1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Syrien-Debatte: Wie fit ist die Bundeswehr?

Marko Langer (mit dpa)
23. Oktober 2019

Es klingt wie eine einfache Frage: Wenn sich die Bundeswehr an einer international kontrollierten Sicherheitszone in Syrien beteiligt, was braucht sie dann dafür? Doch die Antwort darauf ist alles andere als einfach.

Mali Bundeswehreinsatz Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Manchmal geschieht Abrüstung ja über Nacht. Nicht in Wirklichkeit, aber in den Köpfen von Politikern. Beispielsweise beim CDU-Außenpolitikexperten Roderich Kiesewetter. 30.000 bis 40.000 Soldaten: Diese Größenordnung nannte Kiesewetter, als er am Montag auf den Vorstoß der Bundesverteidigungsministerin angesprochen wurde.

Annegret Kramp-Karrenbauer hatte gerade eine international kontrollierte Sicherheitszone in Nordsyrien ins Gespräch gebracht, und seitdem ist völlig klar, dass sie das nicht wollen kann, ohne auch eine deutsche Beteiligung möglich zu machen. Doch das ist gar nicht einfach, selbst wenn man Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte ist.

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (rechts) von der CDU und Außenminister Heiko Maas (SPD)Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Sohn

Über Nacht halbiert

Doch zunächst zurück zum CDU-Mann Kiesewetter und der Abrüstung. Als der Bundestagsabgeordnete, der früher Generalstabsoffizier der Bundeswehr war, am folgenden Tag von der Deutschen Presse-Agentur noch einmal gefragt wurde, hatte er schon "abgerüstet", quasi über Nacht. 15.000 Soldaten plus 15.000 zivile Helfer seien notwendig, erklärte Kiesewetter nun. Man könnte sich den Spaß machen, am nächsten Tag nochmal nachzufragen - vielleicht hätte sich die Schutztruppe dann noch einmal halbiert.

Der Parteifreund der Ministerin ist einer der ganz wenigen, der sich mit konkreten Angaben zu einer solchen Truppe aus - ja, der Vergleich ist passend - aus der Deckung wagt. Ein Einzelkämpfer, was Zahlen angeht. Wer sich ansonsten durch das politische Berlin fragt, gerät ins undurchsichtige Dickicht: Was braucht die Bundeswehr, um in Syrien vor Ort zu sein? Oder: Was hat sie denn zu bieten? Klare Fragen, kaum Antworten.

Vorbild Afghanistan?

Noch sind die genauen Vorstellungen der Verteidigungsministerin wenig klar. Nach der Sitzung des Bundeskabinetts bemühten sich am Mittwoch auch die Mitglieder des Verteidigungsausschusses um Informationen. Im Verteidigungsministerium hieß es, dass sowohl Franzosen und Briten als auch die Türkei auf den Vorschlag der Ministerin positiv reagiert hätten. Die US-Regierung habe sich ebenfalls erfreut über den Vorstoß gezeigt.

Denkbar sei etwa, dass man nach dem Vorbild Afghanistans eine Schutzzone in Nordsyrien in verschiedene Bereiche aufteilen könnte, für die jeweils Führungsnationen die Hauptverantwortung übernehmen könnten. Gespräche könnte es dazu auch mit Kanada geben. Es sei aber zu früh zu sagen, was dies für ein Engagement der Bundeswehr bedeuten könnte.

AKK für Sicherheitszone

13:05

This browser does not support the video element.

SPD auf dem Rückzug

Innerhalb der Koalitionsregierung ist der Vorschlag höchst umstritten. Zumal der Partner SPD im Moment eher auf dem Rückzug ist, was das militärische Engagement Deutschlands in aller Welt angeht. Im Bundestag steht an diesem Donnerstag die Verlängerung des Anti-IS-Mandats zur Debatte, und es ist kein Geheimnis, dass die Sozialdemokraten diesen Einsatz - Aufklärungsjets über Irak und Syrien sowie Ausbilder für Soldaten im Irak - gerne beendet sähen.

Hier hat die Verteidigungsministerin noch Überzeugungsarbeit leisten können. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass die CDU-Chefin ihre neueste Idee etwa dem Außenminister Heiko Maas (SPD) nur knapp in einer SMS-Nachricht übermittelt hatte, bevor sie damit an die Öffentlichkeit ging.

Das ist die Gemengelage, in der sich der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Frank Fähnrich, am Mittag in der Bundespressekonferenz äußert. "Es wird immer wieder gefragt: Wie viele Soldaten, wie viele Flugzeuge, wie viel Panzer sollten daran beteiligt sein. Diese Frage stellt sich zur Zeit gar nicht, denn die Lösung kann und soll eine politische sein." Regierungssprecher Steffen Seibert erklärt mit Blick auf den Koalitionspartner: "Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung zum Vorschlag der Verteidigungsministerin ist noch nicht abgeschlossen." 

Heikle Mission: die Bundeswehr am Flughafen von Gao in MaliBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Das Wort "Kampftruppen"

Im Verteidigungsausschuss lässt Kramp-Karrenbauer Teilnehmern zufolge durchblicken, dass sie eine Mission auf Basis des bestehenden UN-Sicherheitsrats-Beschlusses zu Syrien unter Führung der Vereinten Nationen ideal fände. Und zwar analog zum Stabilisierungseinsatz Minusma in Mali, wie die dpa unter Berufung auf Teilnehmer der Sitzung berichtete.

Als Aufgaben hätte die Ministerin die Überwachung der Gebiete sowie Maßnahmen bei Verstößen gegen die dort geltenden Regeln genannt. Dazu seien Führungsfähigkeit, Aufklärung, Mobilität in der Luft und am Boden, eine Rettungskette für Verletzte sowie Logistik nötig. Auch das Wort "Kampftruppen" sei gefallen. 

Mali: Wo 50 Nationen zusammenwirken

Mobilität in der Luft und am Boden - bei der Minusma-Mission in Mali heißt das: bis zu 1100 deutsche Soldaten. Insgesamt beteiligen sich aktuell mehr als 50 Nationen mit rund 11.000 Blauhelmsoldaten sowie etwa 1500 Polizisten und Zivilpersonal an dem Einsatz. Der Großteil des deutschen Einsatzkontingentes ist in Gao (Camp Castor) stationiert. Deutschland stellt aber auch Personal für das Hauptquartier in Bamako und betreibt in Niamey, der Hauptstadt des benachbarten Niger, einen Lufttransportstützpunkt. Von dort aus starten Material- und Personaltransporte und Flüge zur medizinischen Versorgung.

Regierungssprecher Steffen Seibert: "Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen"Bild: picture-alliance/dpa/C. Soeder

Das ist also die Größenordnung. Mali gilt als derzeit gefährlichster Auslandseinsatz der Bundeswehr. Ein Einsatz im Norden Syriens, der das Einverständnis der Präsidenten Wladimir Putin, Baschar al-Assad und Recep Tayipp Erdogan voraussetzt, wäre nicht weniger heikel. Dass die USA in dem fraglichen Gebiet zuletzt gerade noch 1000 Mann stationiert hatten, zeigt wenigstens, wie anders man die Größenordnung der Aufgabe einschätzt. Wenn man denn politisch bereit ist, sich der Aufgabe zu stellen.