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Politik

Wie sieht ein "deutscher Islam" aus?

Richard A. Fuchs
13. Juli 2018

Das Innenministerium will der Islamkonferenz einen neuen Zuschnitt verpassen. Der Einfluss der organisierten und oft konservativen Islamverbände soll geringer werden. Nicht alle halten das für eine gute Idee.

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Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Nach der Sommerpause soll es bei der Deutschen Islamkonferenz anders zugehen. Das zumindest wünscht sich das einladende Bundesinnenministerium unter Amtsinhaber Horst Seehofer von der CSU. Sein Staatssekretär Markus Kerber trat am Freitag via "Bild"-Zeitung eine Debatte los, als er ankündigte: "Wir müssen viel stärker als bisher die Vielzahl der in Deutschland noch nicht organisierten muslimischen Mitbürger ins Zentrum der Islamkonferenz stellen."

Was Kerber damit nicht sagt, aber natürlich meint: Der starke Einfluss der islamischen Verbände mit ihrer oft konservativen Auslegung der Religionsgesetze soll in dem Dialogforum zurückgedrängt werden. In der 2017 abgelaufenen Arbeitsphase der Islamkonferenz waren nur Repräsentanten von diesen Verbänden Mitglieder des Gremiums. Kritiker hatten darauf verwiesen, dass muslimisches Leben in Deutschland bunter sei. Und im März erklärten säkulare Migrantenverbände die Islamkonferenz für gescheitert, sollte sie nicht reformiert werden.

"Die islamischen Verbände ausgrenzen, das geht nicht"

Erika Theißen schüttelt den Kopf. Die Kölnerin war im Jahr 2015 Beraterin des Dialogforums und leitet ein Fortbildungszentrum für muslimische Frauen in Köln. Sie konvertierte vor 30 Jahren zum Islam, "als das mit dem Islam noch nicht so heikel gewesen ist", wie sie im Gespräch mit der DW erzählt. Sie klingt dabei etwas entnervt darüber, wie verbissen derzeit über das Verhältnis zwischen Staat und Islam gestritten wird.

Die Idee, den Einfluss der islamischen Verbände zurückdrängen zu wollen, betrachtet sie als gläubige Muslimin skeptisch. "Die Verbände ausgrenzen, das geht nicht." Jeder, der glaube, der brauche auch Gotteshäuser und Moscheegemeinden. Es gehe also schlichtweg nicht, diese Akteure in einem interreligiösen Dialog unberücksichtigt zu lassen. "Es würde ja auch keinen christlichen Dialog voranbringen, wenn man ausschließlich Gegner des Christentums reinbringen würde", argumentiert die Pädagogin. Dass die deutsche Politik Moscheegemeinden immer wieder unter Generalverdacht stelle, habe viele Mitglieder stark verunsichert, sagt Theißen.

Der Ort der kritischen Debatte ist die Islamkonferenz  

Gökay Sofuoğlu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, einem der angesprochenen Verbände, zeigt sich dagegen erstaunlich offen für die Pläne im Ministerium. Der DW sagte er: "Der Dialog in der Islamkonferenz kann nicht nur mit den bestehenden Verbänden fortgeführt werden." Es brauche einen Diskurs mit kritischen Persönlichkeiten, die die organisierten Verbände in ihren Ansichten herausfordern. "Der Ort für diese Auseinandersetzung muss die Deutsche Islamkonferenz sein", findet der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde. Deshalb führe auch kein Weg an einer Neustrukturierung der Islamkonferenz vorbei. Kerber kündigte an, dass vermutlich bereits im November wieder Einzelpersonen in das Gremium aufgenommen werden sollen, und zwar "sicher auch kritische muslimische Stimmen zum Islam".

Er zeigt sich offen: Gökay Sofuoglu von der Türkischen Gemeinde DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Das Ziel der Reform sei es, argumentiert Staatssekretär Kerber, die Definition eines "deutschen Islam" voranzubringen. "Fest steht: Es gibt einen deutschen Katholizismus, es gibt einen deutschen Protestantismus, und es gibt ein deutsches Judentum". Es könne und müsse also auch einen deutschen Islam geben, findet Kerber. Er ist im Innenministerium für das neu gegründete Ressort Heimat zuständig. Gökay Sofuoğlu empfindet die Suche nach einem solchen deutschen Islam einigermaßen befremdlich: "Religionen nach Nationen zu definieren, das ist etwas schwierig." Aber auch er hoffe, dass man schon in einigen Jahren einen Islam habe, der dann wirklich zu Deutschland gehöre. Irritiert zeigte sich der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde aber darüber, dass die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, bei einem Treffen mit islamischen Verbänden am Dienstag kein Wort über die Pläne der Bundesregierung verloren habe.

Ein Innenminister, der die jüngste Islamkonferenz im Juni boykottierte: Horst Seehofer von der CSUBild: Imago/Sven Simon/F. Hoermann

Wegen der komplizierten Mitgliederstruktur der derzeit bestehenden Verbände gibt es keine Staatsverträge wie mit den Kirchen, in denen Rechte wie Religionsunterricht, Seelsorge in staatlichen Einrichtungen und der Einzug von Kirchensteuern geregelt sind. Für den islamischen Religionsunterricht und Lehrstühle für islamische Theologie an deutschen Hochschulen wurden Hilfskonstrukte entwickelt. Eine der offenen Fragen ist nach wie vor die Ausbildung von Imamen in Deutschland. Staatsekretär Kerber wandte sich auch gegen die Einflussnahme der Türkei in Deutschland. Dies sei schon deshalb nötig, "um die Interessen der muslimischen deutschen Staatsbürger besser schützen zu können". Bundeskanzlerin Angela Merkel habe sich zurecht im vergangenen Jahr jede Art von Einmischung verbeten. "Mezut Özil und die Millionen anderen türkeistämmigen deutschen Staatsangehörigen gehören nämlich zu uns dazu", sagte Kerber mit dem Verweis auf den Fußballspieler, der vor der Weltmeisterschaft wegen eines Fotos mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan in die Kritik geraten war.

Nach Angaben einer Sprecherin des Bundesinnenministeriums wird es aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit "vermutlich" keine feste Mitgliedschaft mehr geben, sondern "eine flexible, themenorientierte und letztlich formatabhängige Zusammensetzung" . Die Frage, wer den Islam in Deutschland also repräsentieren kann und darf, wird auch künftig die Debatte bestimmen.

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