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PolitikAfrika

Afrika: Wie relevant ist das Commonwealth heute noch?

Martina Schwikowski
25. April 2024

Die Nachfolgeorganisation des britischen Empire mit Oberhaupt König Charles III. hat an Bedeutung verloren. Heute dient es Mitgliedsstaaten als diplomatisches Netzwerk. Junge Afrikaner fordern Reformen.

König Charles III. mit Königin Camilla in einem Elektro-Tuktuk in Mombasa
Auf Commonwealth-Tour: die erste und bislang einzige Reise von König Charles in ein Commonwealth-Land führte ihn mit Königin Camilla nach KeniaBild: Chris Jackson/Getty Images

Das moderne Commonwealth of Nations ist so alt wie sein Oberhaupt, der britische König Charles III.: Seit 75 Jahren besteht der Bund souveräner Staaten in seiner heutigen Form, aber für viele junge Menschen hat die einst aus dem britischen Weltreich hervorgegangene Gemeinschaft offenbar nur wenig politischen Nutzen.

Das Commonwealth ist für Khalil Ibrahim eine Organisation, die zwar aktiv ist, aber "nicht wirklich", sagt der 32-jährige Aktivist aus Accra im DW-Interview: "Sie bietet Stipendien an, Praktika für junge Fachkräfte aus den Mitgliedsländern, kostenlose Online-Kurse." Auch er habe von einigen Kursen profitiert. "Aber auf politischer Ebene ist es eine nutzlose Organisation."

Im Commonwealth-Mitgliedsland Kenia wurde König Charles III. im vergangenen Oktober nicht von allen Menschen herzlich empfangenBild: Luis Tato/AFP

Keine Relevanz - zu wenig Einfluss

Auch Eyram Yorgbe glaubt weder an Relevanz noch Wirksamkeit des Commonwealth, insbesondere für die afrikanischen Mitgliedsstaaten. Die Organisation behaupte, dass sie die wirtschaftlichen Partnerschaften zwischen ihren Mitgliedern erleichtere, sagt die 34-jährige Verwaltungsangestellte einer ghanaischen Firma. "Aber diese Partnerschaften gelten hauptsächlich für stärker entwickelte Volkswirtschaften im Commonwealth." Die afrikanischen Länder seien nur deshalb im Commonwealth, weil sie historisch mit der Monarchie verbunden seien, sagt Yorgbe zur DW. "Aber es ist höchste Zeit, dass wir unsere Strategien überdenken."

Von den 56 Mitgliedstaaten liegen 21 in Afrika. In keinem dieser Länder ist der britische Monarch Staatsoberhaupt. Die Mitgliedschaft wurde über die Jahrzehnte auch auf nicht-britische ehemalige Kolonien, darunter Mosambik (1995) und Ruanda (2009) ausgedehnt. Gabun und Togo sind 2022 als jüngste Mitglieder dazugekommen. Die Organisation setzt nach wie vor auf gemeinsame Werte.

Nutzen: Ein diplomatisches Netzwerk

Aber laut Philip Murphy, Direktor für Geschichte und Politik am Institut für historische Forschung an der University of London, gibt es zu viele verschiedene Länder und Herangehensweisen. Damit lasse sich kein klarer Konsens zu den wichtigsten politischen Themen finden, sei es der Krieg in der Ukraine oder der Klimawandel.

König Charles III. 2018 in Nigeria, damals war er noch Prinz und zu Gast im britischen stellvertretenden Hochkommissariat in Lagos Bild: Sunday Alamba/AP Photo/picture alliance

Das moderne Commonwealth hat eine Gesamtbevölkerung von 2,5 Milliarden Menschen, von denen mehr als 60 Prozent unter 30 Jahre alt sind. Die Mehrheit der Bürger lebt im globalen Süden und stammt zumeist aus ehemaligen britischen Kolonien.

"Es ist ein Relikt aus der Vergangenheit, aber es ist ein nützliches diplomatisches Netzwerk, insbesondere das Netzwerk der Hohen Kommissare in London", betont Murphy. Gerade für die mehrheitlich kleinen Mitgliedsländer und Inselstaaten sei auch der Zugang zur britischen Regierung und Außen- und Bildungsminister des Commonwealth von Vorteil. Dazu zählten reiche Geberstaaten wie Kanada und Australien.

Sekretariat zu schwach

"Das Netzwerk ist also wichtig genug, um zu verhindern, dass Mitglieder die Organisation verlassen oder sie auflösen, aber der Commonwealth ist sehr schwach und das hat mit seiner Geschichte zu tun", bilanziert Murphy im DW-Interview.

Das 1965 gegründete Commonwealth Secretariat sei nicht befugt, Politik zu machen. Es hatte laut Murphy nie einen ausreichend starken Durchsetzungsmechanismus, um die souveränen Mitgliedsstaaten zu verpflichten, sich den westlichen Werten wie Demokratie, Menschenrechte oder Rechtsstaatlichkeit anzuschließen. Oft seien sie nur dem Namen nach Demokratien. Die aktuelle Kritik am Commonwealth ziele häufig darauf, dass Menschenrechtsverbrechen in einzelnen Mitgliedstaaten und repressive homophobe Gesetze nicht nachdrücklich genug angeprangert werden.

Das Commonwealth-Frauen-Forum fand 2022 im ostafrikanischen Kigali stattBild: SIMON WOHLFAHRT/AFP

Neue Mitglieder treten ein

Erfolgreiches Engagement zeigte das Commonwealth in den Zeiten der Entkolonialisierung der weißen Siedlerkolonien in seinen Ex-Kolonien im damaligen Rhodesien (heute Simbabwe) und Südafrika, sagt Murphy. Und spielte eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung eines friedlichen Machtwechsels in Südafrika in den 1990iger Jahren. Danach habe die Organisation an Bedeutung verloren.

Das Commonwealth sei aber keine sterbende Organisation, betont Alex Wines, Leiter des Afrika-Programms in der Londoner Denkfabrik Chatham House. Sie gewinne neue Mitglieder. Das habe nichts mit der imperialen Vergangenheit des Vereinigten Königreichs zu tun, sondern mit handfesten Interessen.

Neben Angola steht auch Simbabwe auf der Warteliste für die Mitgliedschaft. Das Land war 2003 wegen schweren Menschenrechtsverletzungen unter der Präsidentschaft des Autokraten Robert Mugabe aus dem Staatenbund ausgeschlossen worden. Eine eher seltene Sanktion innerhalb der Gemeinschaft, sagt Murphy.

Simbabwe will wieder Mitglied werden

Seit 2018 bemüht sich das international isolierte Land um einen Wiedereintritt. Aus strategischen Gründen, so der politische Analyst Gibson Nyikadzino in Harare: "Es geht um das Ansehen, Mitglied innerhalb des Komitees der Nationen zu sein, um Zugang zu billigen Märkten mit geringen Handelszöllen zu haben."

Aus der Kolonialherrschaft ins Commonwealth: Prinz Charles (rechts) mit dem späteren Diktator Robert Mugabe am 16. April 1980 - einen Tag vor der Unabhängigkeit SimbabwesBild: picture alliance/AP Photo

Die junge Rechtsanwältin Fortunate Nyamayaro findet das überflüssig: Simbabwe könne auf sich allein gestellt sein und auch mit anderen regionalen Blöcken zusammenarbeiten, und bilaterale Abkommen schließen, die für beide Seiten von Vorteil sind, sagt sie zur DW. "Für mich ist das Commonwealth ein koloniales Erbe, mit dem sich Simbabwe nicht zu identifizieren braucht."

Reformen notwendig

Zu den Funktionen der Organisation gehört auch die Wahlbeobachtung in Mitgliedsländern. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die Beobachtergruppe des Commonwealth ihren Bericht über die Präsidentschaftswahlen in Nigeria 2023. Darin stellte sie erhebliche Mängel fest, die die Glaubwürdigkeit und Transparenz der Wahlen insgesamt beeinträchtigten.

Der inzwischen aus den Diensten des Palasts ausgeschiedene Prinz Harry reiste 2018 im Auftrag des Commonwealth-Büros zum Staatsbesuch nach SambiaBild: Tsvangirayi Mukwazhi/AP Photo/picture alliance

Diese Kritik begrüßt der Anti-Korruptions-Aktivist Bishir Dauda im Bundesstaat Katsina: "Das ist wichtig für gute Regierungsführung", sagt er zur DW. Aber er fordert auch Reformen im Commonwealth, um den sich ändernden Anforderungen und Herausforderungen der Welt gerecht zu werden.

Für die Studentin Rabi Marafa überwiegen die negativen Auswirkungen des Kolonialismus: Nigeria profitiere in keiner Weise vom Commonwealth, sagt sie zur DW. "Es erinnert mich an unsere dunkelste Vergangenheit und ist das letzte Überbleibsel des Imperialismus."

Mitarbeit: Isaac Kaledzi in Ghana, ⁠Privilege Musvanhiri in Simbabwe, Muhammad Al-Amin in Nigeria

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