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Wie Robert Habeck die deutsche Pharma-Industrie stärken will

2. Mai 2024

Wirtschaftsminister Habeck besucht zwei Tage lang Pharma-Unternehmen in Deutschland. Dabei hört er von Problemen bei Lieferketten und Bürokratie.

Wirtschaftsminister Robert Habeck im weißen Kittel und mit Schutzbrille beim Besuch des Biotechnologie-Unternehmens Zedira in Darmstadt
Zwei Tage im Kittel und mit Schutzbrille: Wirtschaftsminister Robert Habeck beim Besuch des Biotechnologie-Unternehmens Zedira in Darmstadt Bild: Helmut Fricke/dpa/picture alliance

Gar nicht so leicht, das Firmengelände des Pharma- und Chemie-Riesen Merck in Darmstadt zu besuchen. Eine gründliche Sicherheitsüberprüfung - online oder vor Ort - ist notwendig, in den Werkhallen tragen die Besucher dann Kittel, Schutzbrille und manchmal sogar Helme. Deutschlands Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen hat das trotzdem auf sich genommen und verteilt erst einmal Lob an die Branche allgemein: "Wir alle nutzen Medikamente, oft täglich. Aber wenn man über die Pharma-Industrie redet, dann heißt es oft: Das sind doch die mit den Tierversuchen, mit all der Chemie. Dabei sind auch sie das starke Deutschland." Die Merck-Chefs um den Geschäftsführer Technik, Kai Beckmann, hören das natürlich gern. 63.000 Menschen in mehr als 60 Ländern arbeiten für das Unternehmen, das 300.000 Produkte herstellt. Neben Medikamenten auch technische Produkte wie Halbleiter.

Weniger Energiebedarf, hoher Forschungsanteil

Zwei Tage Zeit hat sich Habeck genommen, um insgesamt fünf Unternehmen, Start-Ups und Gründerzentren, rund um das Thema Pharma zu besuchen. Rund acht Milliarden Euro werden in der Branche in Deutschland im Jahr investiert, rund 120.000 Menschen arbeiten in diesem Bereich. Die Energiekosten machen einen eher kleinen Anteil aus, entsprechend weniger wird in den Unternehmen seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem Ende der Lieferung russischen Gases über die hohen Belastungen geklagt. Dafür ist der Forschungsanteil hoch, und Habeck hört Beschwerden über den Mangel an Fachkräften und über eine stetig zunehmende Bürokratie. 

Robert Habeck zu Besuch bei Gründern und Entwicklern in der "Life Science Factory" in GöttingenBild: Helmut Fricke/dpa/picture alliance

Ein Beispiel nennen die Merck-Verantwortlichen: Sie präsentieren dem Minister eine High-Tech-Anlage, die gleich mehrere Produkte herstellen kann, indem nur wenige Teile ausgetauscht werden müssen. Modules Arbeiten wird das genannt. Aber bei jeder noch so kleinen Änderung muss die komplette Anlage neu genehmigt werden, was jeweils bis zu neun Monate dauert. Deutschland im Jahr 2024. Trotzdem gab es zuletzt auch positive Nachrichten, etwa, als der US-Konzern Eli Lilly in Alzey in Rheinland-Pfalz mit dem Bau einer Fabrik begann, in der Abnehm-Spritzen hergestellt werden sollen. Investitionssumme 2,7 Milliarden Euro.

Arzneimittelmangel: Folge des globalen Handels

Das ist ein gutes Zeichen, findet Habeck, denn oft genug laufe es andersherum: Habeck sagt der DW: "Immer dann, wenn Produkte etwa zehn Jahre am Markt waren, Massenware wurden, also günstig ohne Patente irgendwo produziert werden konnten, ist die Produktion häufig abgewandert in andere Länder, in denen Arbeit und die Umweltbedingungen möglicherweise günstiger sind." Die Menschen in Deutschland spüren das gerade, wenn es plötzlich Mangel an bestimmten Medikamenten gibt, weil die vielen globalen Krisen die Lieferketten einschränken oder verzögern. Medikamente, die oft in Deutschland entwickelt wurden, nun woanders produziert werden und im Land selbst nicht verfügbar sind.

Spritzen und andere Medizintechnik sind eine der Schlüssel-Produkte deutscher Pharma-Unternehmen Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/picture-alliance

Habeck will solche Produktionen zumindest teilweise wieder nach Deutschland holen: "Wenn man sie dann wieder hierher holen will, dann wird man dafür einen gewissen Preis zahlen müssen. Das ist dann der Preis der Sicherheit." Aber die Unternehmen hätten ihre Umsätze in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Habeck: "Die Entwicklung von neuen Produkten, die Forschung und die Start-Up-Unternehmen in dem Bereich an den Markt zu bringen, da hat Deutschland wirklich eine sehr starke Ausgangsposition."

Vom langen Weg bis zum fertigen Medikament

Ein solches neues Produkt stellt das Start-Up-Unternehmen Zedira in Darmstadt her. Die Firma ist ein gutes Beispiel dafür, wie lange es dauert, von der Idee über die Entwicklung bis zum Produkt zu kommen. Zedira entwickelt Vorprodukte für Medikamente gegen Gluten-Unverträglichkeit, an der allein in Deutschland nach Firmenangaben bis zu eine Million Menschen leiden. 2007 wurde das Unternehmen gegründet, es wird auch vom Wirtschaftsministerium gefördert. 2015 gab es erste klinische Studien, am Ende des Jahrzehnts, so hoffen die Unternehmensleiter, kann der Wirkstoff zur Verfügung stehen. Geschäftsführer Ralf Pasternack sagt: "Klar, das dauert alles ewig und kostet am Ende viel mehr, als man zunächst annimmt." Schwierig seien auch der Preisdruck und die Zulassung durch die Krankenkassen.

Eine Milliarde Tabletten im Jahr

High-Tech und Tradition gleichzeitig begegnen Habeck dann beim Besuch des Pharma- und Biotech-Unternehmens B. Braun in Melsungen in Hessen. Vor 185 Jahren gegründet und noch immer in Familienbesitz, eröffnet das Unternehmen schon bald ein neues Werk, in dem Produkte für die Infusionstherapie hergestellt werden. Und wenn alles funktioniert, folgt 2025 eines, in dem unter anderem Maschinen für die Dialyse gebaut werden sollen. Investitionssumme insgesamt: rund 60 Millionen Euro. Aus lauter Heimatliebe, so Firmenchefin Anna Maria Braun, sei die Entscheidung für den Standort Melsungen aber nicht gefallen. Hauptgrund war vielmehr die große Erfahrung der bereits jetzt hier arbeitenden rund 7000 Menschen. Aber der Fachkräftemangel macht auch ihr Sorgen. 

Einige Medikamente, auch Antibiotika, waren zuletzt in Deutschland MangelwareBild: Daniel Reinhardt/dpa/picture alliance

Habeck will sich für "Versorgungsgipfel" einsetzen

Welche Probleme die globalen Lieferketten oft bereiten, erfährt der Grünen-Politiker dann in Barleben bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Wieder Kittel und Brillen und diesmal sogar Sicherheitsschuhe: Die Firma Salutas, Tochter des Schweizer Konzerns Sandoz, fertigt hier "eine Milliarde Tabletten im Jahr", wie eine Mitarbeiterin stolz berichtet. Aber der Chef, Thomas Weigold, fordert einen "Versorgungsgipfel" der Regierung, weil es immer wieder zu Engpässen bei der Medikamenten-Versorgung in Deutschland komme. Vor allem, weil die meisten Produkte in Asien hergestellt werden. "Nur noch sieben Prozent der Umsätze machen die deutschen Unternehmen auf dem heimischen Markt", sagt er. Schon in anderen europäischen Ländern liege dieser Anteil bei 30 Prozent. Habeck will die Idee für einen "Versorgungsgipfel" mit ins Bundeskabinett nach Berlin nehmen. Und fordert während seiner Pharma-Reise, beeindruckt von den hohen Summen, um die es hier geht, ein "wuchtiges" Steuer-Entlastungsprogramm für die Wirtschaft. Dazu müsse man dann die Schuldenbremse des Grundgesetzes reformieren. Dafür aber, dass weiß auch der Wirtschaftsminister, fehlt es zurzeit an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. 

 

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