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Wie Putin im Fernsehen regiert

Roman Goncharenko27. April 2013

Stundenlang stand der russische Präsident Bürgern Rede und Antwort. Wladimir Putin sprach in einer Livesendung über steigende Geburtenraten, seinen Kampf gegen Korruption und ließ sogar Seitenhiebe auf die Regierung zu.

Wladimir Putin während der mehrstündigen Fragestunde im russischen Fernsehen (Foto: reuters)
Bild: Reuters/Alexei Nikolsky/Ria Novosti/Pool

"Herr Präsident, bitte sorgen Sie dafür, dass vor unserem Haus ein Spielplatz gebaut wird." Mit dieser Bitte wandte sich ein junges Mädchen aus dem russischen Fernen Osten in einer mehrstündigen TV-Fragestunde an Wladimir Putin. Der Kremlchef versprach zu helfen. Kaum eine Stunde später lief eine Eilmeldung über russische Nachrichtenagenturen: Der Spielplatz werde gebaut. Der Gebietsgouverneur werde sich persönlich darum kümmern.

So verlief am Donnerstag (25.04.2013) im russischen Staatsfernsehen die große Putin-Frage-Runde, eine Art Pressekonferenz mit dem Volk. Seit 2001 bestreitet Putin einmal im Jahr diese One-Man-Show, die live übertragen wird und Millionen Menschen vor die Fernseher lockt. Diesmal stellte Putin erneut einen Rekord auf. Vier Stunden und 47 Minuten beantwortete der Staatschef Fragen seiner Landsleute, die per Telefon, SMS oder TV-Liveschaltung aus der russischen Provinz über ihre Sorgen berichteten. Es war die erste Veranstaltung dieser Art seit Putins Rückkehr in den Präsidentensessel im Mai 2012. Das Ereignis war eine geschickte Inszenierung: Beobachter gehen davon aus, dass die Themen der Fragen, ebenso wie die Fragesteller selbst, zuvor sorgfältig vom Kreml ausgewählt wurden.

Über vier Stunden beantwortete Wladimir Putin im Fernsehen Fragen seiner LandsleuteBild: Reuters

Putin als Vater der Nation

Gleich zu Beginn zog Putin eine erste Bilanz und zeigte sich zufrieden. Die Geburtenraten und Gehälter in Russland seien gestiegen, die Armee bekomme neue Waffen, freute sich der Kremlchef. Als es um das langsame Wirtschaftswachstum in Russland ging, wurde Putin schmallippig. Er schob einen Teil der Verantwortung dem Ausland zu: "Die Krise im Westen und vor allem in Europa ist an uns nicht spurlos vorbei gegangen."

Ein Löwenanteil der Fragen beschäftigte sich mit Alltagsproblemen einfacher Russen: steigende Preise, niedrige Renten, korrupte Beamte. Putin gab sich als Vater der Nation, der sich um alles im Lande persönlich kümmern muss: löchrige Straßen und veraltete Kampfjets schienen dabei gleich wichtig. Neu ist das nicht. Seit Jahren gibt sich Putin als einer, der sich um die Sorgen der kleinen Leute kümmert und sich persönlich für sie einsetzt.

Regierung in der Kritik

Auch kritische Fragen waren erlaubt, allerdings solche, die der Kremlchef offenbar gerne hören wollte. So nahm der ehemalige Finanzminister Alexej Kudrin die Regierung unter Beschuss, ohne allerdings den Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew namentlich zu nennen. Die russische Wirtschaft hänge zu sehr von Gas- und Ölexporten ab und die Regierung tue zu wenig, um das zu ändern, kritisierte Kudrin. Putin reagierte mit einem milden Lächeln. Rücktrittsforderungen an die Regierung wies er zurück und sagte, das Kabinett sei noch neu und habe die Chance verdient, sich zu beweisen.

Ex-Finanzminister Alexej Kudrin nahm die russische Regierung unter BeschussBild: AP

Kudrin ist ein enger Freund Putins. Der Kremlchef lobte den Ex-Finanzminister dreimal während der Fragestunde. Fachleute hätten ihn als "besten Finanzminister der Welt" ausgezeichnet. Es schien, als würde Putin Kudrin indirekt als neuen Regierungschef ins Gespräch bringen. Der jetzige Ministerpräsident Medwedew ist in Russland sehr unbeliebt. Über seinen Rücktritt wird seit Monaten spekuliert.

Putin selbst erlaubte sich auch einen Seitenhieb gegen Medwedew. Als es um Korruption im Verteidigungsministerium ging, wies der Präsident mehrmals darauf hin, dass erst nach seinem Amtsantritt Ermittlungen eingeleitet worden seien. Im Herbst 2012 habe er Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow entlassen müssen.

Gesprächangebot an die Opposition?

Gegen Ende der dritten TV-Stunde kam Putin dann auf die Opposition und deren Proteste in Russland zu sprechen. Der Kremlchef verzichtete diesmal darauf, seine Gegner zu diffamieren. Im Dezember 2011 hatte er sie noch als "Affen" bezeichnet. Putin zeigte sich zu einem Dialog bereit, allerdings ohne konkret zu werden. Er rief Oppositionsanhänger dazu auf, Parteien zu gründen und ins Parlament einzuziehen. Den Namen des bekannten Bloggers und Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, der in diesen Tagen wegen eines angeblichen Wirtschaftsverbrechens vor Gericht steht, erwähnte Putin nicht. Er betonte lediglich, dass Prozesse gegen Oppositionelle nicht politisch motiviert seien.

Auf den Prozess gegen den Oppositionellen Alexej Nawalny ging Putin nicht einBild: Reuters

Noch weniger sprach Putin über Außenpolitik. Er bedankte sich bei den USA für deren Unterstützung beim Beitritt zur Welthandelsorganisation. Vor dem Hintergrund des Anschlags auf den Boston-Marathon mahnte Putin eine engere Kooperation bei der Terrorbekämpfung an. Als ein Journalist ihn fragte, ob sich Russland und die USA doch wieder annähern sollten, antwortete Putin ausweichend. Er wies aber Kritik an Russland zurück und betonte, dass die Länder verschieden seien und ihre eigenen Regeln hätten.

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