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Wie nachhaltig reisen Bundesliga-Klubs?

Jonathan Harding
29. September 2022

Mehrere tausend Kilometer legt jeder Bundesligisten pro Saison zurück, um zu Auswärtsspielen zu gelangen. Neben den Mannschaftsbussen nutzen die Klubs auch Zug und Flugzeug. Doch in welchem Verhältnis?

Spieler des Bundesligisten RB Leipzig steigen in ein Flugzeug, um ins Trainingslager nach Österreich zu fliegen
Spieler des Bundesligisten RB Leipzig steigen in ein Flugzeug, um ins Trainingslager nach Österreich zu fliegenBild: imago

"Wir haben überlegt, ob wir nicht auch mit einem Strandsegler reisen könnten", lautete vor wenigen Wochen die süffisante Antwort von Trainer Christophe Galtier. Ein Journalist hatte gefragt, warum der zehnmalige französische Meister Paris St. Germain mit dem Flugzeug zum Auswärtsspiel in Nantes gereist sei. PSG-Starstürmer Kylian Mbappé, der bei der Pressekonferenz mit auf dem Podium saß, konnte über den Scherz lachen, die Öffentlichkeit fand es jedoch weniger lustig.   

Der Flug nach Nantes - über Straßen rund 380 Kilometer von Paris entfernt und mit dem Schnellzug in etwas mehr als zwei Stunden aus der französischen Hauptstadt zu erreichen - und die arrogant wirkende Reaktion Galtiers rückten das Thema nachhaltiges Reisen im europäischen Top-Fußball nicht zum ersten Mal in den Fokus. Im Nachhinein bedauerte der PSG-Trainer seinen flapsigen Ausspruch. Man sei sich der Verantwortung für das Klima bewusst, sagte Galtier nach dem Champions-League-Spiel gegen Juventus Turin im französischen Sender "Canal + Foot".  

Vorreiter Bundesliga?

Die Wogen, die seine Aussagen nach sich zogen, sind längst geglättet. Doch das Kernthema bleibt akut: Wie nachhaltig und ressourcenschonend wirtschaftet und reist der Profifußball in Europa? Die Bundesliga gilt seit Längerem international als Vorreiter in Sachen Innovation und Klimaschutz. Solarpanels auf Stadiondächern, LED-Beleuchtungssysteme oder autarke Wasserversorgung: Klimaneutrale Stadien sind in Deutschlands Eliteliga - zumindest auf dem Papier - bereits Realität. Der FSV Mainz 05 beispielsweise bezeichnet sich seit dem Jahr 2010 als "erster klimaneutraler Verein der Bundesliga". 

Doch auch die Fanmassen, die jedes Wochenende in die Stadien strömen und dafür teils mehrere hundert Kilometer zurücklegen, hinterlassen einen erheblichen ökologischen Fußabdruck. Laut einer Studie der Klima-Beratungsagentur "CO2OL" im Auftrag des Deutschlandfunks aus dem Jahr 2020 verursachen Fußballfans pro Spieltag rund 7.800 Tonnen CO2-Emissionen. 

Bus, Zug oder Flugzeug?

Wie halten es die Bundesliga-Teams selbst mit ihren Reisen zu Auswärtsspielen? Die DW hat alle 18 Erstliga-Klubs dazu befragt. Sieben Vereine antworteten nicht, drei gaben an, sich aus Datenschutzgründen und/oder noch nicht terminierten Anstoßzeiten und entsprechend unklarer Reiseplanung nicht zu dem Thema äußern zu können. 

Die übrigen acht Klubs machten Angaben. So teilte Borussia Dortmund mit, dass man zu mehr als der Hälfte der Auswärtsspiele in dieser Saison mit dem Bus anreisen werde. Schalke 04 gab an, für drei der bislang vier absolvierten Auswärtsspiele den Bus und einmal das Flugzeug genutzt zu haben.

Werder Bremen reiste in der vergangenen Saison, die der Klub noch in der 2. Bundesliga bestritt, zu zehn der 17 Auswärtsspiele mit dem Bus an. Zweimal nutzte das Team den Zug, fünfmal das Flugzeug. Bei drei der fünf Flüge, so Werder, habe es sich um Linienflüge gehandelt. 

Der VfL Bochum und Eintracht Frankfurt ließen wissen, "nur in Ausnahmefällen" zu fliegen. Frankfurt nennt hier als Beispiel die Auswärtsspiele der vergangenen Saison in München oder Berlin, die wenige Tage nach Europa-League-Spielen der Eintracht ausgetragen wurden. Insgesamt reiste der Europa-League-Gewinner in der Bundesliga-Saison 2021/22 nach eigenen Angaben elfmal mit dem Bus über eine Gesamtdistanz von 2364 Kilometern, dreimal per Flugzeug (1461 Kilometer) und dreimal mit dem Zug (805 Kilometer). Dabei erfassten die Kilometerangaben nur die einfache Strecke, nicht Hin- und Rückreise. 

Zugreisen wegen Pandemie ungeeignet

Mainz 05 griff in der abgelaufenen Saison bei elf Auswärtsspielen auf den Mannschaftsbus zurück, zu sechs Spielen flog das Team. Der Klub teilte mit, nur bei Auswärtsspielen mit einer Distanz von mindestens 400 Kilometern zum Zielort mit dem Flugzeug zu reisen und dabei nach Möglichkeit auf Linienflüge zurückzugreifen. Der 1. FC Köln gab an, Auswärtsreisen von bis zur vier Stunden Fahrzeit grundsätzlich mit dem Bus zu absolvieren.

Der SC Freiburg teilte mit, zu Auswärtsspielen im Süden und Südwesten Deutschlands  "üblicherweise" mit dem Bus zu fahren. Vor der Corona-Pandemie seien Spielorte im Westen grundsätzlich mit dem Zug und weiter entfernte Spielorte wie Berlin oder Bremen per Flugzeug bereist worden. Freiburg und andere Klubs wiesen daraufhin, dass Bahnreisen aufgrund der Pandemie und der in der Bundesliga geltenden Hygiene-Konzepte aktuell ungeeignet für die Anreise zu Auswärtsspielen seien. 

LED-Beleuchtung im Mainzer Stadion: Der Klub gibt an, seit 2010 erster klimaneutraler Bundesligist zu seinBild: M. Deines/Promediafoto/picture alliance

Mindestens siebenmal mehr Emissionen  

Verkehrsforscher Giulio Mattioli von der Technischen Universität Dortmund sieht ein generelles Problem weltweit darin, dass Fliegen insbesondere in privilegierten Kreisen wie dem Profifußball als Anspruch empfunden wird. "Mein Eindruck ist, dass sich Flugreisen im Leben von Profifußballern als Standard etabliert haben", sagte Mattioli der DW. "Vielleicht ist das der gefährlichste Aspekt: Menschen in bestimmten Positionen nehmen es als selbstverständlich hin - und das erzeugt diesen Gewöhnungseffekt."

Nach Berechnungen Mattiolis und seiner Kollegen verursachte der viel diskutierte 42-Minuten-Flug von PSG am 3. September von Paris nach Nantes mindestens siebenmal höhere Emissionen, als es eine Busreise getan hätte. 

Mattioli sieht auch die Politik in der Verantwortung, den Flugverkehr zu reduzieren. "Durch die Regulierung von Inlands- und Privatflügen könnte mehr getan werden, auch ein Moratorium für den Flughafenausbau wäre gut", sagte der Wissenschaftler. "Wenn man das Angebot einschränkt, müssen die Nachfragenden einen Weg finden, sich anzupassen." Das würde dann auch für den Profifußball gelten. 

Aus dem Englischen adaptiert von David Vorholt.

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