1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Wie schlecht geht es Liu Xiaobo wirklich?

10. Juli 2017

Verwirrung um die Gesundheit des krebskranken chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo: Sein Zustand habe sich massiv verschlechtert, heißt es. Menschenrechtler bezweifeln dies - und vermuten eine perfide Taktik.

China Bürgerrechtler Liu Xiaobo
Bild: picture-alliance/dpa/L. Xia

Die Aussicht, dass China den krebskranken Dissidenten Liu Xiaobo zur Behandlung ins Ausland reisen lässt, schwindet. Wie sein Krankenhaus mitteilte, befindet er sich in einem lebensbedrohlichen Zustand. Der 61-Jährige sei "kritisch" krank, erklärte seine Klink in der nordostchinesischen Stadt Shenyang. Der Krebs habe sich weiter im Körper ausgebreitet. Die Leber blute, zudem habe er Nierenprobleme. Seine Familie sei über seine mögliche Verlegung auf die Intensivstation informiert worden.

Menschenrechtsaktivisten befürchteten hinter der Erklärung eine Hinhaltetaktik, die die Ausreise des todkranken Friedensnobelpreisträgers verhindern solle. Liu leidet an Leberkrebs im Endstadium, wegen seines Zustands wurde er kürzlich aus der Haft in das Universitätskrankenhaus in Shenyang verlegt. Menschenrechtler, die USA und europäische Staaten sowie viele Prominente haben eine Ausreise-Erlaubnis für Liu gefordert. Das Krankenhaus erklärte ihn jedoch für nicht transportfähig.

Solidaritätsdemonstration in HongkongBild: Getty Images/AFP/A. Wallace

Dem widersprachen zwei Spezialisten aus Deutschland und den USA, die Liu am Samstag untersuchen konnten. Leberspezialist Markus Büchler von der Universität Heidelberg und der US-Onkologe Joseph Herman erklärten am Sonntag, Liu könne bei "angemessener" medizinischer Betreuung reisen, allerdings müsse die "Verlegung so schnell wie möglich erfolgen".

Tauziehen um Liu

Lius Freund Hu Jia glaubt, dass das Krankenhaus mit seiner Erklärung auf das Fazit der beiden ausländischen Experten reagierte. Es wolle damit eine Entscheidung hinauszögern, sagte der Bürgerrechtler. Hu fürchtet, sein Freund könnte ins Koma fallen und niemals freikommen, sollte das Tauziehen noch länger andauern.

Nach Einschätzung des China-Experten von Amnesty International, Patrick Poon, will die kommunistische Führung im Vorfeld des Parteitags keine Risiken eingehen. Die Ausreise des Friedensnobelpreisträgers und seiner Familie berge aber die Gefahr in sich, "dass er frei über seine Sicht auf die Menschenrechtslage in China sprechen wird", sagte Poon der Nachrichtenagentur AFP. Allgemein wird damit gerechnet, dass der nur alle fünf Jahre tagende Parteitag die Macht von Präsident Xi Jinping festigt.

Lius Ehefrau Liu Xia im Jahr 2010Bild: dapd

Der chinesische Außenamtssprecher Geng Shuang verbat sich am Montag erneut jede Einmischung aus dem Ausland in der Frage. Der Fall sei allein Chinas Angelegenheit. Deutschlands Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte in Berlin, Bundeskanzlerin Angela Merkel wünsche sich ein "Zeichen der Humanität für Liu Xiaobo und seine Familie".

"Sicherheitsorgane steuern den Prozess"

Die deutsche Botschaft in Peking äußerte sich verärgert über ein Video von der Arztvisite bei Liu, in dem einer der beiden Ärzte zu hören ist, wie er die "nette Geste" der chinesischen Kollegen lobt, ihre Hilfe zuzulassen. "Wir haben mit großer Sorge festgestellt, dass bestimmte Behörden offensichtlich Audio- und Videoüberwachungsaufnahmen des medizinischen Besuchs gemacht haben", heißt es in einer auf der Website der Botschaft veröffentlichten Stellungnahme. Diese Aufnahmen seien gegen den ausdrücklichen Wunsch der deutschen Seite gemacht worden, der vor dem Besuch schriftlich mitgeteilt worden sei. Die Aufnahmen seien offensichtlich selektiv an bestimmte chinesische Staatsmedien verteilt worden. "Es scheint, dass Sicherheitsorgane den Prozess steuern, nicht medizinische Experten." Das Verhalten untergrabe das Vertrauen in die Behörden, die sich mit dem Fall beschäftigen. 

"Die Regierung muss jetzt handeln"

01:35

This browser does not support the video element.

Liu ist der bekannteste politische Gefangene Chinas. Liu war 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Ende Juni war er "auf Bewährung" freigelassen und in ein Krankenhaus gebracht worden. Liu war 2009 der "Anstiftung zum Umsturz der Staatsmacht" schuldig befunden worden, nachdem er als Mitverfasser die "Charta 08" für demokratische Reformen veröffentlicht hatte. 2010 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, den er bisher aber nicht entgegennehmen durfte. Seine Ehefrau Liu Xia steht seit 2010 unter Hausarrest.

Nach Angaben des Dissidenten Ye Du, eines Vertrauten der Familie, möchte Liu in erster Linie wegen seiner Frau ins Ausland. "Es ist sein persönlicher Wunsch, denn er ist sich über seine Lage völlig im Klaren", sagte Ye. "Er weiß, dass er, wenn er jetzt nicht rauskommt, keine Möglichkeit mehr hat, Freiheit für seine geliebte Frau zu bekommen."

stu/sti (afp, dpa, epd)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen