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Digitale Zukunft

Helle Jeppesen18. Mai 2016

Globalisierung ist heute digital. Vieles macht das Leben leichter und sorgt auch in ärmeren Ländern für einen Entwicklungsschub. Doch die versteckten Kosten sind hoch.

M-Pesa Telefondisplay
Bild: DW

Wenn Mercy Chege von Kenias Hauptstadt Nairobi aus Geld an ihre Oma auf dem Land überweist, tut sie das mit ihrem Handy. In sekundenschnelle ist das Geld da. Die Überweisung ist preiswert und erspart eine mühsame und lange Busfahrt übers Land. M-Pesa heißt dieses System zur mobilen Abwicklung von Geldtransfers. In Kenia längst etabliert wurde es mittlerweile auch in anderen Ländern eingeführt. Wer sich kein Bankkonto leisten kann, hat mit M-Pesa dennoch die Möglichkeit, ohne Bargeld Geschäfte und Überweisungen zu tätigen.

Deepak Mishra, leitender Wirtschaftswissenschaftler bei der Weltbank, hebt das Beispiel M-Pesa als Erfolgsgeschichte hervor. Er ist Hauptautor der diesjährigen Weltbank-Studie für globale Entwicklung, in der es um den Nutzen der Digitalisierung geht. Im DW-Interview nennt er auch den Onlinehändler Alibaba, der in China rund 423 Millionen aktive Käufer hat. Ein Drittel der Anbieter seien Frauen und 60 Prozent der Onlineverkäufer kleine und mittelständische Unternehmen. Sie profitierten über Alibaba direkt von der Digitalisierung, so Mishra.

Gleichzeitig erreichen die Vorteile der Digitalisierung bei weitem nicht genug Menschen, so der Weltbankbericht. "Manche dachten, es reicht, den ärmsten Menschen mit Smartphones auszustatten, dann werden sich Veränderungen und Entwicklung praktisch von alleine einstellen und damit auch bessere Einkommensmöglichkeiten", sagt Mishra. "Doch das wird nicht passieren, solange die Ärmsten nicht die notwendige Kenntnisse haben."

Hohe Umweltkosten

Mercy Chege's Großmutter auf dem Land in Kenia profitiert heute zumindest schon im kleinen Maßstab von der Digitalisierung. Doch auch wenn die Überweisung von der Enkelin an sich nur ein paar Cent kostet, so sind die versteckten Kosten in der Herstellung und im Betrieb der genutzten Geräte sehr viel höher.

Ein Handy wiegt rund 80 Gramm, es verbraucht aber in der Herstellung und im späteren Lebenszyklus etwa 44 Kilogramm an Ressourcen. In einem Handy stecken allein bis zu 60 unterschiedliche Stoffe, davon über 30 Metalle, viele der Rohstoffe werden unter ausbeuterischen und lebensgefährlichen Bedingungen abgebaut. Die Arbeitsbedingungen bei der Fertigung sind oft verheerend.

Und wie steht es später mit der Wiederverwertbarkeit der Rohstoffe? Allzu oft landet Elektroschrott aus Europa oder den USA in Afrika oder Asien, weil es billiger ist, ihn zu verschiffen als fachgerecht recyceln oder entsorgen zu lassen.

Elektroschrott wird Giftmüll, wenn er nicht fachgerecht entsorgt wirdBild: Kai Löffelbein/laif

Schmutzige Daten

PCs, Laptops und mobile Geräte werden zwar immer effizienter im Energieverbrauch. Doch weil immer mehr Funktionen übers Internet und damit über große Datenzentren ausgeführt werden, steigt der gesamte Strombedarf mit zunehmender Digitalisierung – trotz aller Effizienzbestrebungen.

"Wenn das Internet ein Land wäre, wäre es der fünftgrößte Stromverbraucher der Welt", sagt der Klima- und Energieexperte Tom Dowdall von Greenpeace International. Er ist einer der Autoren der Greenpeace-Studie "How dirty is your data?" – "Wie schmutzig sind deine Daten?"

Andererseits sieht Dowdall viele Möglichkeiten durch neue digitale Technologien Strom und Ressourcen einzusparen. Videokonferenzen ersetzen zum Beispiel Reisen. Neue Technologien können zur Energieeinsparung in Unternehmen und Haushalten beitragen, Online-Büros die täglichen Fahrten zur Arbeit ersetzen. Doch, so Dowdall, um die globale Digitalisierung nachhaltig zu machen, müsse sie generell zu mehr Energieeffizienz führen. Und vor allem müssen die großen Data-Unternehmen auf erneuerbare Energiequellen umsatteln. Manche davon haben damit schon angefangen.

"Letztlich muss das Internet komplett mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das würde den nachhaltigen Internetzugang für Milliarden von Menschen ermöglichen und noch dazu die gesamte Kapazität der erneuerbaren Energien weltweit maßgeblich verbessern."

In den vergangenen drei Jahren habe sich da schon viel getan, sagt Dowdall. "Jetzt sagen Unternehmen wie Facebook, Google und Apple, dass sie 100 Prozent erneuerbare Energien mit Blick auf ihren wachsenden Energiebedarf fürs Internet anstreben."

Neue Nachhaltigkeit gefordert

Was sicherlich nicht nachhaltig sei, so Dowdall, ist das aktuelle Business-Modell der Elektronikbranche, bei dem Smartphones, Tablets, PCs und Laptops nach kurzer Lebenszeit durch neue Geräte ersetzt werden sollten.

Die Elektronikindustrie produziert kurzlebige ProdukteBild: picture-alliance/dpa

"Wir brauchen grundsätzlich eine nachhaltige Kreiswirtschaft für Elektronik, wo die Produkte vergleichsweise langlebig sind, wiederverwendet werden können, sich reparieren lassen und sich später gut in recycelbare Teile zerlegen lassen. Damit könnte man die Lebensdauer eines Gerätes auf drei, vier, fünf oder sogar sechs Jahre erhöhen."

Dazu müssten auch die Konsumenten umdenken: In den reichen Ländern weg vom schicken Accessoire Smartphone oder Tablett, hin zu Funktion und Langlebigkeit. In den ärmeren Ländern müssten viel mehr Menschen an der Digitalisierung teilhaben können.

Dann könne die Digitalisierung auch einen wesentlichen Beitrag zu nachhaltigerem Wirtschaften und einer gerechteren globalen Verteilung sein, meint Tilman Altenburg, Leiter der Abteilung "Nachhaltige Wirtschafts- und Sozialentwicklung" beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, DIE.

"Wichtig ist, dass wir ein Zielsystem haben, indem wir sagen: Die Ressourcen sind endlich, wir wollen uns bestimmte gesellschaftliche Ziele setzen, wir wollen mehr Inklusion, bessere Verteilungsgerechtigkeit und dass wir diese Technologien dafür nutzen, diese Ziele zu erreichen", so Altenburg.

Das würde vor allem in den reichen Ländern eine Neudefinition von Lebensqualität und den Umgang mit der Digitalisierung erfordern – nicht nur in der Politik sondern auch auf der ganz persönlichen Ebene.

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