Digital Necromancy: Das Geschäft mit den toten Stars
Elizabeth Grenier dö
17. Dezember 2019
Tot und trotzdem Kassenschlager: Carrie Fisher als Prinzessin Leia in Star Wars, James Dean im Vietnamkriegs-Epos, Amy Winehouse auf Tour als Hologramm. Aber ist das wirklich eine gute Idee?
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Zehn tote Stars, die schon vor James Dean wiederbelebt wurden
Mit Computereffekten lassen sich Filme vervollständigen, deren Stars mitten im Dreh starben. Sogar längst verstorbene Ikonen wie Audrey Hepburn oder Bruce Lee wurden für umstrittene Werbespots zu neuem Leben erweckt.
Bild: Imago Images/Lucasfilm
Carrie Fisher in "Star Wars"
Damit Prinzessin Leia trotz Carrie Fishers Tod 2016 in der neunten "Star Wars"-Episode auftreten konnte, hat man unveröffentlichte Aufnahmen der Schauspielerin verwendet, die für "Das Erwachen der Macht" und "Die letzten Jedi" gedreht worden waren. So entstand eine Hommage an die Schauspielerin, die von Beginn an Teil der Serie war. Der letzte Teil des Film-Epos kommt im Dezember 2019 ins Kino.
Bild: Imago Images/Lucasfilm
Peter Cushing in "Rogue One: A Star Wars Story".
Cushing trat 1977 im ersten Star Wars-Film als "Imperial Officer" Grand Moff Tarkin auf. Der 1994 Verstorbene lebte 2016 für "Rogue One: A Star Wars Story" wieder auf - neben einer 19-jährigen Carrie Fisher. Beide Charaktere erstanden computergeneriert; fremde Schauspieler liehen ihnen ihre Körper. Das löste eine ethische Debatte aus: Soll man längst verstorbene Schauspieler wiederbeleben?
Bild: Imago Images/Mary Evans/Lucasfilm
Philip Seymour Hoffman in "Die Tribute von Panem: Mockingjay"
Die meisten von Philip Seymour Hoffmans Szenen für die zwei Teile von "Die Tribute von Panem: Mockingjay" waren gedreht, bevor er 2014 an einer Überdosis starb. Gerüchten zufolge sollten die übrigen digital erschaffen werden. Da aber das nuancierte Auftreten des Schauspielers nicht von einem PC generiert werden konnte, wurde das Skript umgeschrieben. Nur wenige Einstellungen sind nun animiert.
Bild: Imago Images/Prod.DB
Oliver Reed in "Gladiator"
Der englische Schauspieler starb an einem Herzinfarkt - inmitten der Dreharbeiten zu Ridley Scotts "Gladiator" (2000). Auch hier wurde das Skript überarbeitet und einige wichtige Szenen wurden durch Animationen existierender Einstellungen von Reed erzeugt. Posthum wurde Reed für die Rolle des Antonius Proximo mit einem BAFTA Award geehrt.
Bild: Imago Images/Mary Evans/Dreamwork
Roy Scheider in "Iron Cross"
Der Schauspieler, der als Polizeichef Martin Brody in "Der weiße Hai" (1975) bekannt wurde, starb vor Ende der Dreharbeiten zu "Iron Cross" (2009). In seiner letzten Filmrolle besucht Scheider als New Yorker Polizeibeamter im Ruhestand und Holocaust-Überlebender seinen Sohn in Nürnberg. Die noch fehlende Szene schuf ein Mix aus traditioneller und neuer Methode: Maske plus Computeranimation.
Bild: picture-alliance/Newscom/J. Barrett
Audrey Hepburn in einer Schokoladenwerbung
Der Star zeitloser romantischer Komödien wie "Ein Herz und eine Krone" (1953) oder "Frühstück bei Tiffany" (1961) verkörpert kokette Eleganz: Ihre Filme beschwören die Nostalgie einer vergangenen Ära - perfekt, um ein Produkt zu bewerben. Eine junge Version der späten Hepburn wurde 2014 mit Computertechnik für eine Schokoladen-Werbung kreiert. Trotz aktueller Methode agierte sie aber roboterhaft.
Bild: picture-alliance/dpa/News Blitz Mailand
Bruce Lee in einem Whisky-Spot
Die Kampfsport-Legende, 1973 verstorben, wurde 2013 für eine Johnnie Walker Whisky-Werbung in China "erweckt". Für den im modernen Hong Kong spielenden Spot wurden Computereffekte und ein Lee ähnlich sehender Schauspieler eingesetzt. Die Fans waren schockiert. Nicht nur, weil der Spot eine blasse Version der Ikone zeigt, sondern weil es um Alkohol geht – von dem sich der Star stets fernhielt.
Bild: picture-alliance/United Archives/IFTN
Brandon Lee in "Die Krähe"
Bruce Lees Sohn verletzte sich tödlich am Set von "Die Krähe" – nur wenige Tage vor dem Ende der Dreharbeiten. Regisseur Alex Proyas entschied, die Arbeit am Film dennoch zu beenden. Lee wurde der erste tote Schauspieler, der durch Computertechnologie zum Leben erweckt wurde. Sein Stuntdouble übernahm und bekam im Nachhinein Lees Gesicht verpasst. Der Film von 1994 wurde ein Kultklassiker.
Bild: United Archives/IMAGO
Paul Walker in "Fast & Furious"
Etwa bei der Hälfte der Dreharbeiten zu "Furious 7" starb Paul Walker bei einem Autounfall. Nichtsdestotrotz wurden seine Szenen kunstvoll mit Hilfe von Computertechnologie vervollständigt. Pauls Bruder, Cody, ersetzte ihn. Später wurden dann die Gesichtszüge des 15 Jahre älteren Pauls eingebaut - in 260 Aufnahmen. Der Effekt ist ziemlich überzeugend.
Laurence Olivier in "Sky Captain and the World of Tomorrow"
Der britische Theaterschauspieler war bereits 13 Jahre lang tot, als er für den Retro-Science-Fiction-Film "Sky Captain and the World of Tomorrow" (2004) wiedererschaffen wurde. Sir Laurence Oliviers posthumer Filmcharakter des Dr. Totenkopf erscheint in Form eines körperlosen Kopfes. Alle Aufnahmen wurden existierenden Filmpassagen entnommen. Auch dieser Film wurde ein Kultklassiker.
Bild: Getty Images/J. Downing
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Carrie Fisher starb im Jahr 2016. Dennoch erscheint sie im neuen Star Wars-Film "Der Aufstieg Skywalkers", der jetzt in die Kinos kommt - posthum. Auch wenn die Macher des Films die Möglichkeiten digitaler Effekte dafür genutzt haben, sie als Prinzessin Leia wiederzubeleben und in diesen Film zu integrieren, Fishers Auftritt ist kein reines Produkt geschickt programmierter Rechenprozesse. Regisseur J. J. Abrams und das Produktionsteam haben ungenutztes Filmmaterial der früheren Star Wars-Dreharbeiten verwendet und in die neue Geschichte eingearbeitet.
Diskussionen um das digitale Comeback
Während einige Fans von Schauspielerin Carrie Fisher begeistert davon waren, sie auf der Leinwand wiederzusehen, lösten die Ankündigungen weiterer Reinkarnationen eher Entsetzen aus.
Im November 2019 kündigte die Produktionsfirma Magic City Films an, dass der bereits 1955 gestorbene legendäre US-Schauspieler James Dean in einem Vietnamkriegs-Drama auftreten werde. Deans digitale Auferstehung solle in "Finding Jack" - so der Titel - eine Hauptrolle erhalten.
Kult-Schauspieler James Dean starb 1955 im Alter von 24 Jahren bei einem Autounfall - und war schon da eine Legende. Er hatte bis dahin nur in drei großen Filmproduktionen die Hauptrolle gespielt: "... denn sie wissen nicht, was sie tun", "Jenseits von Eden" und in dem Leinwand-Epos "Giganten".
Werbegag oder Rückkehr auf die Leinwand
Viele Fans waren empört – auch deshalb, weil die Produzenten des Films behaupteten, es gäbe einfach keine geeigneten Anwärter für die Rolle, statt zuzugeben, dass die sich mit der filmischen Wiederauferstehung von James Dean einen gigantischen Werbegag ausgedacht haben.
"Wir haben überall nach der perfekten Besetzung für die Rolle von Rogan gesucht, die in der Geschichte eine extrem komplexe Entwicklung durchmacht. Und nach monatelanger Recherche entschieden wir uns für James Dean", sagte Regisseur Anton Ernst.
Es hat bereits eine Reihe von toten Prominenten gegeben, die in der Vergangenheit durch CGI, also digitale Spezialeffekte, "wiederbelebt" wurden. Der häufigste Grund war, weil sie während der Dreharbeiten gestorben sind und man den Film trotzdem mit ihnen veröffentlichen wollte. Die Szenen wurden meist mit bereits gedrehtem Filmmaterial erstellt, wie auch im Fall von Carrie Fisher.
Die Wiederkehr des Star-Wars-Bösewichts
Eine völlig neue Herausforderung war es, Schauspieler Peter Cushing, der schon 1994 gestorben war, als Star-Wars-Bösewicht im 2016 erschienenen Film "Rogue One: A Star Wars Story" auftreten zu lassen. Anders als bei James Dean war sein Auftritt zumindest an eine von ihm auch vorher gespielte Rolle geknüpft.
Die Schauspieler Guy Henry und Ingvild Deila hauchten den Rollen des Todesstern-Kommandanten Tarkin und der jungen Prinzessin Leia Organa in "Rogue One" neues Leben ein. Sie sahen der ursprünglichen Besetzung von 1977, Peter Cushing und Carrie Fisher, ziemlich ähnlich und durften deshalb ihre Rollen übernehmen. Danach wurden die Aufnahmen digital bearbeitet, um es so aussehen zu lassen, als ob Cushing und Fisher selbst noch am Set dabei gewesen seien.
Um den digitalen wiederbelebten James Dean dazu zu bewegen, diese komplexe Charakterentwicklung auf die Leinwand zu bringen, braucht es aber noch einen Schauspieler aus Fleisch und Blut, der als Double für die Aufnahmen dienen soll. Die "Monate der Recherche" sind für die Produktionsfirma also noch nicht vorüber.
Vor 60 Jahren gestorben: James Dean
Bis heute ist er eines der größten Idole der Filmgeschichte: James Dean. Dabei hatte er nur drei Hauptrollen in Hollywood-Filmen. Seine Ausstrahlung wirkt jedoch bis heute. Ein Rückblick auf sein Leben.
Bild: picture alliance/AP Images/Warner Bros
Lässig, cool und ungemein gut aussehend
All das war James Dean. So ist er in Erinnerung geblieben. Dazu beigetragen haben auch hunderte von Fotos - so wie dieses, das während seines letzten Films "Giganten" entstand.
Bild: picture alliance/AP Images/Warner Bros
Schicksalsschlag mit neun Jahren
Aufgewachsen ist James Dean im Bundesstaat Indiana. Dort wurde er am 8. Februar 1931 geboren. Seine Mutter starb mit 29 Jahren an Krebs, der kleine James wuchs bei seiner Großmutter und einer Tante auf.
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Ländliche Idylle
Schon früh entdeckte James Dean sein Interesse für Schauspiel, Kunst und Tanz. In der ländlichen Idylle der amerikanischen Provinz, hier das Haus in Fairmount, Indiana, in der die Familie einige Jahre lebte, spielte James Dean in Schülertheatergruppen mit, lernte tanzen, musizierte und töpferte.
Bild: AP
Erste kleine Nebenrollen
James Dean lernte mit jungen Jahren das Schauspielen bei privaten Truppen, bekam erste kleine Nebenrollen auf der Bühne und beim Fernsehen. Einen ersten kurzen Auftritt vor Kino-Kameras hatte er beim US-Regisseur Sam Fuller 1951 in "Der letzte Angriff" ("Fixed Bayonets!").
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Erste Hauptrolle als Kultfigur
Bereits seine erste große Rolle im Kino, brachte den Ruhm. Der damals angesagte Bühnen- und Filmregisseur Elia Kazan setzte den jungen James Dean in seinem Drama "Jenseits von Eden" ein. Von den Produzenten und Studiobossen wurde der Schauspieler von Beginn an als Kultfigur inszeniert.
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library
"...denn sie wissen nicht, was sie tun"
Sein zweiter Film verfestigte diesen Ruhm. In Nicholas Rays heute als Klassiker geltendem Film "Rebel Without a Cause" spielte Dean eine Rolle seines Lebens: des aufmüpfigen, coolen Jugendlichen.
Bild: picture-alliance /
Ein Gigant des Kinos
Seine letzte Hauptrolle, in George Stevens "Giganten" an der Seite von Elisabeth Taylor, sollte schon seine letzte sein. Vor der Premiere des Films kam es zu jenem verhängnisvollen Unfall, der fortan zum Mythos des Schauspielers beitragen sollte.
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Ein Autonarr
James Dean hatte sich schon mit jungen Jahren für schnelle Autos begeistert. Mit seinem ersten bei Film und Fernsehen verdienten Geld kaufte er sich schicke Sportwagen und nahm auch erfolgreich an Autorennen teil.
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Tod mit 24 Jahren
Am 30. September 1955 verunglückte James Dean an einer Kreuzung in Kalifornien tödlich. Zunächst hatte man vermutet Dean sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Später stellte sich heraus, dass der Schauspieler am Unfall aber wohl keine Schuld trug. Die Bilder seines zerstörten Autowracks versetzten viele Fans in tiefe Trauer.
Bild: picture-alliance/dpa
Die Legende lebt weiter
Schon unmittelbar nach James Deans Tod setzte der Kult um den so früh verstorbenen Schauspieler ein. Um kaum einen anderen Darsteller in der Geschichte Hollywoods wurden so viele Legenden gebildet.
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Die Liga der wiedergeborenen Stars
Ein paar Tage nach der Ankündigung, dass James Dean in einem weiteren Film die Hauptrolle spielen wird, berichtete das US-Magazin "Variety", dass diese Art des digitalen Comebacks das Geschäftsmodell des neu gegründeten Unternehmens "Worldwide XR" sein wird. Das US-amerikanische Medienunternehmen will "den digitalen Menschen" sowohl in konventionellen Kinofilmen als auch AR- und VR-Produktionen unterbringen.
Auch der digitale James Dean ist eine Erfindung des Unternehmens. Neben ihm hat das Worldwide XR nach eigenen Angaben mehr als 400 verstorbene Prominente in petto. Darunter Hollywood-Ikonen, Musiker, Sportler und historische Persönlichkeiten wie der militante Schwarzenführer Malcolm X, Rock 'n' Roll-Pionier Chuck Berry, die Tänzerin und Schauspielerin Josephine Baker, Musiker Jerry Garcia, Schauspielerin Ingrid Bergman und Astronaut Neil Armstrong.
Auch in der Vergangenheit sind bereits Hologramme toter Musiker aufgetreten – das von Rapper Tupac beim Musikfestival Coachella 2012 - 16 Jahre nach seiner Ermordung - und das Hologramm von Michael Jackson beim Billboard Music Award 2014. Diese digitalen toten Stars sind sogar auf Tournee gegangen – zum Beispiel die des Singer-Songwriters Roy Orbison und die der legendären Opernsängerin Maria Callas.
Die Firma, die hinter den Bühnenproduktionen steckt, heißt BASE Entertainment. Nach eigenen Angaben hat sie mit den Touren 25 bis 30 Millionen US-Dollar (umgerechnet 22,5 bis 27 Millionen Euro) verdient. Aber auch bei den Hologrammen wird ein lebendiger Mensch als Vorlage für den Dreh benötigt, die Aufnahmen werden dann digital weiter bearbeitet.
Die Tücken der digitalen Wiederauferstehung
Doch das Comeback nach dem Tod hat seine Kehrseite. BASE Entertainment hatte eine posthume Tour von Amy Winehouse angekündigt, legte das Projekt aber dann Anfang 2019 doch auf Eis, nachdem einige Schwierigkeiten und spezielle Befindlichkeiten dem entgegen standen.
Dieser Trend, im Englischen mit "digital necromancy" bezeichnet, bringt viele prominente Stars dazu, sich schon zu Lebzeiten Gedanken über die Verwendung ihrer Bilder und Filmaufnahmen nach ihrem Ableben zu machen.
Hologramme von Menschen gehen viral
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Bereits vor seinem Tod im Jahr 2014 hatte der Schauspieler Robin Williams die Verwendung seiner Bilder in Film, Fernsehen oder als Hologramm für die nächsten 25 Jahre ausdrücklich untersagt. Andere haben in ihrem Testament festgelegt, dass ihre Bilder nicht im Zusammenhang mit Sex, Gewalt, Drogen oder Alkohol verwendet werden dürfen.
Aber viele der toten Stars, die digital wiederbelebt werden, wussten sicherlich nicht, dass sie dieses Schicksal in ferner Zukunft ereilen könnte. Und nicht alle Produktionen, die damit arbeiten, scheinen sich einen Ethik-Kodex auferlegt zu haben:
Posthum feierte auch der berühmte Schauspieler Bruce Lee ein Comeback – in einem Werbespot für schottischen Whisky. Die Kampfkunst-Ikone selbst hatte zu Lebzeiten ganz aufs Trinken verzichtet und rührte keinen Tropfen an.