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Politik

Wie Trumps Weißes Haus Deutschland sieht

Michael Knigge tön
19. November 2018

Ein der DW vorliegendes Briefing-Papier des Weißen Hauses für das vergangene Treffen von US-Präsident Donald Trump und Angela Merkel offenbart, welches Bild man sich dort von Deutschland macht.

USA Washington | Präsident Donald Trump & Angela Merkel, Bundeskanzlerin
US-Präsident Donald Trump und Angela Merkel bei ihrem Treffen in Washington am 27. AprilBild: Reuters/B. Snyder

Täglich instruieren Donald Trumps Berater den Präsidenten in einem Wirtschafts-Briefing. So auch im vergangenen April, bevor Trump die deutsche Kanzlerin im Weißen Haus empfing. Diesmal zeichneten sie ein Bild, das Donald Trumps bekanntlich negativem Deutschland-Bild entgegenkam.

"Deutschland hat den weltgrößten Leistungsbilanzüberschuss und die zweitälteste Bevölkerung der Welt, sowie eine der niedrigsten Arbeitslosigkeitsquoten in der Europäischen Union. So lautet unterstrichen und in Großbuchstaben geschrieben die Überschrift des zweiseitigen Papiers, das auf den 26. April 2018 datiert ist.

Auszug aus dem Wirtschafts-Briefing des Weißen Hauses vor dem Merkel-TreffenBild: DW/M.Knigge

Am Tag danach kamen Merkel und Trump zusammen. Auch bei dieser im Vergleich zu vorherigen Treffen freundlichen Begegnung konnten beide ihre tiefen Meinungsverschiedenheiten nicht überbrücken, schon gar nicht in Handels- und Wirtschaftsfragen.

Wieder hatte sich Trump über den hohen Handelsüberschuss der Deutschen beschwert und dies zumeist verknüpft mit Deutschlands - seiner Ansicht nach - zu mageren Verteidigungsausgaben. Die liegen deutlich unter den von der NATO verlangten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch nach seinem Treffen mit Merkel wiederholte Trump seine Kritik daran: "Alle NATO-Mitglied-Staaten müssen das Zwei-Prozent-Ziel einhalten und hoffentlich überbieten sie es. All unsere Verbündeten sollten ihre Verteidigungsausgaben steigern, damit alle einen gerechten Beitrag leisten."

Das Papier erwähnt einen weiteren, zentralen Streitpunkt zwischen Merkel und Trump: die deutsche Einwanderungspolitik. "Das Alter der deutschen Bevölkerung lässt vor dem Hintergrund steigender Einwanderung eine demographische Krise erwarten", heißt es in dem Briefing-Papier, das dazu weiter ausführt: "Deutsche Frauen haben nicht genug Kinder, um das Bevölkerungswachstum steigern oder auch nur konstant zu halten. 2017 lag die Geburtenrate bei 8,6 pro tausend Einwohner gegenüber einer Sterberate von 11,7. 2016 hatten 18,6 Millionen Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund. Ein Rekordhoch. Zurückzuführen vor allem auf den Zustrom von Flüchtlingen. Während manche der Migranten aus dem Mittleren Osten oder Afrika kommen, stammen die meisten aus europäischen Ländern."

Mit seinem Fokus auf demographische Herausforderungen und der Betonung der hohen Zahl an Migranten, die 2015 nach Entscheidungen der Merkel-Regierung ins Land kamen, scheint das Papier Trumps lang gehegte Meinung zu bestätigen, wonach die Einwanderung Deutschland schade.

Burgen und Bilanzüberschüsse

In einem anderen Abschnitt, vielleicht abzielend auf einen als wenig belesen bekannten Präsidenten, liefert das Papier "interessante Leckerbissen über Deutschland". Dies ist eine Auflistung von Halbwahrheiten, die den Präsidentenberatern offenbar besonders kurios wie auch bedeutsam erschienen. Etwa, dass Deutschland als erstes Land eine Sommerzeit eingeführt habe. Oder, dass es auf deutschen Autobahnen illegal sei, wenn einem der Sprit ausgehe. Aber auch dies: Eines der beliebtesten Getränke der Deutschen sei Glühwein. Und in dem Land gebe es nicht nur 2100 Burgen, sondern auch mehr als 400 Zoos. So viel, wie in keinem anderen Land der Welt.

Mit diesem Papier instruierten Donald Trumps Berater, den Präsidenten über die deutsche WirtschaftBild: DW/M. Knigge

Gefragt, was sie von dem Briefing-Papier halten, sagen US-Experten der transatlantischen Politik, auch wenn die Fakten weitgehend korrekt seien, offenbare es einen recht schiefen Blick auf die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen.

"Das Papier zeigt einen eher seltsamen Blick auf die deutsche Wirtschaft", sagt Jeffrey Anderson, Professor für deutsche und europäische Regional-Wissenschaften an der Georgetown Universität in Washington:  "Man kann sagen, das Papier redet Trumps Skepsis und Vorurteilen hinsichtlich Deutschlands das Wort."

Die Autoren betonen die Schwachstellen, politisch mit dem Bilanzüberschuss und strukturell mit der Demographie: "Das ist ein alter Hut und nichts deutschlandspezifisches." 

Dabei, so Anderson, zeichne das Papier ein einseitiges Bild vom Handel, indem es Deutschlands Direktinvestitionen in den USA unerwähnt lasse. Wenn man diese gegengerechne, schrumpfe der deutsche Bilanzüberschuss zusammen. Und anders als in dem Papier suggeriert, seien die USA nicht "Verlierer", sondern großer Profiteur der deutschamerikanischen Handelsbeziehungen, sagt Anderson.

"Lustig und unerheblich"

Auch für Mark Hallerberg von der Hertie School of Governance vermisse das Papier die Gesamtheit der wirtschaftlichen Verknüpfungen zwischen den USA und Deutschland. Nicht nur der Handel fehle im Papier gänzlich, so Hallerberg. "Ich würde auch etwas zu den ausländischen Direktinvestitionen beider Länder erwarten." Während deutsche Autohersteller stark in den USA vertreten seien, habe der amerikanische Technologie-Sektor Interessen in Deutschland, sagt Hallerberg und fügt hinzu: "Die Verweise auf Glühwein und Autobahnen sind ziemlich lustig - und reichlich irrelevant. Zumal Trump keinen Alkohol trinkt."

Das Weiße Haus hat auf eine Anfrage um Stellungnahme nicht geantwortet. Eine Sprecherin der Bundesregierung sagte auf eine entsprechende Anfrage: "Wir kommentieren grundsätzlich keine Briefing-Papiere anderer Länder."

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