entscheidung erschwertBild: AFP

Es ist ein weiterer Schritt, mit dem Mali den demokratischen Raum einschränkt: Am Dienstag hat die Militärregierung alle politischen Parteien und Organisationen verboten. Zuvor waren in den Straßen der Hauptstadt Bamako wiederholt pro-demokratische Aktivisten entführt worden.

Das Dekret, das von Malis Übergangspräsident Assimi Goita unterzeichnet wurde, ordnet die Auflösung aller "Vereinigungen mit politischem Charakter" an - mit dem Verweis auf "Gründe der öffentlichen Ordnung", wie malische Staatsmedien berichteten.

Wenige Tage vor dem Verbot hatten Demonstranten bei einer Kundgebung Mehrparteienwahlen gefordert. "Es ist Mitgliedern aufgelöster politischer Parteien und politischer Organisationen verboten, Versammlungen abzuhalten", heißt es jetzt in dem Dekret.

Historischer Rückschlag für die Demokratie

"Die Ereignisse in Mali in den letzten Tagen sind ein dramatischer Rückschlag für die Demokratie", sagt Paul Melly, Analyst bei der Londoner Denkfabrik für internationale Angelegenheiten Chatham House.

Mali sei ein Land, "das aufgrund der Proteste und des demokratischen Umsturzes Anfang der 1990er Jahre eine enorme Bedeutung hat", sagt Melly im DW-Gespräch. Hier gebe es "eine lange, stolze Geschichte gewählter Regierungen" - auch wenn diese manchmal durch Militärputsche unterbrochen worden sei.

Im Anzug bisweilen weniger entspannt als in Militäruniform: Assimo Goita beim China-Afrika-Forum im September 2024 in PekingBild: Li He/Xinhua/picture alliance

"Aber im Moment sind normale Demokratie, Wahlen und freie Meinungsäußerung eindeutig abgeschaltet", sagt der Analyst. Melly merkt an, dass es noch zu früh sei, um zu sagen, "ob es sich nur um  eine kurze Phase handelt oder ob politischer Druck von innen oder größere Ereignisse auf längere Sicht eine Veränderung bewirken werden".

"Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Malier es langfristig akzeptieren werden, dass demokratische Meinungsäußerung vollständig unterbunden wird."

Für den malischen Anwalt Toumany Oumar Diallo lässt die Auflösung politischer Parteien in Mali keinen Raum für rechtliche Unklarheiten. Ohne einen neuen Rechtsrahmen werde jede Form organisierter politischer Meinungsäußerung de facto illegal, sagt er der DW.

Wahlen verschoben, Demonstranten verschwinden

Mali steht seit zwei Putschen in den Jahren 2020 und 2021, die Goita anführte, unter Militärherrschaft. Goita versicherte zunächst, dass Wahlen abgehalten würden, eine für Februar 2024 geplante Abstimmung wurde jedoch "aus technischen Gründen" verschoben.

Seither wurde kein neuer Zeitplan bekanntgegeben. Im April empfahlen die Minister der Übergangsregierung, Goitas Präsidentschaft um fünf Jahre bis 2030 zu verlängern.

Viele Malier hatten angekündigt, wieder auf die Straße  zu gehen, wenn das Regime auf unbestimmte Zeit an der Macht bleibt. Mehrere pro-demokratische Aktivisten sind seitdem verschwunden, was Befürchtungen vor einer breiteren Unterdrückung abweichender Meinungen auslöste.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte letzte Woche, dass zwei Oppositionsführer verschwunden seien. Beide hatten an den Protesten am 3. Mai teilgenommen. Human Rights Watch schließt einen gewaltsamen Hintergrund des Verschwindens nicht aus.

Gebrochene Versprechen und schwindendes Vertrauen in Malis Wandel

Als Goita im Jahr 2020 die Macht ergriff, brachen Menschen in dem westafrikanischen Land in Jubel aus und äußerten Hoffnung auf mehr Stabilität in dem Land, das von bewaffneten Milizen, dschihadistischen Anschlägen und einer tiefen Wirtschaftskrise erschüttert  ist.

"30 Jahre ohne Machtwechsel" fordert dieser Demonstrant: Auch die Junta hat zahlreiche UnterstützerBild: AFP

Fast fünf Jahre später hat sich die Sicherheitslage jedoch kaum verbessert: In Gebieten außerhalb von Bamako kommt es  regelmäßig zu Gewalt und Morden.

"Die Entscheidung der malischen Regierung, die Parteien aufzulösen, ist sicherlich ein Rückschritt und eine Enttäuschung für die Menschen, die in diesem Jahr Wahlen erwartet haben", sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die der CDU nahesteht.

"Ich hoffe, dass dies nicht das Ende der Demokratie in den Sahel-Ländern ist", sagt Laessing. "Es wird eine Zeit für Wahlen geben, aber leider hat die Demokratie in diesen Ländern einen schlechten Ruf, weil in der Vergangenheit korrupte und inkompetente Politiker gewählt wurden. Deshalb sind Wahlen kurzfristig unwahrscheinlich."

Malis Jugend verteidigt die Verfassung

Oppositionsführer haben erklärt, dass sie den Kampf für die Demokratie in der ehemaligen französischen Kolonie nicht aufgeben wollen. Auch das Jugendkollektiv für den Respekt der Verfassung (CJRC), eine Bewegung, die sich für eine demokratische Regierungsführung in Mali einsetzt, halt an seinem Widerstand fest.

Aissata Ly, Mitglied des Kollektivs und politische Aktivistin, zeigt sich gegenüber der DW entschlossen, die demokratischen Prinzipien in  Mali wiederherzustellen.

Verfassungsreferendum in Mali – Übergang zur Demokratie?

02:48

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"Mali ist eindeutig ein Rechtsstaat", sagt sie und verweist auf Verfassungsänderungen, die 2023 in einem Referendum angenommen wurden. Für Ly ist klar, dass die Menschen allen Risiken zum Trotz zu ihren demokratischen Entscheidungen stehen müssten.

"Es drohen Repressionen", sagt sie der DW. "Wir erhalten jeden Tag viele Drohungen und Druck, vor allem in sozialen Netzwerken, durch private Nachrichten und auf unseren Handys."

Dennoch bleibt die Aktivistin optimistisch: "Das ist ein Kampf, den wir auf lange Sicht nur gewinnen können. Wir stehen auf der Seite der Wahrheit, auf der Seite des Gesetzes."

Mitarbeit: Mahamadou Kane (Bamako)

Aus dem Englischen adaptiert von Philipp Sandner