1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie stark ist Obama?

Gero Schließ, Washington5. März 2014

Die russische Besetzung der Krim stellt US-Präsident Barack Obama vor eine bisher ungekannte Herausforderung. Innenpolitisch steht er unter wachsendem Druck. Welche Optionen hat er?

USA Präsident Barack Obama nachdenklich müde (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Kein Zweifel: Die Besetzung der Krim durch russische Einheiten ist die bisher größte außenpolitische Herausforderung für Präsident Obama. Nach seinem zögerlichen Agieren in den Konflikten mit Iran und Syrien ist das Zutrauen in seine Fähigkeiten als Krisenmanager bei manchen hierzulande nicht groß: "Ist Mr. Obama hart genug, es mit dem früheren KGB Oberst im Kreml aufzunehmen?", fragte beispielsweise die New York Times mit provokantem Unterton.

McCain: Obamas Außenpolitik "nutzlos"

An harter Kritik bereits zum jetzigen Zeitpunkt fehlt es nicht. Obamas Außenpolitik sei "nutzlos" und mitverantwortlich für die jetzige Krise, wettert der republikanische Senator John McCain. Gegenüber der Deutschen Welle war er vor einigen Tagen noch weiter gegangen und hatte festgestellt, die Obama-Administration habe überhaupt keine Strategie für die Sicherheitspolitik, die sei "nicht existent". Viele haben noch gut in Erinnerung, dass der Präsident die internationalen Geschicke "aus der zweiten Reihe" lenken wollte. Iran und Syrien haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und Wladimir Putin führte ihn während der Affäre um den Whistleblower Edward Snowden geradezu vor.

Wie sieht Führungsstärke aus ?

Der frühere Botschafter der USA in Polen, Lee Andrew Feinstein, nimmt Obama in Schutz: "Man muss fair sein: Der Präsident und Außenminister Kerry haben auf die russische Provokation sehr stark reagiert. Kerry hat das eine internationale Aggression genannt, Obama sprach von einer klaren Verletzung des internationalen Rechts." Erst Tage später hätten sich die Europäer gleichlautend geäußert. Feinstein sieht das als Beleg von "amerikanischer Führungsstärke". Man müsse Putin aber jetzt erst einmal einen Ausweg lassen, damit er seinen Kurs noch gesichtswahrend ändern könne.

US-Außenminister Kerry traf bei seinem Besuch in Kiew auch den Übergangs-Ministerpräsident Jazenjuk (rechts)Bild: Reuters

"Schlinge um Putins Russland"

Davon wollen freilich jene wenig wissen, die dem Präsidenten öffentlich Ratschläge geben: "Legen Sie eine demokratische Schlinge rund um Putins Russland", empfiehlt der republikanische Senator Lindsey Graham. Sein Parteifreund aus Florida und mögliche Präsidentschaftskandidat, Senator Marco Rubio, will "nochmal auf das Raketenabwehrsystem zurückkommen", ohne zu erwähnen, dass eben dieses System in einem ersten Schritt bereits installiert ist. Andere wollen Putin einfach aus der G8-Gruppe werfen.

Kornblum: Obamas Spielraum begrenzt

Bereits nach den ersten Nachrichten vom Vorrücken russischer Einheiten auf die Krim hatte der frühere US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, gegenüber der Deutsche Welle den begrenzten Spielraum Obamas abgesteckt: Essenziell sei, die territoriale Integrität zu verteidigen. "Aber wenn Sie das sagen, was bedeutet das? Klar ist, dass es nicht militärische Aktionen bedeutet. Aber es könnte starke poltische und wirtschaftliche Aktionen bedeuten."

John Kornblum, früherer US-Botschafter in DeutschlandBild: picture-alliance/ZB

Präsident Obama hat Putin früh mit einem "Preis" gedroht, den er zahlen müsse. Zurzeit schnürt seine Administration ein Paket mit Wirtschaftssanktionen. Außerdem soll Russland international isoliert werden. Die Aussetzung der Vorbereitungen vor dem G8-Gipfel in Sotschi war ein erstes Signal in dieser Richtung. Es gehe darum, Russland politisch, diplomatisch und wirtschaftlich zu isolieren, sagte US-Außenminister John Kerry jetzt in Kiew. Gleichzeitig überbrachte er der Ukraine die Zusage für eine US-Finanzhilfe in Höhe von einer Milliarde Dollar. Damit ist der Aktionsradius Obamas umrissen: wirtschaftlicher und diplomatischer Druck auf Russland und gleichzeitig Unterstützung für die Ukraine. Militärische Aktionen fordert derzeit niemand in den USA.


Wird es das noch einmal geben? Ein Treffen der Präsidenten Obama und Putin bei einem G8-TreffenBild: Reuters

Sollte die Lage weiter eskalieren und es zu einer offiziellen Annexion der Krim durch Russland kommen, würden die USA laut Feinstein mit dem Einfrieren von russischem Vermögen und einem begrenzten Zugang russischer Firmen auf den internationalen Finanzmarkt reagieren. "Das wäre sehr bedeutsam; denn bedenken Sie: Das ist nicht das Russland des Einmarsches nach Afghanistan, sondern das Russland des Jahres 2014, integriert in die Weltwirtschaft."

Schulterschluss mit Europa wichtig

Obama ist nicht ohne Grund auf einen Schulterschluss mit Deutschland und der Europäischen Union bedacht. Ohne Europa wären amerikanische Wirtschaftssanktionen wirkungslos. Das Handelsvolumen der Europäer mit Russland ist gut zehnmal höher als das der Amerikaner. Entsprechend schmallippig geben sich die Europäer zurzeit bei diesem Thema. Falls Wladimir Putin sich von seinem Kurs nicht abbringen lasse und seine Truppen möglicherweise sogar in die östlichen Provinzen der Ukraine einmarschieren, "dann werden wir eine lange, systematische, breit ausgerichtete Politik des ökonomischen Drucks und der diplomatischen Isolierung haben", prophezeit Lee Feinstein. "Die wird lange Zeit anhalten, bis Russland überzeugt werden kann, seinen Kurs zu ändern."

Bush und Obama

Die gleiche Rhetorik war allerdings schon im Jahre 2008 zu hören, als russische Truppen Teile Georgiens besetzten. Russland hat seine Positionen bis heute nicht geräumt. Damals hieß der Präsident George W. Bush. Und amerikanische Medien verweisen darauf, dass ihm exakt die gleichen - begrenzten - Optionen zur Verfügung standen wie heute Obama.

"Es ist derzeit populär, von den begrenzten Mitteln der Amerikaner und Europäer zu reden", meint Feinstein. "Aber wenn die Amerikaner und Europäer mit einer Stimme sprechen, da ist sehr viel, was beide machen können." Außerdem gibt er zu bedenken: "Russland ist keine Insel. Es hat zwar viele Bodenschätze und Geld, aber ist auch tief integriert in die internationale Wirtschaft. Ich würde die Wirkung auf Putin nicht unterschätzen."

Damals herrschte Krieg: russisches Eingreifen in GeorgienBild: Marco Longari/AFP/Getty Images

Was plant die NATO?

Auch wenn bei den Strategen in den USA und Europa zur Zeit das Bemühen um Deeskalation im Vordergrund steht, schwingen doch in manchen Wortmeldungen unausgesprochene Machtoptionen mit, die auf das Einbringen des militärischen Gewichts des Westens nicht verzichten wollen. "Es ist noch zu früh, um über andere mögliche Kooperationen zu reden", meint Feinstein vielsagend. "Aber die NATO plant, sie ist unsere gemeinsame Verteidigungsorganisation. Hoffen wir nicht, dass wir diesen Weg gehen müssen."