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GesellschaftAsien

Wie soziale Medien den Protesten in China helfen

William Yang Taipeh
12. Dezember 2022

Twitter, Instagram und VPNs: Westliche soziale Medien haben eine entscheidende Rolle bei den Protesten gegen Chinas Null-COVID-Politik gespielt. Und sie befeuern ein neues Gemeinschaftsgefühl.

Gedenken und Protest nach Feuer in Urumqi
Weißes Papier: Auch das ist eine Protestgeste in ChinaBild: Thomas Peter/REUTERS

Am Ende lenkte die Staatsführung ein: Nach massiven Protesten hat die chinesische Regierung ihre strikten Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie gelockert. Zuvor gingen Menschen gegen strenge Quarantäne- und Testauflagen auf die Straßen, hielten Mahnwachen mit Kerzen ab, reckten leere weiße Blätter in die Höhe - ein Versuch, die eingeschränkte Meinungsfreiheit zu umgehen. Wiederholt gab es auch gewaltsame Zusammenstöße mit Sicherheitskräften.

Ein wichtiger Faktor für die Proteste waren soziale Netzwerke: Vor allem Twitter hat bei der Verbreitung von Informationen eine Schlüsselrolle gespielt. Die Plattform ist in China seit 2009 verboten, aber die Menschen im Land können sie über VPNs nutzen, also bestimmte Programme, die ihren Standort verschleiern.

Ein Account als Multiplikator

Ein Twitter-Account stach jüngst besonders hervor. Unter dem Pseudonym "Li Laoshi" oder auch "Lehrer Li" wurden dort unzählige Videos und Bilder anonym weiterverbreitet, die chinesische Bürger zuvor dem Account-Inhaber geschickt hatten, um über die Demonstrationen in China zu informieren. Der Account hat mehr als 800.000 Follower und wird von vielen Journalisten, Akademikern und China-Beobachtern verfolgt.

Die sozialen Netzwerke helfen aber nicht nur dabei, die Außenwelt zu informieren, sondern auch die Chinesen über die Geschehnisse in ihrem eigenen Land. "Während die meisten Videos und Bilder von den Protesten auf chinesischen Social-Media-Plattformen wie Weibo innerhalb von Minuten wieder verschwinden, können diese Inhalte auf Twitter erhalten bleiben", sagt Account-Betreiber Li, der außerhalb Chinas lebt, der DW. Deswegen wollten viele Chinesen die Zensurmaßnahmen umgehen, um zu erfahren, was seit Beginn des Aufbegehrens passiert ist.

Auf die Frage, warum sein Account zu einer wichtigen Informationsquelle wurde, erwiderte Li, dass zu Beginn der Proteste Twitter-Accounts fehlten, die diese objektiv dokumentierten. "Viele Leute teilen zwar ähnliche Inhalte, aber sie teilen sie auf subjektive Weise", so Li. Doch wenn Chinesen schon die strengen Beschränkungen der Regierung umgehen, dann wollten sie Benutzerkonten folgen, "die erklären, was passiert ist, ohne persönliche Gefühle".

Soziale Netzwerke verbinden

Viele Chinesen nutzten westliche soziale Netzwerke, das zeige die große Menge der Posts, betont Yaqiu Wang, Forscherin bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) mit Schwerpunkt China. "Während es normalerweise den Anschein hat, dass sich nicht allzu viele Chinesen auf Twitter tummeln, zeigt sich in kritischen Momenten wie diesen, dass viele Chinesen immer noch Informationen von dort erhalten."

Instagram spielte Yaqiu Wang zufolge eine wichtige Rolle dabei, Informationen über Proteste in verschiedenen Ländern zu verbreiten. Viele chinesische Studenten im Ausland hätten an Demonstrationen teilgenommen, nachdem sie relevante Informationen auf der Plattform gelesen hatten.

Das Feuer in Ürümqi löste auch in anderen Ländern Proteste aus, wie hier in Los Angeles, USABild: Mario Tama/AFP/Getty Images

Sid, ein Student aus China, hat mehrere Veranstaltungen an der Universität Oxford mitorganisiert. Begonnen hatte es mit einer Mahnwache, nachdem in Ürümqi während des Lockdowns zehn Menschen bei einem Brand in einem Wohnhaus gestorben waren. Die Studierenden nutzten unter anderem Instagram und Twitter, um ihre Aktionen publik zu machen.

Auch an anderen Hochschulen formierte sich Protest. Sid glaubt, dass die sozialen Medien eine unverzichtbare Rolle dabei spielen, die Dynamik dieser transnationalen Bewegung aufrechtzuerhalten. "Wegen des Zensurregimes in China können die meisten Botschaften in dem Land nur schwer verbreitet werden", so Sid. Doch auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen sei es sogar möglich gewesen, die Proteste in Shanghai und anderen Teilen der Welt live auf Instagram zu verfolgen.

Der Student glaubt, Twitter und Instagram seien inzwischen für Chinesen die wichtigsten Plattformen geworden, um an Informationen zu gelangen. "Sie helfen dabei, eine enge Verbindung zwischen den Menschen in China und den Auslandschinesen aufzubauen." 

Lockerungen der Maßnahmen: Vielerorts sollen es nicht mehr so strenge Regeln für eine Testpflicht gebenBild: Ryan Woo/REUTERS

Wissenschaftlerin Yaqiu Wang bestätigt das. Die Proteste im Ausland spiegelten "den dezentralen Charakter der Bewegung wider. Die Menschen versammeln sich, nachdem sie Informationen in den sozialen Medien gelesen haben, und sie entwickeln vor Ort ein Gemeinschaftsgefühl."

Der Geist der Tiananmen-Proteste

Jemand, der Erfahrungen mit Protesten gegen die chinesische Führung hat, ist Zhou Fengsuo. Der Aktivist war Studentenführer während der Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking im Jahr 1989 und ist Präsident der Menschenrechtsorganisation Humanitarian China.

Auch Zhou betont die wichtige Rolle, die die sozialen Medien in den vergangenen Wochen gespielt haben. "Die Chinesen haben Twitter, Instagram und Telegram zu virtuellen Plätzen gemacht, auf denen sie sich versammeln, Informationen austauschen und mobilisieren können." Die Situation sei "sogar besser" als bei den Tiananmen-Protesten. "Die Kommunistische Partei Chinas kann nicht so leicht eingreifen und die Ideologien, die auf diesen Cyber-Plätzen kursieren, nicht so leicht kontrollieren."

Unabhängig davon, wie es jetzt mit der Bewegung weitergeht, habe sie der jungen Generation geholfen zu verstehen, wie wichtig es sei, "ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen", sagt der Aktivist. Und er fügt hinzu: "Dies ist auch der Geist der Proteste auf dem Tiananmen-Platz, als die jungen Menschen nicht länger ein Leben unter der Kontrolle des Regimes akzeptieren wollten."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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