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Wie sicher sind die Fans bei der EURO 2024?

Oliver Moody
11. Juni 2024

Zur Fußball-EM in Deutschland werden Millionen Gäste erwartet, die in den Stadien und auf öffentlichen Plätzen ein Fußballfest feiern. Wie wird für Sicherheit gesorgt, in Zeiten von Terrorismus und anhaltender Konflikte?

Polizisten mit Helm, Sturmhauben und kugelsicheren Westen bei Übung im Stadion in Stuttgart
Bestens gerüstet: In Übungen wie dieser im Stuttgarter Stadion hat sich die Polizei auf mögliche Gefahrenlagen vorbereitetBild: Daniel Kubirski/picture-alliance

Die Fußballfans werden bei der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland die ganze Bandbreite an Emotionen erleben, wenn ihre Mannschaften auf dem Platz um sportlichen Erfolg kämpfen. Abseits des Spielfelds steht jedoch viel mehr auf dem Spiel: Mit 51 Spielen in zehn Städten, die Millionen von Zuschauern anziehen, ist das Turnier aufgrund seines Profils und seines Umfangs sowohl eine große Herausforderung für die Sicherheitskräfte als auch ein attraktives Ziel für potentielle Unruhestifter.

"Jeder wird in den Wochen, in denen hier die Europameisterschaft stattfindet, auf Deutschland schauen", sagt Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project gegenüber der DW. Die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York, London und Berlin bekämpft extremistische Gruppen. "Das bedeutet, dass unsere Gegner versuchen werden, alles zu tun, um die Veranstaltung zu stören."

Die Angst vor einem Terroranschlag auf die Europameisterschaft hat zugenommen, seit im März bei einem Anschlag auf eine Konzerthalle am Stadtrand von Moskau, zu dem sich ein Ableger der Gruppe Islamischer Staat(IS) bekannte, 145 Menschen getötet wurden. Eine anschließend in einer IS-Propagandazeitschrift veröffentlichte Drohung deutete darauf hin, dass auch die Fußball-EM ein Ziel sein könnte.

Hans-Jakob SchindlerBild: DW

Allerdings, so Schindler, mache es der öffentliche Charakter dieser Drohung weniger wahrscheinlich, dass tatsächlich ein koordinierter Angriff geplant sei. "Man macht keine Werbung für seine komplexen Anschläge", erklärt der Experte. "Man versucht damit, Propaganda zu verbreiten, die Sicherheitskräfte vor Ort nervöser zu machen, als sie es normalerweise wären, und hofft, einzelne Akteure zu motivieren, etwas zu tun." Ein ähnlicher Aufruf während der K.o.-Phase der Champions League in dieser Saison führte zu keinem Zwischenfall.

Bedrohung durch einen "einsamen Wolf"?

Deutschland war schon einmal Ziel eines Anschlags durch einen sogenannten "einsamen Wolf", einen Einzeltäter, der nicht zu einem größeren Kommando gehörte: 2016 fuhr ein Mann, der sich zum IS bekannt hatte, mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz und tötete dabei 13 Menschen. Noch frisch sind die Erinnerungen an die Messerattacke in Mannheim, bei der im Mai ein Polizist getötet und fünf weitere Menschen verletzt. Die Behörden gehen davon aus, dass der Tatverdächtige auch hier islamistisch motiviert war.

Schindler sieht in dieser Art von Vorfällen die größte Bedrohung für Deutschland. "Was wirklich schwierig bleibt, ist, jemanden herauszufiltern, den man nicht auf dem Radar hat, der sich einfach selbst oder innerhalb einer Gruppe von Freunden radikalisiert und dann beschließt, ein Messer zu nehmen, in eine Fanzone zu gehen und ein paar Leute abzustechen", sagt Schindler.

An den Spieltagen wird daher ein mehrstufiges Sicherheitssystem greifen. Nur wer eine Eintrittskarte hat oder akkreditiert ist, darf die Arena betreten. An den Zugängen zum Stadion werden Taschenkontrollen und Leibesvisitationen durchgeführt - und das inmitten einer großen Polizeipräsenz.

Unübersichtliche Fanzonen

Die Fanzonen, von denen es in jeder Gastgeberstadt mindestens eine geben wird, sind eine komplexere Herausforderung, da sie weitaus mehr Menschen anziehen. Die deutsche Bundesregierung geht davon aus, dass bis zu zwölf Millionen Menschen die offiziellen Fanzonen besuchen werden, etwa fünfmal so viele wie die 2,7 Millionen Zuschauenden in den Stadien. Für die Fanzonen gibt es keine Eintrittskarten. Daher ist es schwieriger zu kontrollieren, wer den Bereich betritt.

In der Berliner Fanzone am Brandenburger Tor rechnet man pro Spieltag mit rund 130.000 BesuchernBild: Geisler-Fotopress/picture-alliance

"Es ist ganz klar, dass Fanzonen die klassische Definition eines 'weichen' Ziels [ungeschütztes oder nur äußerst schwer zu schützendes Ziel - Anm. d. Red.] für Terrorismus sind", sagt Schindler. "Fanzonen dürfen im Sicherheitskonzept nicht nachrangig behandelt werden. Sie müssen bei der Planung auf der gleichen Sicherheitsstufe stehen. Wie auch immer man das physisch umsetzt, sie müssen die gleiche Priorität haben wie die eigentlichen Spiele."

Behörden haben Hausaufgaben gemacht

Auch wenn der Gedanke an einen Anschlag die Fans beunruhigt, haben sich die Behörden auf diese Bedrohungen vorbereitet. Für die Europameisterschaft wurde ein nationales Sicherheitskonzept entwickelt. Es sieht während des Turniers Grenzkontrollen für Einreisende aus anderen Schengen-Ländern vor. Ein spezielles Polizeizentrum soll relevante Sicherheitsinformationen aus dem gesamten Kontinent koordinieren. Rund 350 Beamte aus anderen Staaten beraten die deutschen Kräfte.

"Die Sicherheit der Europameisterschaft in unserem Land hat oberste Priorität. Alle Sicherheitsdienste bereiten sich auf höchstem professionellem Niveau vor", sagte Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser. "An allen Austragungsorten und überall dort, wo sich viele Menschen aufhalten, wird es eine starke Polizeipräsenz geben."

Cyberattacken aus Russland?

Die Sicherheitslage wird auch durch den russischen Krieg gegen die Ukraine erschwert. Die ukrainische Mannschaft hat sich für das Turnier qualifiziert, während Russland von der UEFA weiterhin gesperrt ist.

"Es wird in Russland eine enorme Propaganda gegen die ukrainische Mannschaft geben", prophezeit Terror-Experte Schindler. "Ich gehe davon aus, dass es überall dort, wo das ukrainische Team untergebracht ist, eine Demonstration geben wird, wann immer die Mannschaft spielt."

Die Sicherheitskommandozentrale der EURO ist das International Police Cooperation Center (IPCC) in Neuss bei DüsseldorfBild: picture-alliance/dpa

Allerdings hält Schindler einen digitalen Angriff für wahrscheinlicher als einen physischen. "Offensichtlich ist der Cyberbereich bedroht. Er ist jetzt eine aktive Kampfzone", sagt der Terrorismusexperte. "Wird Russland bereit sein, so weit zu gehen und Gewalt zu organisieren? Ich bin sicher, dass es ihnen nichts ausmachen würde, wenn es jemand anderer täte. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie tatsächlich aktiv versuchen werden, Gewalt in Deutschland zu schüren."

Faeser: "Wir laden alle ein, unsere Gäste zu sein"

Insgesamt glaubt Schindler, dass die Fans entspannt zum Turnier reisen können, solange sie ihren Teil dazu beitragen, dass alles reibungslos abläuft. "Man muss keine Angst haben, dass man in eine Todesfalle läuft. Das Turnier ist gut organisiert und gut geschützt", glaubt der Experte. "Aber es erfordert von jedem Einzelnen ein wenig Beteiligung. Seien Sie nicht gewalttätig! Seien Sie nicht dumm, seien Sie nicht naiv! Wenn Sie etwas sehen, sagen Sie etwas!"

Innenministerin Faeser ist der gleichen Meinung. "Natürlich gibt es Risiken, und wir müssen sie erkennen", sagte sie. "Wir tun alles, was wir können, um Terroranschläge und andere Dinge zu verhindern. Wir tun sehr viel für die Sicherheit. Und wir laden alle ein, unsere Gäste zu sein."

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.

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