Wie sich Afrika gegen Negativ-Klischees zur Wehr setzen kann
2. November 2024Korruption, Krankheit, schlechte Führung, Gewalt und Armut: Dies seien fünf negative Stereotypen über Afrika, die in den internationalen Medien immer noch häufig mitklingen, sagt Abimbola Ogundairo, Leiterin der Interessenvertretung und Kampagnen bei Africa No Filter.
Die gemeinnützige Organisation mit Büros unter anderem in Johannesburg und Lagos hat zusammen mit der Beratungsfirma Africa Practive eine Studie mit dem Titel "The Cost of Media Stereotypes to Africa" (Die Kosten medialer Stereotype für Afrika) herausgebracht. Sie zeigt auf, wie negative Klischees ein einheitliches Afrika-Bild erzeugen, dass den vielfältigen Realitäten des Kontinents nicht gerecht wird.
Authentische Geschichten erzählen
Die Studienautoren analysieren: Solche stereotypen Forderungen verstärken auch die wahrgenommenen Risiken, treiben die Kreditkosten in die Höhe und schrecken von Investitionen ab. Dies werde auch bei Wahlen verstärkt, wobei negative Themen wie Gewalt und Wahlbetrug unverhältnismäßig stark in den Vordergrund rückten.
Und zwar stärker als bei der Berichterstattung über nicht-afrikanische Länder mit ähnlichen politischen Risikobedingungen, wie die Autoren sagen. Dadurch entstehe eine stärkere negative Stimmung für afrikanische Länder: "Wenn eine einzelne Geschichte über einen längeren Zeitraum erzählt wird, verengt sich die Identität eines Landes auf diese eine Sache", so Ogundairo zur DW.
Zum Beispiel wird in der Studie die weltweite Medienberichterstattung über Wahlen in Kenia, Nigeria, Südafrika und Ägypten im Vergleich zu nicht-afrikanischen Ländern untersucht. Beispiele sind Dänemark, Malaysia und Thailand.
Das Fazit: 88 Prozent der Medienartikel über Kenia während der Wahlen sind negativ, während es bei den Wahlen in Malaysia nur 48 Prozent waren. Dies hat zur Folge, dass internationale Investoren die afrikanischen Länder als risikoreicher ansehen, als sie tatsächlich sind, fanden die Studienmacher heraus.
Afrika als Kreditrisiko
Dafür gibt die Studie sogar ein konkretes Preisschild an: Afrikanische Regierungen würden schlechtere Kreditbedingungen angeboten als vergleichbaren Ländern. Dieser Aufpreis schlage jährlich mit insgesamt bis zu 4,2 Milliarden Dollar zu Buche, die in Form zusätzlicher Zinsen an die Gläubiger gezahlt werden müssten. Eine positive Medienstimmung dagegen geht mit einem niedrigeren Risikoprofil und geringeren Anleiherenditen einher.
Ogundairo weist darauf hin, dass die Kreditgeber aufgrund von Stereotypen glauben, der Umgang mit afrikanischen Ländern ist mit einem Risikoelement verbunden. "Eine unverhältnismäßig starke Betonung dieser Art von Geschichten führt zu dem ständigen Narrativ, dass man - wenn man in Afrika Geschäfte machen will - darauf vorbereitet sein muss, sein Geld zu verlieren," sagt sie.
Als Kämpferin gegen diese Ungleichbehandlung gibt sich auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa. Sie sagte kürzlich in einem Interview der DW auf der Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz, Afrika brauche eine stärkere Vertretung in dem globalen Kreditinstitut. Aus diesem Grund solle zum 1. November der IWF-Vorstand um ein weiteres Mitglied aus Subsahara-Afrika erweitert werden. "Wir tun das genau deshalb, weil wir glauben, dass Afrika es verdient, gerechter vertreten zu werden."
Afrikanische Länder bekämpfen die Stereotypen
Als Positivbeispiel, wie neue Narrative die festgefahrenen Ansichten ablösen können, gilt vielen Ruandas Tourismuskampagne "Visit Rwanda". Das Kampagnenlogo ist zur Zeit bei Spielen des britischen Fußballvereins Arsenal, des französischen Erstligisten Paris Saint-Germain und des deutschen Rekordmeister Bayern München zu sehen. Geworben wird für die Attraktionen und das kulturelle Erbe des Landes - und umworben werden neben Touristen auch Investoren.
Nun sieht sich die Regierung in Kigali auch immer wieder Menschenrechtsvorwürfen ausgesetzt. Präsident Paul Kagame wurde beschuldigt, mit der Sportkampagne von den Problemen des Landes abzulenken. "Sportswashing" ist das Schlagwort, das bei derartiger Kritik immer wieder fällt. Doch hat die Kampagne erfolgreich dazu beigetragen, das Bild des Landes zu verbessern. Chrispin Mwakideu, leitender Redakteur der DW, erklärt es so: "Ruanda hat es geschafft, durch die Kampagne etwas zu verkaufen, was real und greifbar ist."
Auch Nigerias "Nollywood" erzählt authentische afrikanische Geschichten, um sich von Stereotypen zu befreien. Netflix hat sich dieser Bewegung angeschlossen und bringt afrikanische Original-Produktionen wie "Country Queen", "Blood & Water" und "Queen Sono" in die Wohnzimmer seiner gut 280 Millionen Abonnenten, die "lokale Geschichten mit globaler Ausstrahlung" erzählen.
Laut Fatima Alimohamed, CEO der Marketing-Beratungsfirma Africa Brand Warrior, müssten Geschichten, die "wir als Afrika erzählen", bewusst angeführt werden, um zu zeigen, wie wir wirklich leben und denken." Sie fügt an: "Die erste Pflicht liegt bei uns als Afrikanern. Wenn wir die Erzählung anderen überlassen, dann haben wir offensichtlich ein Problem", sagt sie zur DW.
Aus ihrer Sicht ist es wichtig, bei der Zusammenarbeit mit Experten einen Ansatz der "positiven Problemlösung" zu verfolgen und Leute zu engagieren, die Lösungen anbieten, anstatt immer nur über die Probleme und die Negativität zu reden. Die verwendete Sprache sollte eher ein- statt ausschließen.
Lösungen für die Zukunft
Für Abimbola Ogundairo von Africa No Filter gibt es einen Weg, dieses Ziel zu erreichen: In Zukunft solle eine stärkere Zusammenarbeit zwischen lokalen und internationalen Organisationen gefördert werden. Sie betonte auch die Notwendigkeit von mehr Ressourcen, Schulungen und Partnerschaften im Medienbereich, um eine sinnvolle Entwicklung voranzutreiben.
Journalisten müssten sich selbst fragen, wie sie ihre Geschichten anders erzählen können: "Gibt es Stimmen, die ich immer wieder hervorhebe, wenn ich über Afrika spreche? Schließe ich wirklich die 54 Länder ein? Stelle ich wirklich sicher, dass die Stimmen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen vertreten sind, so dass das Bild, das die Menschen, die meine Geschichte lesen, sehen, vollständig genug ist?" Ogundairo sieht auch die Regierungen in der Pflicht, eine ausgewogene Darstellung ihrer Länder einzufordern.
Marketing-Spezialistin Alimohamed hebt hervor, wie wichtig ein positiver und lösungsorientierter Ansatz sei: "Beschäftigt Menschen, die Lösungen vorschlagen, anstatt immer dieselbe Leier über Probleme und Negativität vorzubringen."
Aus dem Englischen adaptiert von Martina Schwikowski.