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Afrikas Kampf gegen Heuschrecken - und Corona

Kira Schacht
11. Mai 2020

Ostafrika kämpft noch immer gegen die schlimmsten Heuschreckenplage seit Jahrzehnten. Inmitten der Corona-Krise versuchen Länder, eine neue Generation von Schwärmen aufzuhalten - sonst ist die Erntesaison in Gefahr.

Ein Äthiopisches Mädchen versucht gegen die Heuschrecken anzukommen
Gegen Schwärme mit vielen Millionen Heuschrecken sind einzelne Menschen machtlosBild: Reuters/G. Paravicini

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Seit Ende 2019 versuchen Länder in Ostafrika verzweifelt, eine massive Invasion von Wüstenheuschrecken unter Kontrolle zu bringen. Der lange Regen, der typischerweise von März bis Mai in Ostafrika fällt, bietet fruchtbaren Nährboden für eine weitere Generation von Schwärmen - und bedroht damit Ernten und Lebensgrundlagen von neuem.

Es wäre ein zusätzlicher Schlag für die Ernährungssicherheit in ostafrikanischen Ländern, wo die Maßnahmen gegen das Coronavirus bereits wirtschaftlichen Schaden verursachen. In Ostafrika bedeckten Schwärme von Wüstenheuschrecken allein im April mehr als 2.000 Quadratkilometer - das entspricht etwa der Fläche des Tana-Sees in Äthiopien.

Schwärme dieser Größe bestehen aus Milliarden von Insekten, die alles Grüne auf ihrem Weg verschlingen. Jeden Tag können sie mehr Nahrung zu sich nehmen als die Bevölkerung Kenias und Somalias zusammen.

Äthiopien und Kenia sind derzeit am stärksten von der Heuschreckenplage betroffen.

Für die kommenden Monate werden neue Wellen von Heuschrecken in Kenia, Süd-Äthiopien und Somalia vorhergesagt. Saisonale Regenfälle schaffen günstige Bedingungen für die Insekten.

"Die nächste Generation von Schwärmen wird gegen Ende Juni, Anfang Juli da sein", sagt Keith Cressman, der bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) für die Vorhersage von Heuschrecken-Schwärmen zuständig ist. Das würde mit dem Beginn der Ernte zusammenfallen und wäre daher besonders besorgniserregend.

Ernten vernichtet

Wüstenheuschrecken fressen auf riesigen Flächen fast die gesamte grüne Vegetation von Gräsern und Bäumen ab, hinterlassen verwüstete Felder und Weideland und gefährden damit die Lebensgrundlage von Landwirten und Viehzüchtern - und letztlich die Ernährung der Bevölkerung, für die sie Nahrung produzieren. Fachmenschen bei den den UN und privaten Organisationen schätzen, dass im Jahr 2020 mehr als 25 Millionen Menschen in Ostafrika von Lebensmittelunsicherheit betroffen sein werden, wobei der Heuschreckenbefall die Situation noch verschärft.

Einige Bauern haben bereits 90 Prozent ihrer Ernte in der ersten Heuschreckenwelle 2019 verloren, sagt Yimer Seid vom Landwirtschaftsministerium in der äthiopischen Zone South Wollo. "Ich habe Familien besucht, die keine Nahrungsmittel im Haus haben. Sie haben ihre Tiere verkauft."

Perfekte Bedingungen für Wüstenheuschrecken

Eine katastrophale Verkettung von Umständen ist für die aktuelle Plage verantwortlich. Im Jahr 2018 luden zwei Zyklone hintereinander Regen in der riesigen Sandwüste der südlichen arabischen Halbinsel ab, die als Leeres Viertel bekannt ist. Der feuchte Sand und die sprießende Vegetation boten günstige Bedingungen für das Gedeihen der Heuschrecken.

Einzelne Wüstenheuschrecken sind normalerweise harmlos. Wenn sie jedoch dicht genug zusammengedrängt sind, ändern die Insekten jedoch ihr Verhalten und sogar ihr Aussehen und bilden große Gruppen, die alles auf ihrem Weg verschlingen. Gruppen junger, flügelloser Heuschrecken bilden sogenannte Bänder, die schließlich zu schnell fliegenden Schwärmen heranreifen.

Im Leeren Viertel vermehrten sich die Insekten drei Generationen lang unbemerkt und erhöhten ihre ursprüngliche Zahl um das 8.000-fache, bevor die Schwärme die Arabische Halbinsel hinauf in den Jemen wanderten.

Heuschrecken sind im Jemen weit verbreitet, aber der anhaltende Bürgerkrieg macht Kontrolle und Bekämpfung der Insekten praktisch unmöglich.

Vom Jemen aus zogen die Schwärme 2019 nach Norden in den Iran und von dort aus nach Pakistan und Indien.

Der Wind trug die Heuschrecken auch Richtung Süden über das Rote Meer in den Nordosten und Süden Äthiopiens, in den Süden Eritreas und nach Somalia. Dort fiel im Sommer 2019 wiederum überdurchschnittlich viel Regen - die Heuschrecken vermehrten sich erneut.

Anhaltende Heuschreckenkrise

Darauf reagierte die FAO, indem sie einen Notfall ausrief und Mittel freigab, um Ausrüstung und Überwachungsbemühungen zu erweitern. "Wir haben begonnen, alles durchzuwinken, weil wir wussten, dass die Situation sehr schnell außer Kontrolle geraten würde", sagt Cressman von der FAO.

Doch obwohl die FAO und andere Organisationen alles daran setzten, die Ausbreitung der Heuschrecken einzudämmen, war deren schiere Masse bereits kaum noch zu kontrollieren. Im Dezember 2019 fielen die Insekten in Kenia ein. Es wurde der schlimmste Ausbruch, den das Land seit 70 Jahren erlebt hat.

Die kurzen Regenfälle in Ostafrika, die normalerweise von Oktober bis Dezember fallen, dauerten zu allem Überfluss diesmal bis ins Jahr 2020 an, so dass auch dort eine erste Generation von Schwärmen heranwachsen und Eier legen konnte. Jetzt muss die Region eine neue Generation bekämpfen, bevor sie zu den flugfähigen Schwärmen heranwächst, die für Juni vorhergesagt sind.

Kampf gegen die Heuschrecken

Heuschreckenschwärme lassen sich am besten abwehren, bevor sie ausgewachsen sind. Regelmässige Kontrollen sind unerlässlich, da eine kleine Anzahl der Insekten noch relativ leicht bekämpft werden kann.

"Es ist nicht schwer, eine Heuschrecke zu töten. Man sprüht Pestizide auf die Heuschrecke und sie stirbt", erklärt Cressman. Normalerweise bedeutet das, dass Pestizide von Teams am Boden versprüht werden, verstärkt durch Flugzeuge oder Hubschrauber.

Das Problem der aktuellen Invasion sei jedoch ihr schieres Ausmaß: "Es ist wie bei einem Waldbrand. Wenn man ihn findet, wenn er noch ein kleines Lagerfeuer ist, löscht man es einfach. Wenn man es aber übersieht, dann wird es zu einem Waldbrand, und das Problem wird deutlich schwieriger und teurer zu bekämpfen."

Eine Frage der Zeit

Länder wie Kenia, die wenig Erfahrung mit Heuschrecken haben, haben einige Monate gebraucht, um Kontrollmaßnahmen in Gang zu bringen. Da sich Heuschrecken exponentiell vermehren, haben sie wertvolle Zeit verloren. "Bis die Leute sich erst einmal einigermaßen organisiert hatten, war das Problem schon 20 Mal größer", sagt Cressman.

Die Behörden in den betroffenen Ländern haben bereits Tausende Hektar Land mit Pestiziden besprüht. Aber solange die Regenfälle nicht enden, reicht das vielleicht nicht aus. Die Kontrollmaßnahmen geraten bereits ins Hintertreffen: Im April wurde nur ein Viertel der Fläche besprüht, die von Heuschrecken befallen ist. Und in den kommenden Monaten soll die Population um das 20- oder sogar 400-fache zunehmen.

Pestizide sind nicht das einzige, was Landwirten hilft, die Verwüstung zu überstehen. In der South-Wollo-Zone in Äthiopien arbeitete die lokale Gemeinschaft 2019 zusammen, um die Ernte einzubringen, bevor die Heuschrecken kamen. "Wir haben alle zusammen geerntet", sagt Yimer Seid. Auf einem großen Feld von etwa einem Hektar seien etwa 100 Menschen gewesen, alles Freiwillige aus der Region. Er hat auch weitere Beispiele gesehen, in denen Menschen Getreide und Lebensmittel miteinander teilten, damit Betroffene nicht hungern mussten.

Zwei Krisen auf einmal

Die Coronavirus-Pandemie erschwert solche Gemeinschaftsaktionen erheblich. Obwohl Äthiopien nicht strikt abgeriegelt ist, ist die Bewegungsfreiheit durch ein nationales Notstandsdekret eingeschränkt.

Normalerweise würden Landwirtschaftsbeamte in South Wollo die Heuschrecken auf den Feldern überwachen, erklärt Seid. Jetzt gäben die Bauern ihre Berichte online oder per Telefon durch, was es schwerer mache, die Lage einzuschätzen. Insgesamt aber gehen die Kontrollbemühungen und die Pestizid-Sprühaktionen in Äthiopien weiter. Die Heuschreckenbekämpfung gilt als essenzielle Arbeit.

Bevor Sonnenstrahlen sie wärmen, harren die Heuschrecken morgens schutzlos am Boden aus - ideal, um sie zu tötenBild: picture-alliance/AP Images/B. Curtis

Da jedoch neue Schwärme auf dem Weg sind, muss Äthiopien seine Maßnahmen dringend ausweiten, sagt Fatouma Seid von der FAO in Äthiopien. Dafür brauche es unter anderem "mehr Teams vor Ort, mehr Fahrzeuge für die Regierung und mehr Pestizide am Boden zusätzlich zur Luftkontrolle." Äthiopiens Vorrat an Pestiziden werde noch bis Juni ausreichen, sagt sie.

Das benachbarte Somalia verfügt derzeit über genügend Pestizide, um etwa 200.000 Hektar Land (2.000 Quadratkilometer) zu besprühen. Das werde die erste Kontrollphase bis Juli abdecken, sagt Alphonse Owuor, Pflanzenschutzbeauftragter der FAO Somalia.

Bei Bedarf stehe mehr Pestizid zur Verfügung, so Owuor: "Wir stehen seit Ende 2019 in ständigem Kontakt mit den Lieferanten. Sie kennen unseren Bedarf für den Rest des Jahres und stehen bereit für den Fall, dass wir dringend mehr Vorräte benötigen."

Vorhersage künftiger Invasionen ist schwierig

Afrikanische Länder sind heute deutlich besser gerüstet im Kampf gegen die Heuschrecken: In der Vergangenheit fegten Plagen regelmäßig über den Kontinent. In den 1950er Jahren zum Beispiel fraßen sich die Insekten 13 Jahre lang durch Länder in West- und Ostafrika bis nach Indien und Pakistan.

Doch in der jüngeren Vergangenheit waren die Wellen tendenziell kürzer und örtlich begrenzt - dank besserer Überwachung und Kontrolle. Äthiopien und Somalia zum Beispiel haben seit 25 Jahren keinen Ausbruch dieses Ausmaßes mehr erlebt.

Inzwischen ist es jedoch schwieriger geworden, Invasionen vorherzusagen. Der Klimawandel macht die Wettermuster zunehmend unberechenbar, die die Insektenpopulationen beeinflussen. Die Geschichte der Heuschrecke sei lang und höre nie auf, sagt Cressman. "Es geht immer darum, das aktuelle Kapitel dieser Geschichte zu verstehen."

 

Maria Gerth-Niculescu hat aus Äthiopien zur Berichterstattung beigetragen.

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