Wie sich russische Söldner bei Malis Militär bedienten
24. Oktober 2025
Eine Sandwüste ist per se kein besonders gemütlicher Ort, aber die Szene sieht trotzdem friedlich aus: Das Foto, das im Dezember 2024 auf Telegram gepostet wurde, zeigt entspannt übereinander geschlagene Beine auf einer Art Feldbett, daneben liegt ein Verpflegungspaket der malischen Armee und eine Schachtel Zigaretten. Die Beine gehören mutmaßlich einem Söldner der offiziell entmachteten russischen Privatarmee Wagner; das Bild wurde in einem Wagner-nahen Kanal gepostet.
Im Sand parkt ein Geländewagen, wie die malische Armee sie benutzt. Auf die Pritsche montiert ist ein W85-Maschinengewehr des chinesischen Herstellers NORINCO - und genau an diesem Punkt bekommt das Pausenfoto politische Relevanz. Denn sowohl China als auch Mali sind Vertragsstaaten eines 2013 geschlossenen UN-Abkommens zum internationalen Waffenhandel (Arms Trade Treaty - kurz: ATT). Darin verpflichten sich Exporteure wie Importeure zu weitreichenden Sorgfaltspflichten. Sollte das malische Militär den russischen Söldnern Ausrüstung überlassen haben, wäre das wohl ein klarer Verstoß gegen das Abkommen.
Der ATT verpflichtet Vertragsstaaten dazu, sicherzustellen, dass Waffenexporte nicht zu Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen oder zur Destabilisierung von Regionen beitragen. Ein möglicher Verstoß gegen das ATT durch Mali würde die Nachverfolgbarkeit im globalen Waffenhandel untergraben, zudem drohen Mali diplomatische Konsequenzen und Sanktionen, wenn sich der Verdacht bestätigt. Sollte das malische Militär den russischen Söldnern Ausrüstung überlassen haben, wäre das wohl ein klarer Verstoß gegen das Abkommen.
Neue Studie: Wagner nutzte Ausrüstung des malischen Militärs
Doch genau das legt nun eine neue Studie der Globalen Initiative gegen Transnationale Organisierte Kriminalität (GI) nahe: Demnach haben Wagner-Söldner im großen Stil auf Bestände der malischen Armee zurückgegriffen - selbst wenn sie unabhängig von den Soldaten unterwegs waren. Dabei geht es um gepanzerte Fahrzeuge, auf Jeeps montierte Maschinengewehre wie im obigen Beispiel, eventuell sogar um Angriffsdrohnen.
Die GI-Experten haben Angehörige der malischen Streitkräfte anonym befragt und ihre Aussagen mit öffentlich zugänglichen Quellen wie Fotos aus Telegram-Kanälen abgeglichen, erklärt Analystin Julia Stanyard im DW-Interview: "Wir konnten Querverbindungen herstellen zu Aussagen aus den Interviews, wonach Wagner Militärfahrzeuge und auf Autos montierte Maschinengewehre der malischen Armee nutzt. Das konnten wir mit unabhängigen Beweisen untermauern."
Einst Wagner-Söldner, heute russisches Afrika-Korps
Erste Wagner-Söldner sind Berichten zufolge seit Ende 2021 in Mali. Nach zwei Militärputschen beendeten die neuen Machthaber Sicherheitskooperationen mit westlichen Armeen - zuvorderst der Ex-Kolonialmacht Frankreich, aber auch Deutschland. Die Söldner aus Russland sollten die Lücke füllen und die überforderte malische Armee im Kampf gegen Terroristen und Rebellen unterstützen. Dabei wurden auch zahlreiche Menschenrechtsverstöße dokumentiert.
2023 überwarf sich Wagner mit dem russischen Machtapparat; in der Folge wurde die in zahlreichen afrikanischen Ländern aktive Truppe weitgehend zerschlagen und ihre Einheiten dem neu gegründeten Afrika-Korps im russischen Verteidigungsministerium unterstellt. Im Juni endete auch die Mali-Mission der Gruppe Wagner offiziell - an ihre Stelle rückte das Afrika-Korps.
Die Belege aus der GI-Studie beziehen sich sämtlich auf die Gruppe Wagner. Doch es gebe Anhaltspunkte, dass das Afrika-Korps eine ähnliche Arbeitsweise hat, meint Stanyard: "Ihm gehören sogar teilweise dieselben Personen an. Viele der Kräfte, die mit dem Afrika-Korps in Mali stationiert sind, sind frühere Wagner-Söldner. Während es sich also vorgeblich um eine neue Organisation handelt, ist vieles beim Alten geblieben."
Zur Ankunft des Afrika-Korps seien Panzerfahrzeuge, andere Ausrüstung und sogar Jets über Guinea nach Mali geliefert worden. Aber das bedeute nicht notwendigerweise, dass das Afrika-Korps keine malische Ausrüstung mehr nutze. "Die Ablösung durch das Afrika-Korps bedeutet nicht automatisch, dass internationale Normen durch den russischen Staat stärker gewahrt werden. Eher im Gegenteil", meint Stanyard.
UN: Auch in der ZAR zweigten Wagner-Söldner Waffen ab
Irina Filatova, russische Historikerin an der südafrikanischen Universität Kapstadt und emeritierte Professorin der Universität KwaZulu-Natal, weist darauf hin, dass Wagner von Beginn an eigene Waffen aus Russland erhalten habe. Zu Mali habe sie keine eigenen Informationen, sagt Filatova der DW. "Aber mit dem andauernden Krieg in der Ukraine, der Russlands Ressourcen auszehrt, wäre es logisch, einfach zu nutzen, was verfügbar ist - vor allem, da Wagner und auch das Afrika-Korps die lokalen Streitkräfte ausbilden."
Konkret nennt der GI-Bericht fünf Typen gepanzerter Fahrzeuge: Zwei Modelle aus den Vereinigten Emiraten sowie je eines aus China, Frankreich und Nigeria. Dazu kommen Maschinengewehre aus China sowie Drohnen aus der Türkei. Bis auf die VAE sind diese Länder Vertragsstaaten des ATT; in den VAE verlangen nationale Gesetze eine sogenannte Endverbleibserklärung. Darin verpflichtet sich der Empfängerstaat, die erhaltenen Rüstungsgüter nicht ohne Genehmigung weiterzugeben.
Dass die Bewaffnung von Wagner-Söldnern nicht immer solche Regeln einhält, legt ein UN-Bericht von 2021 für die Zentralafrikanische Republik nahe: Demnach zweigten Wagner-Söldner auch dort Waffen aus russischen Lieferungen zum Eigengebrauch ab - obwohl diese vertraglich nur vom zentralafrikanischen Militär genutzt werden durften. Das UN-Komitee wertete das als "Verstoß gegen Endverbleibserklärungen".
Malis Militär-Regime schweigt zu den Vorwürfen
Der Bericht erhebt schwere Vorwürfe gegen die Militärführung des ATT-Mitgliedsstaates Mali: Hat das Militär Ausrüstung an Wagner weitergegeben und somit gegen Endverbleibserklärungen verstoßen? Die DW kontaktierte mehrere Mitglieder des Übergangsparlaments sowie der malischen Führung. Sie haben eine Stellungnahme abgelehnt oder bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht auf unsere Anfragen reagiert.
Mitarbeit: Kossivi Tiassou