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Wie Trump und Putin Deutschlands neue Außenpolitik prägen

10. April 2025

Dass sich CDU/CSU und SPD relativ schnell auf eine Koalition geeinigt haben, begründen sie auch mit den akuten außenpolitischen Herausforderungen. Fast alle haben mit Donald Trump zu tun.

Bildkombo Trump, Merz und Putin
Sowohl US-Präsident Donald Trump (l.) als auch Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) werden dem wahrscheinlichen nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz das Leben schwermachenBild: D. Torok/White House/B. Elmenthaler/M. Metzel/Kremlin Pool/ZUMA Press Wire/IMAGO

Die schwierige internationale Lage und die Zollpolitik der US-Regierung von Präsident Donald Trump haben die Unterhändler zuletzt unter zusätzlichen Einigungsdruck gesetzt.

Es sei eine "Situation wachsender weltpolitischer Spannungen", sagte der wohl künftige Bundeskanzler Friedrich Merz von der CDU bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages. Merz setzte den Bedrohungen und Unsicherheiten die Botschaft der Koalitionäre entgegen: "Wir wollen und wir werden den Wandel in der Welt für Deutschland mitgestalten." Und SPD-Chef Lars Klingbeil bestätigte: "Es ist eine Zäsur. Wir leben in wahrlich historischen Zeiten."

Hier die wichtigsten außenpolitischen Herausforderungen im Überblick:

Was plant die künftige Bundesregierung in der Handelspolitik?

US-Präsident Donald Trumps heftige Einfuhrzölle und die Gegenmaßnahmen der betroffenen Länder haben die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt und Sorgen vor einem weltweiten Handelskrieg ausgelöst. Deutschland als Exportnation treffen die Zölle besonders hart, zumal die deutsche Wirtschaft schon seit mehr als zwei Jahren in einer Rezession steckt.

Deutschland als Exportnation leidet besonders unter Einschränkungen des WelthandelsBild: Gregor Fischer/Getty Images

Für den transatlantischen Handel ist die EU zuständig, Deutschland kann hier nicht allein agieren. Im Bewusstsein der deutschen Verwundbarkeit setzt die künftige Bundesregierung daher auf Deeskalation.

Im Koalitionsvertrag steht: "Mit den USA streben wir mittelfristig ein Freihandelsabkommen an, kurzfristig wollen wir einen Handelskonflikt vermeiden und setzen auf die Reduzierung von Einfuhrzöllen auf beiden Seiten des Atlantiks." Angesichts von Trumps jüngsten Volten dürfte das ein optimistischer Ansatz sein.

Deutschland und das transatlantische Verhältnis

Friedrich Merz ist eigentlich Transatlantiker durch und durch. Zehn Jahre lang war er Vorsitzender der Atlantikbrücke, einer überparteilichen Organisation zur Pflege der amerikanisch-deutschen Beziehungen. Er hat zwar nie in den USA gelebt, aber nach eigenem Bekunden ist ihm das amerikanisches Denken durch seine jahrelange Arbeit für den US-Investmentkonzern BlackRock sehr vertraut. 

Doch mit Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump ist Merz' Glaube an eine enge deutsch-amerikanische Partnerschaft stark erschüttert. "Ich bin schockiert über Donald Trump", sagte er, nachdem dieser der Ukraine eine Mitschuld am Krieg gegeben hatte. Und entsetzt gab sich Merz, nachdem Trump und Vizepräsident J.D. Vance den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus öffentlich gedemütigt hatten.

Deutschland hat bereits seit der Zeit von CDU-Kanzlerin Angela Merkel einen schlechten Ruf bei Trump, nicht zuletzt wegen der bei dem US-Präsidenten verhassten offenen Flüchtlingspolitik Merkels. Auch wenn Merz sich immer wieder politisch von Merkel distanziert - leicht würde ein persönliches Treffen zwischen Merz und Trump nicht. Bisher ist auch keines geplant.

Ukraine: Liefert Deutschland nun Taurus-Rakten? 

Die Bemühungen Donald Trumps um einen Frieden in der Ukraine haben die Europäer zu bloßen Zuschauern gemacht. Er verhandelt direkt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat keinen direkten Einfluss auf die Gespräche.

Falls es zu einem Friedensschluss kommt, der auf einen Diktatfrieden für die Ukraine hinauslaufen könnte, bliebe den Deutschen und anderen EU-Europäern wohl nur die Rolle, für die Absicherung des Friedens zu sorgen.

Der noch amtierende SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz zögerte lange bei jeder neuen Waffengattung, die er für die Ukraine freigab, die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern lehnt er bis heute abBild: Björn Trotzki/IMAGO

Die künftige Koalition will die Ukraine weiter unterstützen. "Wir stehen an der Seite der mutigen Ukrainerinnen und Ukrainer. Die können sich auf uns verlassen", so Lars Klingbeil von der SPD. Darüber haben die Koalitionäre noch nicht entschieden.

Fraglich bleibt aber, wie genau es mit der Militärhilfe weitergeht. Merz hatte als Oppositionsführer die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper mit großer Reichweite an die Ukraine befürwortet. Dies lehnte der noch amtierende SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz immer ab, weil er befürchtete, Deutschland werde in den Krieg mit Russland hineingezogen.

Verteidigung: Merz will von USA unabhängig werden

Weil Merz Zweifel hat, ob sich die USA unter Trump noch an die Beistandsverpflichtung der NATO gebunden fühlen, sagte er noch am Wahlabend, die Europäer sollten so schnell wie möglich "wirklich Unabhängigkeit erreichen von den USA". Inzwischen hat Merz nicht nur sein berühmtes finanzielles "Whatever it takes" ("Was immer notwendig ist") für eine Aufrüstung der Bundeswehr durch den Bundestag bekommen.

Er strebt auch eine enge verteidigungspolitische Zusammenarbeit der Europäer an. Mit den europäischen Atommächten Frankreich und Großbritannien will er sprechen, ob und wie Deutschland und Europa von deren nuklearem Schutz profitieren können. Das wird nicht einfach. Beide Staaten dürften zu einer nuklearen Teilhabe ihrer Arsenale nicht ohne Weiteres bereit sein.

Auch innerhalb der EU gibt es durchaus Vorbehalte gegen mehr militärische Zusammenarbeit. Und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hält gute Kontakte zu Wladimir Putin und lehnt eine Unterstützung der Ukraine ab.

Deutsche EU-Politik: kein Selbstläufer 

Der noch amtierenden Regierung unter SPD-Kanzler Olaf Scholz hatte Merz vorgeworfen, die europäische Zusammenarbeit schleifen zu lassen. Vor allem das Verhältnis zum engsten Partner Frankreich und zu Polen habe gelitten. Das will er ändern.

Schon wenige Tage nach seinem Wahlsieg Ende Februar besuchte Friedrich Merz (r.) den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron im Pariser Elysée-PalastBild: Sarah steck/Présidence de la République/dpa/picture alliance

Ein Selbstläufer wird das nicht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist innenpolitisch angeschlagen. Polen hat nach Jahren unter der rechtsnationalen PiS-Regierung wieder eine europafreundliche Führung unter dem ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Doch ein enges Verhältnis besteht im Moment weder zu Paris noch zu Warschau.

Auch in der übrigen EU ist der frühere Schwung verflogen. Rechtspopulisten sind fast überall auf dem Vormarsch, die europäische Integration ist kein Selbstläufer mehr. 

Sicherheitsrisiken gegenüber China verringern

Als Ausweg aus dem Handelskonflikt mit Trump wollen manche Politiker in Berlin und Brüssel wieder mehr auf das Geschäft mit China setzen. Das läuft aber auch nicht mehr so gut wie früher, als deutsche Exporteure dort glänzende Geschäfte machten. Deutsche Autos, lange Exportschlager in China, werden inzwischen dort zu Ladenhütern.

Die EU ihrerseits schottet inzwischen ihren Markt gegen chinesische Elektroautos ab. Auch hier dürfte Deutschland als exportorientiertes Land versuchen, dass die Marktbeschränkungen im Handel mit China nicht zu weit gehen.

Andererseits will die künftige Koalition im Umgang mit der Wirtschaftsmacht China die Sicherheitsrisiken verringern. Der Satz im Koalitionsvertrag "Ausländische Investitionen, die unseren nationalen Interessen widersprechen, in kritische Infrastruktur und in strategisch relevanten Bereichen, wollen wir effektiv verhindern" dürfte sich vor allem auf China beziehen.

Nahost-Konflikt: Netanjahu in Deutschland willkommen?  

Die Bundesregierung ist hier in einer besonders schwierigen Position: Als Konsequenz aus der nationalsozialistischen Geschichte mit dem millionenfachen Mord an Juden liegt die Sicherheit Israels jeder deutschen Regierung besonders am Herzen. Auf der anderen Seite haben deutsche Politiker immer wieder Israels hartes Vorgehen gegen die Hamas im Gaza-Streifen als unverhältnismäßig kritisiert. Die Hamas ist eine militante, islamistische, palästinensische Gruppe. Deutschland und weitere Länder stufen sie als Terrororganisation ein.

Wegen der Zerstörungen im Gaza-Streifen im Kampf gegen die Hamas wird Israel vielfach kritisiertBild: Omar Al-Qattaa/AFP/Getty Images

In eine Zwickmühle gerät die Bundesregierung auch wegen eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wegen des Verdachts von Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Deutschland unterstützt zwar den Strafgerichtshof und müsste Netanjahu bei einem Deutschland-Besuch eigentlich festnehmen. Allerdings hat Friedrich Merz versprochen, das werde unter ihm als Kanzler keinesfalls geschehen.

Sagt Deutschland bye-bye Klimaschutz?

Die Grünen haben zwar noch dafür gesorgt, dass der Klimaschutz in Deutschland deutlich mehr Geld erhält und die Klimaneutralität bis 2045 ins Grundgesetz kommt - global sieht es bei dem Thema allerdings anders aus: Donald Trump hat nicht nur sofort nach seinem Amtsantritt sein Land aus allen internationalen Klimaschutzabkommen herausgeführt, ihm sind auch große amerikanische Firmen gefolgt: Investitionshäuser wie BlackRock und J.P. Morgan haben sich von klimafreundlichen Projekten verabschiedet.

Es dürfte damit viel schwieriger werden für Deutschland, den Klimaschutz auf internationaler Ebene voranzubringen. Umweltverbände glauben unterdessen, dass es die künftige Regierung selbst nicht mehr so ernst damit meint. Den Passus im Koalitionsvertrag, die Klimaneutralität solle erreicht werden "mit einem Ansatz, der Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit zusammenbringt", sehen sie als Aufweichung der Klimaziele.