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Wie Russland versucht, Wahlen zu beeinflussen

10. September 2024

Vor den Präsidentschaftswahlen im November werfen die USA Russland Wahlbeeinflussung vor - nicht zum ersten Mal. Moskau soll weltweit schon oft versucht haben, die Legitimität demokratischer Wahlen zu untergraben.

Russische Holzpuppen, sogenannte Matrjoschkas, mit den Gesichtern bekannter Politiker
Wieviel russische Beeinflussung steckt in den US-Wahlen?Bild: Alexander Zemlianichenko/AP Photo/picture-alliance

Im Fokus der amerikanischen Ermittlungsbehörden steht seit vergangener Woche eine Firma im US-Bundesstaat Tennessee. Diese soll vom russischen Staatssender RT (Russia Today) zehn Millionen Dollar erhalten haben, um "Inhalte mit versteckten russischen Regierungsnachrichten an das US-Publikum zu erstellen und zu verteilen."

Konkret sollen mit dem Geld Videos produziert worden sein, die vor den US-Wahlen im November 2024 vor allem rechte Narrative zu Themen wie Einwanderung, Geschlecht und Wirtschaft förderten. Diese Videos wurden dann von mehreren rechten Influencern, die für die Firma in Tennessee arbeiteten, in Sozialen Medien verbreitet - angeblich ohne dass diese wussten, dass die Videos unter russischer Beteiligung entstanden seien. Tatsächlich editiert und produziert sollen die Videos nämlich von zwei RT-Mitarbeitern worden sein.

Die in den Videos geäußerten Ansichten stünden "oft im Einklang mit dem Interesse der Regierung Russlands, die Spaltungen innerhalb der USA zu verstärken", heißt es in der Anklageschrift. Ziel sei es, "den Widerstand der USA gegen russische Kerninteressen zu schwächen, etwa beim anhaltenden Krieg in der Ukraine."

Steht seit Ende letzter Woche wegen angeblicher Wahlbeeinflussung auf der US-Sanktionsliste: Russia Today-Chefredakteurin Margarita SimonjanBild: ITAR-TASS/IMAGO IMAGES

Weltweite Einmischung

Der aktuelle Fall gibt nur einen kleinen Einblick darüber, wie Russland mutmaßlich vorgeht, um Einfluss auf Wahlen zu nehmen - auch wenn Moskau selbst regelmäßig jegliche Einmischungsvorwürfe weit von sich weist.

"Russland versucht schon seit Jahren, Wahlen in demokratischen Ländern zu beeinflussen, etwa die US-Präsidentenwahl 2016 oder die französische Präsidentschaftswahl 2017" sagt Julia Smirnova vom Berliner Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) - einem Institut, das zu Desinformation und Verschwörungsideologien im Internet forscht. Bereits im Oktober 2023 versandten die USA einen Geheimdienstbericht an weltweit 100 befreundete Länder, demzufolge Russland "Spione, soziale Netzwerke und Staatsmedien" aktiv dazu nutze, das öffentliche Vertrauen in die Integrität demokratischer Wahlen weltweit zu untergraben.

Zwischen 2020 und 2022 soll dies in mindestens neun nicht näher genannten Staaten geschehen sein, zudem habe es in 17 weiteren Ländern "ein weniger ausgeprägtes Niveau" russischer Social Media-Aktivitäten gegeben, die bereits bestehende innenpolitische Bedenken über die Integrität bevorstehender Wahlen verstärken sollten. Berichte über Versuche russischer Einflussnahme gab es auch während der Europawahl im Juni 2024.

Einschüchterung, Desinformation, Meinungsmanipulation

Der Instrumentenkasten, mit dem dies durchgeführt wird, ist groß. Bei einer nicht näher genannten Wahl innerhalb Europas im Jahr 2020 sollen Wahlkämpfer eingeschüchtert worden sein. 

Russische Staatsmedien sollen in den Jahren 2020 und 2021 bei mehreren demokratischen Wahlen auf der ganzen Welt massiv Falschbehauptungen über Wahlbetrug verbreitet haben. In mindestens einem Land in Südamerika habe Moskau zudem massive Zweifel an der Unabhängigkeit der Wahlen gesät. "Dabei kommen diverse Methoden zum Einsatz: zum Beispiel Hackerangriffe, bei denen interne Dokumente von Politikern veröffentlicht werden, echt oder teilweise gemischt mit gefälschten Schriftstücken, wie etwa bei der Wahl in Frankreich 2017", sagt Smirnova. "Was Russland auch einsetzt, ist die Manipulation der öffentlichen Meinung über soziale Medien mit Hilfe von nichtauthentischen Accounts und über offene Kanäle wie z.B. Russia Today."

Ein Jahr Desinformationskrieg in der Ukraine

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Wie genau das aussehen kann, zeigt die sogenannte "Doppelgänger-Kampagne": Zentrales Element, erklärt Julia Smirnova, seien hierbei "geklonte Webseiten großer westlicher Medien": Spiegel, FAZ, Washington Post, FoxNews und viele andere. Diese Seiten wurden den echten Medienwebsites täuschend ähnlich nachgebaut - nur dass dort gezielt prorussische Inhalte veröffentlicht wurden. "Teilweise waren das erfundene Geschichten, teilweise aber auch Artikel, die bestimmte politische Meinungen verbreitet haben", so Smirnova. Links zu diesen Fake-Artikeln wurden dann auf Social Media gepostet, teilweise sogar in den Kommentaren zu echten Beiträgen etablierter Medien. Oft, sagt die CeMAS-Analystin, handelte es sich dabei um "prorussische Narrative über den Krieg in der Ukraine, mit denen Russland versucht, die Unterstützung der Ukraine im Westen zu untergraben." 

Langfristiges Ziel: Die Unterhöhlung der Demokratie

Das Ziel der russischen Einmischung ist dabei längst nicht mehr nur die Verbreitung und Verstärkung pro-russischer Positionen, etwa im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Es geht mittlerweile weit darüber hinaus. "Das übergeordnete Ziel dabei ist, das geopolitische Interesse Russlands zu fördern. Und die Länder, die der Kreml als Gegner Russlands wahrnimmt, zu destabilisieren." Hierfür werden polarisierende Diskussionen in den Demokratien weiter befeuert und bereits bestehende Spaltungen innerhalb dieser Gesellschaften möglichst weiter vorangetrieben.

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Um dieses Ziel zu erreichen, werden auch die Parteien an den politischen Rändern finanziell und argumentativ gestärkt. Bereits 2022 berichtete die Washington Post darüber, dass mindestens 300 Millionen US-Dollar an besonders russlandfreundliche Parteien weltweit geflossen seien, auch in kleinere Staaten wie Albanien, Montenegro, Madagaskar oder Ecuador. US-Geheimdiensten zufolge setzten mit dem Kreml verbundene Kräfte auch Briefkastenfirmen, Denkfabriken und andere Mittel ein, um das politische Geschehen zu beeinflussen - häufig zugunsten rechtsextremer Gruppen. Erst im März 2024 enttarnte der tschechische Geheimdienst BIS ein von Russland finanziertes Einfluss-Netzwerk, demzufolge unter anderem Petr Bystron, ein früherer Bundestags- und mittlerweile Europaabgeordneter der AfD, Geldzahlungen erhalten haben soll. Mutmaßlich abgewickelt wurden diese Zahlungen über das in Prag ansässige pro-russische Internetportal "Voice of Europe". Gelder sollen aber auch an extreme Parteien in Frankreich, Polen, Belgien, den Niederlanden und Ungarn geflossen sein.

Zwischenzeitlich geschlossen, mittlerweile wieder - diesmal von Kasachstan aus - aktiv: das pro-russische Internetportal "Voice of Europe"Bild: ROBIN UTRECHT/picture alliance

Nicht immer erfolgreich

Letztendlich, heißt es im US-Geheimdienstbericht von Oktober 2023, verfolge Russland zwei Ziele: Demokratische Wahlen insgesamt als unzuverlässig darzustellen - und die sich daraus ableitenden Regierungen zu delegitimieren. Das wiederum destabilisiert die betroffenen Demokratien - und schwächt somit weltweit Russlands Gegner.

Rund um die US-Wahlen 2020 wurden massive Zweifel an der Legitimität des Urnengangs gesät - von Donald Trump, aber auch von außen?Bild: James Atoa/UPI Photo/newscom/picture alliance

Doch die sind dem nicht völlig wehrlos ausgesetzt. "Das haben etwa die USA gezeigt, indem sie vergangene Woche 32 Webdomains beschlagnahmt haben, die in der Doppelgänger-Kampagne verwendet wurden", erklärt Julia Smirnova. Auf lange Sicht gehe es aber auch darum, "die Resilienz demokratischer Gesellschaften zu stärken." Dazu gehören Bildungsprogramme zur Erhöhung der Medienkompetenz für Jugendliche und Erwachsene, damit diese sich bewusst machen, dass auch sie online sehr schnell zur Zielscheibe russischer Beeinflussung werden könnten. 

"Tatsächlich sind es erhebliche Ressourcen, die Russland jedes Jahr weltweit in seine Kampagnen steckt," sagt Julia Smirnova. "Man sollte diese Versuche sehr ernst nehmen. Aber man sollte sich auch im Klaren sein, dass Russland mit seinen Einflussversuchen nicht immer und in jedem Fall auch sein Ziel erreicht."

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik