Arbeitsmarkt in der Krise
30. April 2009Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer tiefen Rezession. Um sechs Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr sinken und das wird gravierende Folgen für den Arbeitsmarkt haben. Bis 2010 könnten erneut knapp fünf Millionen Menschen ohne Job sein. Schon machen Warnungen vor gesellschaftlichen Unruhen als Folge einer wachsenden Arbeitslosenzahl die Runde. Jutta Allmendinger, Arbeitsmarktexpertin und Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, kann das verstehen. Sie hält soziale Unruhen bei fünf Millionen Arbeitslosen oder vielleicht noch mehr für nicht ausgeschlossen: "Wenn wir uns keine Konzepte der Integration von Personen in die Gesellschaft überlegen, dann würde ich dieses Risiko nicht klein reden."
Es sei entscheidend wie die Politik auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt reagiere, sagt Allmerdinger. Eine Warnung, die in den Parteien sehr wohl vernommen wird. Auch die Politiker wollen möglichst viele Arbeitsplätze über die Rezessionsphase retten. Dabei sind sie sich mit den Arbeitgebern sogar einig, denn die würden ihre Facharbeiter gerne halten, um nicht nach der Krise wieder mit dem Fachkräftemangel konfrontiert zu werden.
Kurzarbeit soll das Schlimmste verhindern
Ein Instrument, um das zu erreichen, ist das sogenannte Kurzarbeitergeld. Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) haben im April 1,3 bis 1,5 Millionen Beschäftigte kurzgearbeitet. Seit Dezember können sie das maximal 18 Monate tun, in Kürze sollen es sogar 24 Monate sein. Lassen Unternehmen ihre Beschäftigten kurzarbeiten, dann können sie auch die Löhne reduzieren. Die BA übernimmt 60 Prozent des Nettolohns, der durch die verkürzte Arbeitszeit wegfällt, Eltern erhalten sogar 67 Prozent. Außerdem erstattet die BA den Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge – bei Kurzarbeit zur Hälfte, für Mitarbeiter, die sich während der Kurzarbeit weiterbilden, zu 100 Prozent. So will man erreichen, dass die Kurzarbeiter die Zwangspausen nutzen.
Diesen Aspekt will die Soziologin Jutta Allmerdinger viel stärker ausgebaut sehen. Der Arbeitsmarkt werde nach der Krise ein anderer sein, als er momentan ist und in der Vergangenheit war. Es würden zunehmend nur noch gut qualifizierte Arbeitskräfte gesucht, gleichzeitig würden aber aus demographischen Gründen weniger Menschen arbeiten. "Das heißt, wir müssen alle Potenziale nutzen, damit die in Zukunft viel weniger Arbeitskräfte wesentlich besser gebildet sind als heute", sagt sie.
Langzeitarbeitlose und gering Qualifizierte am stärksten betroffen
Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist nach Ansicht von Allmendinger schlecht für die Krise gerüstet. Denn nach wie vor gibt es einen großen Teil von Langzeitarbeitslosen, die schon im Aufschwung keinen Job gefunden haben. Dazu kommen nun jene, die in der Rezession ihre Arbeit verlieren und Jugendliche mit schlechter Schulbildung, die einen Ausbildungsplatz suchen. Für Hauptschul- und teilweise auch für Realschulabsolventen sehe die Situation im Moment ganz schlimm aus. In der Vergangenheit, so sagt Allmendinger, habe es bereits eine wachsende Zahl von Altbewerbern gegeben, die sich in Auffangmaßnahmen in der Warteschleife befinden. Die Zahl werde sich nun noch erhöhen. "Wir müssen hier dringend ansetzen mit mehr Qualifikation - und zwar nicht mit kurzfristiger Qualifikation, sondern mit einem Aufbau von Qualifikation", so die Soziologin.
Arbeitslosigkeit kostet den Staat Milliarden
In jedem Fall wird die Staatskasse durch die sinkende Beschäftigtenzahl massiv belastet werden. Experten rechnen vor, dass der Bundesanstalt für Arbeit bereits im laufenden Jahr ein Defizit von rund 14 Milliarden Euro droht. Damit wären die Rücklagen, die die BA in den letzten Jahren bilden konnte, zum größten Teil aufgebraucht und sie wäre wieder auf höhere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt angewiesen. Bis 2011, so sagen Experten, könnte die Flaute auf dem Arbeitsmarkt andauern. In dieser Zeit werden unter anderem wegen der Schulzeitverkürzung zwei Jahrgänge gleichzeitig ihr Abitur machen und auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt drängen. Wenn bis dahin keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden, wird dann auch höhere Bildung nicht vor der Arbeitslosigkeit schützen.
Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Dеnnis Stutе