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Politik

Wie politisch ist TikTok?

Maximiliane Koschyk
6. Dezember 2019

Die chinesische Plattform zensiert kritische Inhalte und diskriminiert Minderheiten. Bei politischen Themen gilt: Entweder man arbeitet mit dem System - oder man umgeht es.

China App TikTok
Bild: picture-alliance/dpa/Da Qing

Ein bunter Sog aus Videos, 'OK, Boomer'-Witzen und Popmusik. Eine Plattform, die es geschafft hat, die größten Erfolgsfaktoren digitaler Anwendungen der letzten Jahre in einer Anwendung zu vereinen: das Daumenwischen von Tinder, den Zufallsfaktor von Chat-Roulette, die kreative Videoproduktion von Snapchat.

Oder: "Ein Zuhause für kreative Videos, die für authentische, inspirierende und lustige Erfahrungen sorgen." So zumindest beschreibt sich die Video-App TikTok auf ihrer Internetseite selbst.

Hoffen auf den schnellen Ruhm

Erfolg auf TikTok mit einem eigenen Video, dafür arbeiten manche Nutzer weltweit teils monatelang. Basteln Stoptrick-Montagen, perfektionieren Tanz-Choreographien, schreiben und inszenieren Sketche und publizieren sie dann mit dem Hashtag #ForYou oder auf Deutsch #FürDich in der Hoffnung, dass es der vermeintliche Zufallsgenerator Millionen anderen Nutzern in die Videoschleife spült und von ihnen geteilt wird.

Die Versuchung des schnellen Ruhms im Internet: Kein soziales Netzwerk ist im vergangenen Jahr dadurch so rasant gewachsen wie TikTok. Marktforscher SensorTower verkündete im November 2019, die App habe die Marke von 1,5 Milliarden Downloads geknackt. Nach Facebook Messenger und WhatsApp ist es damit die beliebteste Smartphone-Anwendung weltweit.

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Aber keine Plattform wird derzeit so kontrovers diskutiert wie TikTok. In den USA und dem Vereinigten Königreich ermitteln öffentliche Behörden, ob der TikTok-Inhaber, die chinesische Firma ByteDance, sensible Nutzerdaten weitergegeben haben soll. Dazu kommen jüngste Enthüllungen der deutschen Internetseite Netzpolitik.org, dass kritische Inhalte auf der Plattform mithilfe einer rigiden Moderations-Strategie unterdrückt werden und unter anderem Menschen mit sichtbaren Behinderungen aus der Videoschleife ferngehalten werden, enthüllte das Team von Netzpolitik. Um Mobbing vorzubeugen, argumentiert TikTok. 

Erfolg nur nach den Spielregeln TikToks?

Die Recherchen von Netzpolitik.org offenbarten ein rigides Zensursystem, dem nach Moderatoren an drei Standorten weltweit deutsche Inhalte in mehrere Kategorien unterteilen, von Empfehlenswert bis Unsichtbar schalten. "Grundsätzlich können Inhalte bei TikTok fast nur nach deren Spielregeln Erfolg haben", erklärt Chris Köver, die für Netzpolitik von einer anonymen Quelle Einblick in die Moderationsregeln von TikTok erhielt.

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Keine Plattform auf der deutsche Bauernproteste, die Masseninhaftierungen uigurischer Minderheiten in der Volksrepublik China, Gewalt gegen Frauen in Indien oder das Leben mit Behinderungen eine Rolle spielen dürften. Gerade diese Themen haben auf der Plattform aber jüngst große Reichweiten erzielt oder für Aufsehen gesorgt. Teils war das von TikTok gewollt, teils aber auch nicht.

Politische Inhalte haben auf TikTok dabei nur zwei Chancen auf Erfolg. Entweder sie kooperieren mit Tiktok oder sie umgehen das Moderationssystem - gewollt oder ungewollt. Die Vereinten Nationen entschieden sich jüngst für Kooperation und wurde auf TikTok mit 887,5 Millionen Klicks für die Kampagne zu Gewalt gegen Frauen belohnt.

Ein Make-up-Tutorial zu #ChinaCables

Als eine junge Amerikanerin allerdings in einem Video auf TikTok über die 'ChinaCables'-Enthüllungen zu chinesischen Internierungslager für Uiguren berichtete, sperrte TikTok die Nutzerin. Da war das Video bereits 1,5 Millionen mal gesehen worden. TikTok entschuldigte sich, äußerte sich aber nur verhalten zu seiner Zensurpolitik.

Harte politische Themen und deren Diskussionen bleiben dabei aber aus. Als Bauern aus ganz Deutschland auf ihren Traktoren in einer Protest-Kolonne vor das Brandenburger Tor in Berlin tuckerten, imponierten eher spektakuläre Videos der Demonstration den TikTok-Nutzern als die Forderungen der wütenden Landwirte an die Verantwortlichen der deutsche Agrarpolitik.

Stattdessen spiegelt die TikTok die Lebensrealität der meisten Nutzer wider. 41 Prozent von ihnen sind zwischen 16 und 24 Jahren alt und damit in vielen Ländern noch nicht wahlberechtigt. Zwischen dem Singen und Tanzen zu Popsongs dominieren Alltagsthemen wie Sexualität, Familie und Ausbildung, aber auch Klimawandel und LGBTQ-Rechte. Trotz der Zensurpolitik der Betreiber: Völlig unpolitisch sind die Nutzer von TikTok nicht.

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