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Wie Musik-Festivals nachhaltiger werden können

Tim Schauenberg
26. Juli 2023

Erst der Spaß, dann die Müllwüste. Festivals brauchen viele Ressourcen und die Ökobilanz ist oft schlecht. Gleichzeitig sind sie Experimentierfeld für eine nachhaltigere Zukunft, etwa mit E-Transport oder Kompostklos.

Menschen stehen in Wolken aus Farbpulver
Bild: Max Patzig/Geisler-Fotopress/picture alliance

Endlich Sommer, endlich raus, ab aufs Festival, Freiheit, Spaß und gute Musik. Nach tagelangem Feiern zeigt sich dann oft ein ernüchterndes Bild: Müllberge und zahllose zerrissene Zelte. Die Hinterlassenschaften von hunderttausenden Besuchern wie kürzlich nach dem englischen Glastonbury Festival lassen erahnen, welchen Preis die Umwelt und letztendlich der Mensch für den Spaß zahlt.

Die weltweite Datenlage zum Thema Nachhaltigkeit auf Festivals ist dünn, trotzdem lässt sich "eine systemische Schieflage im Brennglas beobachten", findet Jacob Bilabel, Gründer der Green Music Initiative, ein Think-Tank zur Förderung nachhaltiger Musikveranstaltungen aus Berlin. Gleichzeitig kann ein Festival aber auch ein Experimentierfeld für nachhaltige Lösungen sein, ein "Zirkeltraining für Nachhaltigkeit", sagt Bilabel. Er warnt davor, mit dem Finger auf Festivalbesucher zu zeigen.

Der Kater nach der großen Party: Viele Tonnen Müll, kaputte Zelte und noch mehr CO2 Bild: Yui Mok/PA via APpicture alliance

So viel Müll wie eine Kleinstadt 

Denn die Herausforderungen für mehr Nachhaltigkeit sind bei Musik-Festivals im Prinzip dieselben wie für die gesamte Gesellschaft, nur im kleineren Maßstab: Energieversorgung, Verbrauch von Ressourcen, Fragen der Mobilität und Kreislaufwirtschaft.

Eine Studie zum ökologischen Fußabdruck von Festivals im Vereinigten Königreich zeigte, dass dort bei drei Millionen Festivalgängern im Jahr etwa fünf Millionen Liter Diesel verbraucht werden. 

Die Ökobilanz der Teilnehmer nach einem langen Wochenende liegt inklusive Transport bei 100.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid. Das entspricht der Menge klimaschädlicher Emissionen, die ein kleines Dorf im ganzen Jahr verursacht.  

In Frankreich gehen jährlich doppelt so viele Besucher zu Musikfestivals, in den USA mit über 60 Millionen mehr als zehnmal mehr.

Die 80.000 Besucher eines Festivals hinterlassen an einem Wochenende etwa so viel Müll, wie eine 80.000-Einwohner-Stadt pro Jahr verursacht.

Zeltstädte wie hier für zehntausende Festival-Besucher sind wie ein Dorf auf Zeit - und verbrauchen sehr viele Ressourcen.Bild: Hauke-Christian Dittrich/dpa/picture alliance

Zelte mieten und länger nutzen 

Müll heißt nicht nur Verpackungen, Einweggeschirr, Werbematerial und Dekoration, sondern auch Campingausrüstung. Im Vereinigten Königreich werden bei Musikfestivals etwa 250.000 kaputte Zelte zurückgelassen, die meisten davon landen auf der Mülldeponie.

Ein durchschnittliches Zelt wiegt 3,5 kg und besteht größtenteils aus Plastik – das entspricht 8.750 Strohhalmen oder 250 Bierbechern.

Gerade Billigzelte halten nicht besonders lang. Darum hilft es, gleich auf ein robusteres Zelt zu setzen, dass mehr als ein wildes Partywochenende überlebt, und nicht danach weggeworfen wird.

Einige Veranstalter bieten Sammelpunkte für Zelte nach der Veranstaltung an. Das Team säubert noch brauchbaren Zelte, repariert kleine Schäden und vermietet sie im nächsten Jahr. Eine andere Möglichkeit ist, dass Veranstalter eigene Zeltdörfer anbieten und Zelte vermieten, die dann auch fürs nächste Festival wieder aufgebaut werden können.

Ein Recycling-Stand beim Stagecoach Country Music Festival belohnt Besucher, wenn sie Müll aufsammeln und abgeben.Bild: Jonathan Horwitz /The Desert Sun/USA Today Network/IMAGO

Elektro-Rave mit Ökostrom, Pfandsystem und nachhaltigem Essen

"Ein Festival ist Gesellschaft, eine Kleinstadt unter Druck, und im selben Moment passiert beim Festival viel mehr, und viel Schlaueres, als das, was wir auf gesellschaftlicher Ebene eigentlich schon haben," so Bilabel.

Das DGTL-Festival für elektronische Musik aus den Niederlanden zum Beispiel hat das Ziel, das erste Kreislauf-Festival der Welt zu werden. Der Strom für die Veranstaltung für rund die 40.000 Besucher aus Wind- und Sonnenenergie und Biogas. Fleisch wurde durch pflanzenbasierte Alternativen ersetzt. Wasser aus den Toiletten und Duschen wird aufbereitet und wiederverwendet. Müll wird strickt getrennt, ein Pfandsystem für Bierbecher vermeidet unnötigen Müll. Das DGTL ist eine globale Festivalreihe mit vielen Stationen zwischen Santiago de Chile, Mumbai und Sao Paolo. 

Mini-Solarpark direkt auf der Partywiese: Eine Chance, Kosten zu sparen und Energie zu erzeugen.Bild: Chris Emil Janflen/imago

Dünger statt Chemie-Müll dank Kompostklos fürs Festival

Das kleinere "Terraform-Festival" mit über 2.000 Besuchern in der Nähe von Mailand stattet seine Mitarbeiter mit elektrischen Fahrzeugen aus, damit wurden rund 250 Liter Benzin und Diesel gespart. Die Veranstalter bauen ihre Bühnen hauptsächlich aus dem Holz von Bäumen, die bei einem Sturm in der Region entwurzelt wurden und unterstützen so auch die lokalen Gemeinden.

Den Holz-Verschnitt nutzt man für den Bau von Toiletten, Bars und anderen Gebäuden. Alle Produkte, die für das Festival angeliefert werden, müssen plastikfrei sein.

Komposttoiletten können derweil den Verbrauch von Chemikalien und Wasser erheblich minimieren. Das Forschungsprojekt ZirkulierBar untersucht, wie sich die Fäkalien aus Komposttoiletten unter anderem von Festivals in Deutschland zu Dünger verarbeiten lassen und hat bereits erste Erfolge vorzuweisen. Auch gewöhnliche chemische Aufstell-Klos können nachhaltig sein, wenn der Transportweg minimiert und die Abfälle später in Vergärungsanlagen zur Energiegewinnung genutzt werden.

Hotelzüge und Partybusse sparen Ressourcen

Auch für Besucher fängt alles mit der Vorbereitung anfängt. Statt per PKW sollten sie möglichst  den Zug und den öffentlichen Nahverkehr anreisen. Und wenn etwa große Open-Air-Festivals fernab größerer Städte schwer zu erreichen sind, können Fahrgemeinschaften und Mitfahrgelegenheiten die Anreise umweltfreundlicher machen.

Einige Festivals bieten auch Partyzüge und Busse an, um Gäste aus den Metropolen direkt zum Festivalort bringen.

Zum Melt-Festival an einer ehemaligen Braunkohlegrube in Ostdeutschland etwa konnten Besucher bequem mit dem Hotelzug von Köln oder München anreisen. Und während des Festivals konnten die Gäste ganz in der Nähe des Veranstaltungsgeländes im Zug übernachten. Zelte und Luftmatratzen wurden gestellt. Allein diese Maßnahme hat laut der Green Music Initiative aus Berlin 20 Tonnen CO2 eingespart. Parallel dazu haben die Veranstalter auch eine mehrtätige Fahrradreise von Hamburg und Berlin aus organisiert.

Gute Vibes und tolle Party-Erinnerungen suchen Besucher wie hier beim Wacken Heavy Metal FestivalBild: Daniel Reinhardt/dpa/picture alliance

Mehr politische Unterstützung für nachhaltige Festivals gefordert

Festivals werden meistens von privatwirtschaftlichen Veranstaltern oder Gruppen organisiert. Bisher hängt es vor allem von der Motivation der Organisatoren ab, wie umweltschonend gefeiert wird. Bilabel sieht deshalb auch die Politik in der Verantwortung und fordert klare Regelungen.

Und er fordert, dass Organisatoren, die umweltschonende Ansätze ausprobieren, langfristig mehr Unterstützung bekommen, als Veranstalter, die nichts tun. "Die, die es freiwillig machen, werden eigentlich bestraft, die haben mehr Aufwand, die haben mehr Kosten, und die, die es nicht machen, sind eigentlich bessergestellt. Das finde ich schwierig," so Bilabel.

Orientierung für Festivalgänger können  bereits bestehende nachhaltige Zertifizierungen bieten. Der Verein "Sounds of Nature” etwa hat einen Leitfaden erstellt, wie Festivals nachhaltiger werden können und vergibt ein Gütesiegel nach Prüfung verschiedener Kriterien. Auch die Nichtregierungsorganisation "A Greener Future" vergibt entsprechende Zertifikate. Die NGOs analysiert die Ökobilanz von Veranstaltungen, bietet Beratungen zur Reduzierung des CO2-Abdrucks und des Ressourcenverbrauchs an und gibt Tips, wie Schäden für die lokale Tier-und Pflanzenwelt vermieden werden können.

Kreativ gegen Wasserknappheit

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